"Ich wusste nicht, ob es jemals wieder besser wird"

Wie fühlt es sich an, wenn das eigene Leben an der Depression zu zerbrechen droht? Eine Betroffene aus München erzählt.
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Kann heute wieder lachen: Karolina De Valerio hat die Depression besiegt.
Petra Schramek Kann heute wieder lachen: Karolina De Valerio hat die Depression besiegt.

München - Schon immer hat Karolina De Valerio viel von sich verlangt: Schule und Studium schließt sie mit Bestnoten ab und verfasst danach noch eine Doktorarbeit.

Auch beim Start ins Berufsleben gibt die damals 30-Jährige sofort alles: Noch während sie für die Doktorprüfung lernt, beginnt sie ein Referendariat an einem Gymnasium. "Damals habe ich quasi Tag und Nacht gearbeitet", erinnert sie sich. Dass all die Belastung zu viel sein könnte, kommt ihr nicht in den Sinn. Bis der Körper ihr Signale sendet: Am Ende ihrer Doktorarbeit wird die Frau zunehmend unruhig, schläft schlecht oder gar nicht mehr.

Oft fühlt sie sich, als würde sie neben sich stehen. Nach einer Woche im Referendariat passiert, was eine Psychiaterin kurz darauf grob als "Nervenzusammenbruch" diagnostizieren wird. Direkt von der Schule muss De Valerio in eine Psychiatrie gebracht werden.

Die Ärzte wissen lange nicht, was ihr fehlt

"Die Zeit danach war heftig", erinnert sie sich. Lange wissen die Ärzte nicht genau, was der jungen Frau fehlt. Auch sie selbst kann das, was da gerade mit ihr geschieht, nicht richtig einordnen. "Ich hatte Todesangst", schildert sie die ersten Tage nach dem Zusammenbruch. "Ich wusste, ich bin krank, aber nicht, ob es jemals wieder wird."

De Valerios Mann nimmt sich unbezahlten Urlaub und erspart seiner Frau so einen stationären Klinikaufenthalt. Denn um sich selber kümmern kann sie sich nicht, die Depression lähmt sie förmlich. "Ich musste noch mal ganz von vorne anfangen, herumlaufen, mich anziehen, alleine bleiben, das war alles unmöglich für mich", schildert sie ihre Erlebnisse. Die Wende kommt für Karolina De Valerio nach einem längeren Aufenthalt in einer Tagesklinik in Nürnberg und kurz bevor die Ärzte doch zu einer stationären Unterbringung raten. "Damals habe ich noch mal alle meine Kräfte mobilisiert", erzählt sie.

Depression! In München kommen die Symptome wieder

Danach geht es aufwärts, Therapie und Medikamente zeigen ihre Wirkung. De Valerio schließt ihre Doktorprüfung ab und beginnt in einem Nachhilfeinstitut zu arbeiten.

Dann ändert sich einiges in ihrem Leben. Sie und ihr Mann ziehen nach München und bekommen ihre erste Tochter. Als De Valerio aus der Geburtsklinik entlassen wird, kommen fast acht Jahre nach dem ersten Zusammenbruch die Symptome wieder. Diesmal muss sie stationär behandelt werden. Und erneut arbeitet sich De Valerio mühsam ins Leben zurück.

Inzwischen liegt ihre letzte depressive Episode über 15 Jahre zurück. Die Krankheit hat der heute 56-Jährigen beigebracht, auch mal abzuschalten. "Ich gehe heute freundlicher mit mir um", sagt sie. "Ich erlaube mir, auch Dinge zu genießen, bei denen es nicht um Leistung geht – mal einen Krimi lesen oder Fernsehen schauen zum Beispiel."

Depressive: "Mir ist nicht wichtig, was andere über mich denken"

Eine Rückkehr zum Referendariat und ans Gymnasium kam für De Valerio schon recht früh nicht mehr in Frage. Stattdessen engagiert sie sich ehrenamtlich und macht einen Kurs zur Ex-In-Genesungsbegleiterin. Ex-In, vom englischen "Experienced Involvement" (engl. Einbindung von Erfahrung), bezeichnet ein Konzept, das das Wissen von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung in die praktische Arbeit von Einrichtungen und Kliniken einbindet. Die Genesungsbegleiter bringen ihre eigenen Erlebnisse mit der Krankheit ein und helfen so Menschen in Krisensituationen, besser mit dem Erlebten umzugehen.

De Valerio arbeitet inzwischen beim Münchner Bündnis für Depression und organisiert hier unter anderem eine Schreibwerkstatt und eine Telefonsprechstunde für Depressive. "Zu mir haben die Patienten ein anderes Zutrauen", erklärt sie. "Sie müssen sich nicht lange erklären. Außerdem können sie an mir sehen, dass das, was sie gerade erleben, auch wieder besser wird."

Dass sie schon aus beruflichen Gründen offen zu ihrer Erkrankung stehen muss, war für De Valerio nie ein Problem. Sie sagt: "Inzwischen ist es mir nicht mehr wichtig, was andere über mich denken".

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