Gefahrenstoff: Asbest erkennen, entfernen und richtig entsorgen

Wer glaubt, das Problem Asbest hätte sich mit dem Verbot des Stoffes erledigt, hat die Rechnung ohne Langzeitfolgen und Altlasten gemacht.
von  AZ
Chrysotil oder weißer Asbest findet sich oft in Zement.
Chrysotil oder weißer Asbest findet sich oft in Zement. © obs/Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin/ATW GmbH

Seit 1993 darf das schon viel länger als krebserregend erkannte Asbest in Deutschland nicht mehr verarbeitet oder in Verkehr gebracht werden. Seit 2005 gilt dieses Verbot für die gesamte EU. Doch bis zu seinem Bann wurde Asbest in Deutschland in Unmengen eingesetzt: Laut Information des Bundesumweltamtes wurden beispielsweise von 1950 bis 1985 etwa 4,5 Millionen Tonnen des gefährlichen Materials in über 3.000 verschiedenen Produkten verbaut. Mit vielen dieser Umweltsünden können wir auch heute noch konfrontiert werden.

Vom Wunderstoff …

Asbest (asbestos, griech.: unauslöschlich) ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene natürlich vorkommende faserförmig kristallisierte Silikatminerale, die sich zu unterschiedlichsten feuerfesten, säureresistenten, hitze- und witterungsbeständigen Werkstoffen verarbeiten ließen. Untergemischt in Zement, Bitumenkleber oder Dichtungsmassen, erhöhten sie deren Haltbarkeit und verbesserten sonstige Materialeigenschaften.

Asbest konnte zu Garnen versponnen werden, die wiederum zu feuerfesten Decken (z.B. zur Umfeldabschirmung bei Schweißarbeiten, Bügeldecken) und Schutztextilien (z.B. Feuerwehranzüge, feuerfeste Handschuhe) verwebt wurden. Asbestwolle galt als hervorragendes, unvergängliches und feuerfestes Isoliermaterial, das nicht zuletzt in Heiz- und Kochöfen sowie als Dach- und Wanddämmstoff Verwendung fand.

Der besonders gefährliche, weil bereits bei leichten Erschütterungen massenhaft Fasern freisetzende und schon seit 1979 verbotene Spritzasbest wurde als Brand-, Schall- und Feuchtigkeitsschutz zur Ummantelung von Stahlträgern, Lüftungskanälen, Heizungsrohren, usw. eingesetzt. Gepresstes und verklebtes Asbest bot sich als Ausgangsmaterial für Dichtungen und Bremsbeläge an und nahezu jeder Heimwerker hatte eine Asbestschnur zur Hand, wenn es galt, auf die Schnelle einen Auspuff oder eine Ofentür abzudichten.

… zum Teufelszeug

Bereits um 1900 wurde bei hoch exponierten Arbeitern in der Asbest abbauenden und verarbeitenden Industrie gehäuft eine Asbestose genannte Sonderform der Staublunge dokumentiert. Seit 1943 konnte in Deutschland Asbestose und damit assoziierter Lungenkrebs bei beruflich asbestexponierten Arbeitern als Berufskrankheit anerkannt werden. In der Folgezeit wurde offensichtlich, dass Asbestfasern auch Kehlkopfkrebs begünstigen.

In die Lunge geatmete Asbestfasern können durch Gewebe hindurch in benachbarte Organe wandern und auch dort eine unheilvolle krebsfördernde Wirkung entfalten. So gilt Asbest als Hauptursache für seltene, aber dann oft besonders bösartige Mesotheliome des Brustfells, des Bauchfells und des Herzbeutels. Nach neueren Erkenntnissen sind Asbestfasern sogar eine mögliche Ursache für Eierstockkrebs, wobei über den Weg der Fasern dorthin noch gestritten wird.

Alle eben genannten Asbestfolgen können heute als Berufskrankheit anerkannt werden. Der dazu erforderliche Nachweis einer mehrjährigen, ausreichend intensiven Asbestexposition ist allerdings oft schwer zu erbringen. Nicht selten wird Betroffenen trotz langwieriger, zermürbender Rechtsstreite die Entschädigung versagt. Beratung und Rechtsbeistand bietet hier u.a. der Sozialverband VDK.

Die Antwort auf die Frage, warum die Verarbeitung und Inverkehrbringung von Asbest bei uns erst 1993 vollends gestoppt wurde, obwohl ein krebsauslösendes Potenzial bereits mindestens 50 Jahre vorher bekannt war und in den Folgejahren immer deutlicher wurde, heißt: intensive Lobbyarbeit der Asbest verarbeitenden Industrie, die jahrelang das Risiko erfolgreich herunter gespielt hat. Daran sollte man immer auch denken, wenn aktuelle potenzielle Gesundheitsgefahren von interessierter Seite klein geredet werden.

Chrysotil oder weißer Asbest findet sich oft in Zement.
Chrysotil oder weißer Asbest findet sich oft in Zement. © obs/Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin/ATW GmbH

Rauchen multipliziert die Asbestgefahr

Gesichert ist, dass eingeatmete Asbestfasern kritischer Geometrie weder durch Flimmerhärchen der Lunge noch durch körpereigene Fresszellen wieder vollständig aus dem Organismus eliminiert werden können. Wie sie dann in Lunge und anderen gefährdeten Organen Krebs auslösen, ist noch nicht komplett verstanden. Wahrscheinlich spielen aber chronische Entzündungen durch lokale mechanische, chemische und immunologische Reize eine entscheidende Rolle.

Dabei entwickeln zahlreiche Menschen trotz intensivster Asbestbelastung nie ein Karzinom, während bei anderen schon vergleichsweise geringe Expositionen für ein fatales Schicksal ausreichen. Es sind wohl unterschiedliche genetische Voraussetzungen sowie zusätzliche Risikofaktoren ausschlaggebend.

So ist etwa bekannt, dass rauchende Asbestarbeiter gegenüber nichtrauchenden Kollegen bei gleicher Asbestexposition ein bis um zehnfach höheres Lungenkrebsrisiko tragen.

Erkrankungswelle noch nicht abgeebbt

Trotz des 1993 erfolgten Asbestverbotes ist die Welle asbestbedingter Todes- und Erkrankungsfälle bislang nicht abgeebbt, sondern sie hat ihren Höhepunkt womöglich sogar noch vor sich. Das liegt an der oft bis weit über 30-jährigen Latenzzeit zwischen kritischer Exposition und manifester Erkrankung. Die Statistik der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) weist für das Jahr 2015 über 1.500 asbestbedingte Todesfälle aus. Im gleichen Jahr wurden in Deutschland über 10.000 Verdachtsfälle asbestbedingter Berufserkrankungen gemeldet und Asbest gilt immer noch als der häufigste Auslöser berufsbedingter Krebserkrankungen.

Altlasten aktualisieren das Problem

Nicht nur die lange Latenzzeit macht Asbest zu einem nach wie vor aktuellen Gesundheitsproblem. Bei Altbausanierungen und Abrissarbeiten stoßen Handwerker und Entsorger immer wieder auf vor dem Verbot verbautes Asbest; oftmals, ohne es zu erkennen. Inzwischen vorgeschriebene Vorsichtsmaßnahmen werden unwissentlich und manchmal – weil sie als zu aufwendig erachtet werden – auch wissentlich versäumt. Eine gefährliche berufliche Asbestexposition ist also auch heute noch möglich.

Und wie sieht es im privaten Bereich aus? Bevor wir Sie nachfolgend auf einige noch in Umlauf befindliche asbesthaltige Utensilien aufmerksam machen, ein paar hysteriehemmende Worte vorweg: Es ist zwar theoretisch richtig, dass bereits eine eingeatmete Asbestfaser kritischer Geometrie eine Krebserkrankung auslösen kann. Praktisch ist es dann aber doch eine Frage der Menge. Im Normalfall bedarf es einer jahrelangen, meist nur in asbestkontaminierten Berufen zu erreichenden erheblichen Asbestfasernexposition, um das individuelle Krebsrisiko signifikant zu erhöhen. Ein paar Jahre zu rauchen beinhaltet für Leben und Gesundheit statistisch eine deutlich höhere Gefahr, als einmalig einen Floor-Flex-Boden unsachgemäß abzubauen.


Asbestplatten werden von einem Dach entfernt.
Asbestplatten werden von einem Dach entfernt.

Arbeiter entfernen Asbestplatten von einem Dach. Foto: dpa

Asbestquelle 1: Zementhaltige Dachwellplatten und Fassadenverkleidungen

Auf vielen Häusern, Garagen und Gartenschuppen finden sich nach wie vor asbestzementhaltige Dachwellplatten. Fast ebenso häufig sind immer noch ältere Fassadenverkleidungen aus gleichem Material. In diesen Produkten ist Asbest fest in Zement gebunden und wird spontan nur in geringen Mengen abgesondert. Diese Baubestandteile dürfen deshalb auch bleiben. Nicht mehr erlaubt ist jedoch, sie forciert Fasern freisetzend zu bearbeiten.

Abschleifen, bebohren, absprühen mit einem Hochdruckstrahler und selbst das scheuernde Abkehren mit einem Besen ist wegen Eigen- und Fremdgefährdung untersagt. Halten Sie sich nicht daran und ein Nachbar zeigt Sie an, kann es auch noch teuer werden.

Einmal abgebaute Asbestzementdächer und Fassadenplatten dürfen nicht anderweitig verbaut, sondern müssen auf einer Sondermülldeponie entsorgt werden. Wo und wie, erfahren Sie bei Umwelt- und Landratsämtern. Auch ehedem beliebte Blumenkästen und -tröge aus grauem Asbestzement sind nach gleichen Regeln wie Asbestzementplatten zu behandeln und zu entsorgen.

Asbestquelle 2: Fußbodenbeläge

Besonders in Bauten aus den 60er bis frühen 80er Jahren finden sich oft asbesthaltige Fußbodenbeläge: So genannte Floor-Flex-Platten und Cushion-Vinyl(CV)-Bahnen. CV-Beläge gelten als gefährlichere Alternative, da in ihrer Unterlage Asbest schwach gebunden vorliegt und damit leichter freigesetzt wird als aus den festbindenden Floor-Flex-Platten. Beide Fußbodenarten sind für Laien nicht von asbestfreien PVC- beziehungsweise Linoleumbelägen zu unterscheiden.

Auch die Bitumenkleber, mit denen Floor-Flex-Platten und CV-Bahnen am Estrich haften, können asbesthaltig sein. Sind asbesthaltige Böden noch stabil verlegt, gelten sie als weitgehend sicher. Beim unsachgemäßen Entfernen oder wenn sie sich altersbedingt spontan lösen, können jedoch erhebliche Asbestfaserkonzentrationen in betroffene Wohnräume freigesetzt werden.

Insbesondere das trockene Abschleifen asbesthaltiger Kleberreste ist eine wahre Faserschleuder. Veranlasst ein besorgter Nachbar im Treppenhaus eine Messung und Ihre Aktion lässt dort zulässige Grenzwerte weit übersteigen, riskieren Sie zur Gesundheitsgefahr auch noch die Kosten für einen vorübergehenden Hotelaufenthalt der Nachbarn. Billiger wäre dann gewesen, eine autorisierte Fachfirma mit der Bodensanierung zu beauftragen.

Um die Asbestfrage vor dem Selbstabbau suspekter Fußbodenbeläge zu klären, bietet sich an, eine kleine Probe (vor dem Abschneiden/-brechen anfeuchten) staubdicht in einen Gefrierbeutel verpackt an ein akkreditiertes Analyselabor zu schicken.

Asbest in der U-Bahn-Baustelle am Sendlinger Tor

Asbestquelle 3: Nachtspeicheröfen

Bis 1984 wurde in vielen Nachtspeicheröfen Asbest verbaut. Bedenkliche Fasermengen können bei Beschädigung, bei Reparatur-, Reinigungs- oder Abbauarbeiten freigesetzt werden. Ob Sie noch mit einem austauschwürdigen Gerät heizen, können Sie anhand der Gerätenummer auf dem Typenschild beim Hersteller oder auch bei Ihrem Stromversorgungsunternehmen erfragen. Dort erfahren Sie auch, ob und wie Sie asbesthaltige Nachtspeicheröfen sicher entsorgen.

Asbestquelle 4: Elektrogeräte

Auch zahlreiche meist vor 1985 hergestellte Elektrogeräte können asbesthaltige Bauteile enthalten. Dies trifft besonders für Geräte mit hoher Hitzeentwicklung zu. Also z.B. Elektroheizer, Bügeleisen, Toaster, Haarföhns, Film und Diaprojektoren. Aber auch in alten Röhrenradios und -fernsehern kann das eine oder andere unerkannte Stück asbesthaltiger Abschirmung stecken. Also defekte alte Geräte besser auf den Wertstoffhof zum Elektroschrott bringen als beim Versuch, sie zu reparieren, aus Ihrem Inneren Fasern freizusetzen. Bedingte Entwarnung gibt ein Feuerzeugtest. Brennt oder schmilzt das Analyseobjekt, ist es eher kein Asbest.

Asbestquelle 5: Verdächtige Pappe

Graue oder graubraune "Pappe" an der Wand hinter oder unter Fensterbrettern über alten, fest installierten Heiz –und Kochgeräten ist immer asbestverdächtig. Auch in und um alte Steckdosen findet sich oft noch Asbestpappe oder -papier, besonders in Holzwänden. Auf Dachböden ist graue Wärmeschutzwolle suspekt, sofern man das Verbauungsdatum nicht kennt. Antwort gibt dann nur eine Laboranalyse.

Asbestquelle 6: Oldtimer und andere Antiquitäten

Sie haben einen Oldtimer oder ein altes Motorrad erstanden? Bedenken Sie, dass die Originalbremsbeläge womöglich noch asbesthaltig sind, bevor Sie daran herum manipulieren. Vorsicht auch gegenüber alten Auspuffdichtungen.

Ein Holzofen aus Omas oder Uromas Küche kann aufpoliert ein netter Blickfang sein. Beachten Sie aber, dass in der Feuertür vielleicht noch poröse Asbestdichtungsschnüre sitzen, die sie höchstens im Freien, gut durchfeuchtet und im Schutz einer geeigneten Staubmaske, herauskratzen dürfen. Omas Bügeldecke oder das gepolsterte Bügelbrett aus dem letzten Jahrhundert sollten Sie sicherheitshalber ebenso entsorgen wie alte, grauweiß gezwirbelte Schnüre (Asbestschnur?) und ominöse Pappen (Asbestpappe?) aus Opas Werkzeugkeller.

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