Das Geheimnis der 100-Jährigen: Darum leben manche Menschen länger

In den "Blue Zones" werden besonders viele Menschen 100 Jahre alt. Woran liegt das? Eine Spurensuche.
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In den sogenannten Blue Zones leben auffallend viele ältere Menschen.
In den sogenannten Blue Zones leben auffallend viele ältere Menschen. © anamejia18 (www.imago-images.de)

Hundert Jahre alt werden – dieses Ziel mag für viele erstrebenswert sein, aber immer unter einer Voraussetzung: nämlich bitte nicht alt und tattrig sein, sondern so lange wie möglich gesund und fit im Kopf. In bestimmten Regionen der Welt gelingt das auffallend vielen Menschen. Diese Gebiete wurden "Blue Zones" getauft. Was ist das Geheimnis dieser Oasen des langen Lebens?

Hier werden die Menschen richtig alt: Die Blue Zones der Welt

Das treibt vor allem diejenigen um, die nicht dort leben. Der vielfach ausgezeichnete US-amerikanische Journalist und Autor Dan Buettner aus Miami hat den Namen Blue Zones vor zwei Jahrzehnten geprägt, er hat rund 30 Reisen dorthin unternommen, mit vielen Hundertjährigen gesprochen und mit Forschern zusammengearbeitet.

Selbst das Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns bezieht sich bei der Definition auf ihn. Diese lautet: "Der Begriff Blue Zone beschreibt Regionen der Erde, in denen die Menschen überdurchschnittlich lange und gesund leben und in denen es besonders viele Hundertjährige gibt."

"Unschätzbarer Wert der Entschleunigung": Das Geheimnis der 100-Jährigen

In Buettners Buch "Das Geheimnis der 100-Jährigen" bündelt er seine Erkenntnisse aus der Vergangenheit und den viermonatigen Recherchen für eine aktuelle Dokuserie. Das Buch ist nicht nur fundiert, sondern führt auch wie eine kleine Weltreise durch Kulturen und Lebensweisen, die sich durchaus auf den eigenen Alltag ummünzen lassen, ohne dass wir nun alle auswandern müssen (inklusive Rezepten wie der italienischen Minestrone der Familie Melis).

Ein Buch für Ältere und solche, die es werden wollen. Buettner gibt darin auch preis, was er für sich selbst aus den Reisen in die Blue Zones mitnimmt, er habe dort "den unschätzbaren Wert der Entschleunigung, den ausgiebigen Schwatz mit Nachbarn, die häusliche Küche und die entspannten Mahlzeiten in der Familie kennengelernt".

Wo die Blue Zones liegen

Grundsätzlich lässt sich Buettner zufolge sagen, dass es nicht das eine Geheimnis gibt, sondern "ein Geflecht miteinander verbundener Faktoren", die ein langes Leben begünstigen. Diese stimmen im Kern in den mittlerweile sechs Regionen weitgehend überein, wenn sie auch teils weitere Aspekte beinhalten. Zu den ursprünglich fünf "Blue Zones"§ nennt Buettner nun auch Singapur, weil das Land proaktiv das Leben der Menschen verbessert habe und die Lebenserwartung seit 1965 um 35 Jahre gestiegen sei. Daneben gehört zu den Blue Zones dieses Quintett:

  • Nicoya-Halbinsel (Costa Rica)
  • Loma Linda in Kalifornien
  • das griechische Ikaria
  • Okinawa in Japan
  • sowie sechs abgelegene Dörfer in Sardinien

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Warum die Menschen in Blue Zones länger leben

Jede Region bekommt seinen Platz im Buch und wird analysiert. In der Einleitung schreibt Buettner (und damit gibt es keine Ausreden mehr, dass man es nicht auch selber in der Hand hat): "Nicht, dass die Menschen in den Blue Zones bessere Gene oder einen überlegenen Körper hätten, auf die meisten traf das nicht zu." Buettner sieht das natürliche Lebensumfeld und die innere Einstellung als wichtige Faktoren. "Sie strebten nicht nach Gesundheit und Langlebigkeit, als wäre es eine lästige Pflicht. Es ergab sich einfach aus ihrer Lebensweise."

Sardinien: Wo die Alten geschätzt werden

Beispielhaft schauen wir uns an dieser Stelle Sardinien an. Die italienische Insel ist nicht nur beliebtes Reiseziel, sondern eine Oase der Langlebigkeit. Das trifft auf die sechs Bergdörfer Artzana, Baunei, Seulo, Talana, Urzulei sowie Villagrande Strisaili zu. Was Letzteres so besonders macht: "In den meisten Teilen der Welt ist der Anteil an hundertjährigen Frauen viermal so hoch wie der der Männer. In Villagrande ist das Verhältnis fast eins zu eins." 

Und: Nur 19 Prozent der über 90-Jährigen leiden demnach an Demenz, führt Buettner aus. Was es in Villagrande nicht gibt: Altenheime. Die Familien kümmern sich selbst um ihre betagten Angehörigen, beschreibt der Autor. So trifft er auch bei einem neuerlichen Besuch nach 20 Jahren auf eine 101-jährige Frau, die von ihren Nichten umsorgt wird. Die sind selbst schon zwischen 60 und 70 Jahre alt. Sie kümmerten sich selbstverständlich um ihre Tante, die für sie wie eine Mutter sei. Zum Geburtstag gab es eine Schärpe, im Vorjahr ein Krönchen. Sprich: Das Alter wird geschätzt, die Älteren unterstützt und in der Mitte der Gemeinschaft integriert.

Alt werden: Ernährung als wichtiger Faktor

Auch die Ernährung gilt als entscheidend. "Obwohl das Leben in den Bergdörfern der Blue Zone auf Sardinien von der Schaf- und Ziegenzucht geprägt war, machte Fleisch nur einen relativ geringen Teil der traditionellen Ernährung aus", erklärt der Autor. Vielmehr hätten kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Brot, Pasta, Kartoffeln und Bohnen auf dem Speiseplan gestanden, "ergänzt durch Ziegenmilch und -käse und Gemüse wie Tomaten, Zwiebeln, Zucchini und Kohl". 

Was Wein-Genießer freuen dürfte: "Dazu gab es täglich zwei Gläser Rotwein", heißt es im Buch. "Der Cannonau enthält zwei- bis dreimal so viel arterienreinigende Flavonoide wie andere Weine. Der mäßige Weinkonsum könnte die geringere Stressanfälligkeit der Menschen erklären." Der sardinische Tourismus hat das schon für sich entdeckt und bewirbt den Wein aus einer autochthonen Rebsorte mit den Worten: "Cannonau, der Wein der Hundertjährigen". 

Blue Zone Sardinien: "Alte Menschen gehen auf Sardinien nicht in den Ruhestand, sie wechseln den Arbeitsplatz"

Vor 50 Jahren waren die meisten Männer in der italienischen Blue Zone noch Schafhirten und Bauern, erklärt Buettner weiter. Sie waren also sowieso den ganzen Tag in Bewegung. Der Knackpunkt: Die Bewegung war nicht übermäßig anstrengend, dennoch bewegten sie sich stetig viel. Bei zu hartem, schweißtreibendem Training dagegen würden viele freie Radikale in die Zellen gelangen. Und die lassen uns (neben anderen Prozessen) altern.

Auch interessant: "Alte Menschen gehen auf Sardinien nicht in den Ruhestand, sie wechseln den Arbeitsplatz. Die Männer hüten vielleicht keine Schafe mehr, dafür setzen sie ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten im Dorf ein." Die Erwartung an sie, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, halte sie fit. Übrigens sollen die Menschen dort auch besonders sarkastisch sein und sich jeden Nachmittag auf der Straße treffen, um "miteinander und übereinander" zu lachen. Nun, wer in einer Blue Zone lebt, hat wahrlich gut lachen.

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