Hilfen bei Demenz

Was tun, wenn die Orientierung im Alltag immer schwerer fällt? Die AZ-Übersicht über die wichtigsten Möglichkeiten der professionellen Unterstützung und die Leistungen der Pflegekasse
von  Susanne Stephan
Alben mit Erinnerungen an die Lebensstationen zusammenstellen - das kann helfen.
Alben mit Erinnerungen an die Lebensstationen zusammenstellen - das kann helfen.

 

MÜNCHEN Viele trifft es, und für viele Menschen ist die Vorstellung ein Alptraum: dement zu werden, sich in der gewohnten Umgebung ohne fremde Hilfe nicht mehr zurechtzufinden. Allerdings gibt es vielfach Unterstützung, und sie ist in den vergangenen Jahren professioneller und zum Teil auch erschwinglicher geworden.

Stundenweise Betreuungsangebote und Pflegedienste. Wichtig ist, dass demente Menschen über einen möglichst großen Zeitraum hinweg von denselben Personen betreut werden, rät die Stiftung Warentest. Wer also einen Pflegedienst sucht, sollte darauf achten, dass sich nur ein kleiner, fester Kreis von Betreuungskräften – also zwei bis drei Personen – um den pflegebedürftigen Menschen kümmern. Viele Dienste bieten auch die Betreuung in Gruppen an – sie holen den pflegebedürftigen Menschen beispielsweise zu Hause ab, fahren mit ihm zu einer Therapie, bei der die Erinnerungsfähigkeit geübt wird, und bringen ihn zurück. Andere Betreuungsdienste bieten auch Begleitung beim Spazierengehen an.

Die Kosten schwanken stark, je nachdem, ob hierbei auch Ehrenamtliche eingebunden werden. Zum Teil sind Angebote ab fünf Euro pro Stunde zu buchen. Geld von der Krankenversicherung gibt es, wenn sich dadurch ein Klinikaufenthalt vermeiden oder verkürzen lässt oder ein Arzt sie aus anderem Grund verordnet. Voraussetzung: Keine andere Person im Haushalt kann den Patienten versorgen.

Wer Leistungen aus der Pflegekasse in Anspruch nehmen kann, muss sich an die Vorgaben des Medizinischen Dienstes halten, der den Grad der Pflegebedürftigkeit einschätzt – oder aus eigener Tasche zuzahlen. Ein Kostenbeispiel: Für eine „Ganzwaschung“, rechnen die Experten vor, werden je nach Anbieter gut 15 bis gut 22 Euro verlangt. Seit Beginn des Jahres können Interessenten außerdem eine Abrechnung nach Zeit einfordern – dies soll verhindern, dass Senioren im Schnelldurchlauf abgefertigt werden. Die Angehörigen sollten deswegen nach dem ersten Kontakt mit dem Pflegedienst Kostenvoranschläge für beide Abrechnungsvarianten erbeten.

Betreuung rund um die Uhr. Viele Pflegedienste bieten diesen Service an. Die Kosten, dafür, dass immer jemand zuhause ist, sind hoch: Ab etwa 3500 Euro im Monat. Selbständige Pflegekräfte – vor allem aus Osteuropa – kosten deutlich weniger, etwa 2000 Euro im Monat. Allerdings geht der Zoll, wenn er (beispielsweise durch missgünstige Nachbarn) auf die Tätigkeit der Pflegekraft aufmerksam gemacht wird, von einer Scheinselbständigkeit aus, falls der Pflegende im Haushalt wohnt. Dann kann es im schlimmsten Fall zu einem Strafverfahren und hohen Nachzahlungen an den Fiskus und die Sozialkassen kommen. Eine Alternative wäre es, die Pflegekraft von vorneherein offiziell anzustellen. Dann müssen freilich sämtliche Pflichten eines Arbeitgebers eingehalten werden.

Osteuropäische Firmen: Sie entsenden Mitarbeiter nach Deutschland. Der Vorteil für die Kunden: Die Pflegekräfte sind über die Firma sozialversichert und zahlen Steuern. Legale Angebote kosten nur 2000 Euro im Monat. Nachteil: Nicht alle Pflegekräfte sprechen ausreichend Deutsch, und in vielen Fällen wechseln sie alle paar Monate – das kann einen ohnehin verwirrten Menschen überfordern. Die Rahmenbedingungen sollten deshalb vorher abgeklärt werden.

Tages- oder Nachtpflege im Heim. Hier kommen Menschen über acht bis zehn Stunden unter, beispielsweise, während die Angehörigen arbeiten gehen.

Betreutes Wohnen. Mietwohnung plus diverse Dienstleistungen: Hausnotruf, je nach Bedarf ein Menueservice fürs Essen, zum Teil auch Ansprechpartner, die weitere Serviceangebote koordinieren. Das betreute Wohnen eignet sich für Menschen, die ihren Alltag gut im Griff haben, deswegen ist es in den meisten Fällen für Demenzkranken schlecht geeignet.

Pflegeheim. Wer einen Heimplatz sucht, sollte sich Zeit nehmen. Wiederholte Besuche zu wechselnden Tageszeiten in den Wohnbereichen vermitteln ein besseres Bild von der Einrichtung als eine Visite bei der Heimleitung. Auch ein Anruf beim örtlichen Allgemeinarzt, der viele Patienten in dem Heim betreut, kann aufschlussreich sein. Angehörige sollten versuchen, mit den Pflegekräften ins Gespräch zu kommen – ist dies nicht möglich, weil die Angestellten zu wenig Zeit haben oder unwirsch sind, sollte die Einrichtung nicht in die engere Wahl kommen. Die Kosten im Heim richten sich nach dem Träger und dem Grad der Pflegebedürftigkeit. Sie liegen bei Pflegestufe 3 zwischen rund 2300 bis 3300 Euro im Monat.

Wichtig bei allen stationären Angeboten: Die Wohneinheiten sollen maximal zwölf Personen umfassen – sonst sind demente Menschen schnell überfordert. Das Gleiche gilt für lange Flure. Besser sind zentrale Aufenthaltsräume, um die sich die Bewohnerzimmer gruppieren. Gut organisierte Einrichtungen verfügen außerdem über Fachkräfte, die sogenannte biografie- oder Erinnungsarbeit anbieten – also zum Beispiel mit den alten Menschen Alben zu seinen Lebensabschnitten zusammenstellen. Dazu kommen idealerweise andere Angebote, die die Bewohner gemäß ihren Möglichkeiten fördern. Gut ist auch ein geschützter Garten, der abgegrenzt ist und von den Bewohnern allein aufgesucht werden kann.

Geld von der Pflegekasse. Die Leistungen der Pflegekasse betragen je nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit zwisshen 120 und 700 Euro im Monat (Pflegegeld). Wer Sachleistungen in Anspruch nimmt – also etwa die Leistungen eines Pflegedienstes oder eines Pflegeheimes – bekommt dies bis zu 1918 Euro im Monat erstattet. Außerdem übernimmt die Kasse maximal 2557 Euro für jede Maßnahme, mit der eine Wohnung den Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen angepasst wird. Ist die Pflegeversicherung nicht zuständig, hilft das Sozialamt – prüft aber, ob das Einkommen oder Vermögen des Betroffenen oder seiner Angehörigen herangezogen werden kann.

Bleibt der Bescheid aus, gibt es 70 Euro pro Woche. Wer Leistungen aus der Pflegeversicherung will, muss diese bei der Krankenkasse beantragen. Der Antrag sollte schriftlich - wenn möglich per Einschreiben - erfolgen. Besondere Kenntnisse sind nicht nötig, es reicht der Satz: „Ich beantrage Leistungen der Pflegeversicherung, weil ich pflegebedürftig bin.“ Die Kasse schickt dann ein Antragsformular zurück – ausschlaggebend für den Beginn der Leistungen ist aber das Datum, an dem der erste Brief abgeschickt wurde. Anschließend kommt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (bei gesetzlich Versicherten) oder der Firma Medicproof (bei Privatversicherten).


Wichtig für den Besuch des Gutachters: Die pflegenden Angehörigen sollten ein Pflegetagebuch vorlegen können, aus dem über einen längeren Zeitraum hinweg hervorgeht, wann der demente Mensch welche Hilfe benötigte. Solche Tagebücher gibt es bei vielen Beratungsstellen – die Angehörigen können ihre Arbeiten aber auch in einem normalen Heft notieren. Allerdings sollte dies systematisch geschehen. Für viele Demenzkranke kommt die so genannte Pflegestufe Null in Betracht – sie brauchen nur wenig Grundpflege, können aber nicht alleine bleiben.


Innerhalb von fünf Wochen muss ein Bescheid der Pflegeversicherung über eine etwaige Kostenübernahme vorliegen. Schafft die Kasse dies nicht, stehen dem Antragsteller pro Woche ein Versäumnisgeld von 70 Euro zu. Wenn der Betroffene im Krankenhaus oder in einer Rehaeinrichtung ist, muss die Begutachtung innerhalb einer Woche stattfinden. Wird der alte Mensch zuhause gepflegt, und sein Angehöriger will Pflegezeit in Anspruch nehmen, beträgt die Frist zwei Wochen.

 

 

 

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