Groupon: Kaufen wie im Rausch

Im Internet boomen Dienste, die sagenhafte Nachlässe beim Laden um die Ecke versprechen – wenn man sofort zuschlägt. Millionen haben Spaß daran, doch es lauern echte Suchtgefahren
von  Berrit Graeber

MÜNCHEN Sind Sie auch schon im Rabatt-Fieber? Maria P. aus Kirchheim ist geradezu süchtig nach den täglichen Schnäppchen in ihrer E-mail: 50 Prozent Nachlass aufs Menü beim Italiener in Bogenhausen, auf Kinokarten oder den Sonntagsbrunch in Schwabing. 63 Prozent auf das Skiwochenende in Bad Gastein und die Ultraschall-Fettreduktion am Marienplatz, 80 Prozent aufs Zähnebleichen und den Haarschnitt beim Profi um die Ecke.
Jeden Morgen locken Internet-Portale wie groupon.de, dailydeal.de oder cooledeals.de mit neuen tollen Spar-Gutscheinen in der Stadt. Und nicht nur die 50-jährige Maria schlägt beschwingt zu, dass der Geldbeutel nur so ächzt. Weil es fürs Freunde werben noch Extra-Rabatt gibt, wächst die millionenfache Fangemeinde im Turbo-Tempo. Bundesweit.
Die Riesen-Rabatte sind fast zu schön, um immer wahr zu sein, mahnen Verbraucherschützer zur Vorsicht. Bei ihnen trudeln die ersten besorgten Anfragen und Beschwerden über Groupon & Co. ein. „Nicht jeder Deal des Tages hält, was vollmundig versprochen wird”, warnt Peter Lassek von der Verbraucherzentrale Hessen. Interessenten sollten sich in Acht nehmen vor Suchtpotenzial, Trickserei und Sicherheitslücken. Die Gefahr sei groß, wie im Rausch viel mehr zu kaufen als das Konto hergibt. „Nur wenn man die Haken alle kennt , ist gegen die virtuelle Schnäppchenjagd nichts mehr zu sagen”, betont Lassek. Die AZ hat mal genauer hingeguckt.

So funktioniert es: Im Marketing-Deutsch heißen die täglichen Werbeaktionen auch „organisiertes Live-Shopping”. Wer sich bei Groupon oder einem Mitbewerber registriert, bekommt täglich e-mails zugeschickt. Darin wimmelt es nur so vor reizvollen Angeboten, die auf München oder andere Städte zugeschnitten sind. Das können Freizeitangebote, Restaurantbesuche, Schönheitsbehandlungen oder auch Friseurbesuche sein. Die Offerten sind nur jeweils bis Mitternacht buchbar.

Das wird geboten: Gelockt wird mit Rabatt-Gutscheinen von 50 bis 90 Prozent, die man dann am eigenen Computer ausdrucken kann. Nachlass gibt es aber nur dann, wenn genügend Kunden zuschlagen. Die Verkaufsplattformen handeln Sparangebote für große Gruppen aus. Der Handel sehe darin eine interessante Chance zur Neukundengewinnung, sagt Kai Falk, Sprecher des Handelsverbands HDE.

Das sind die Haken: Zeitdruck: Die Offerten müssen noch am gleichen Tag angenommen werden. Für einen größeren Preisvergleich oder längeres Überlegen bleibt da kaum Zeit. Auch die Seriösität des Dienstleisters kann auf die Schnelle nicht überprüft werden. So manche Kundin ist bereits im baufälligen Hinterhofgebäude statt im schicken Kosmetikstudio gelandet.
Gültigkeit: Die Gutscheine sind oft nur 3 bis 6 Monate lang gültig. Oder können nur zu besonderen Zeiten, Wochentagen, nur in bestimmten Filialen oder nur nach Verfügbarkeit eingelöst werden. Bei Warenkäufen kann die Gültigkeit auch noch von einem Mindestbestellwert abhängen.
Ersparnis: Oft bleibt unklar, wie der versprochene Nachlass eigentlich zustande kommt. Wer sich die Mühe macht, das normale Preisverzeichnis des Frisörs oder Gourmet-Tempels anzuklicken, stellt manchmal fest: Der reguläre Ausgangspreis ist gar nicht so hoch wie im Internetangebot. Sprich: Das 4-Gänge-Menü kostet eigentlich niemals 70 sondern immer nur 55 Euro. Wer es für 35 Euro kauft, hat also nicht wirklich 50 Prozent gespart. Bei Waren können Versandkosten den Rabatt noch schrumpfen lassen.
Macht Groupon süchtig? Der Anreiz, sich täglich eine Super-Sonder-Aktion zu gönnen, ist jedenfalls immens. Und gewollt. „Das funktioniert wie ein Wundertütenprinzip”, sagt Stephan Grünewald, Psychologe am Forschungsinstitut Rheingold. Nach dem Kauf mache sich ein „triumphales Gefühl” breit, das süchtig machen könne.

Das sagen Sicherheitsexperten: Verbraucherschützer bemängeln teils erhebliche Lücken beim Datenschutz. Viele Schnäppchen-Portale verschicken persönliche Verbraucherdaten unverschlüsselt durchs Netz. Ganze Online-Sitzungen können so rein theoretisch ausgespäht werden. Bei einigen Anbietern bleibt im Dunkeln, was mit den Kundendaten passiert. Weitere Informationen unter www.verbraucher.de, dort gibt es eine kostenlose Broschüre: „Augen auf beim Gruppenkauf: Groupons - Rabattgutscheine im Internet”.
Bezahlen sollte man lieber mit Lastschrift als mit Sofortüberweisung oder Kreditkarte. Bei Ärger kann das Geld dann notfalls noch sechs Wochen nach Quartalsende zurückgeholt werden. Wichtig ist das 14-tägige Rücktrittsrecht vom Kauf. Das ist im Fernabsatzhandel vorgeschrieben. Ausnahmen: Gutscheine für Reisen und Freizeitveranstaltungen lassen sich nicht widerrufen.

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