Gebäudesanierung: Am Ende zahlt der Mieter

Bis 2050 soll der Energiebedarf für Gebäude um 80 Prozent sinken. Die  Sanierung  wird Mieter  finanziell fordern und Armut nach sich ziehen.
von  Eckart Gienke, dpa
Ein Einfamilienhaus wird energetisch saniert. Ein Experte sagt: Dadurch steigen die Wohnkosten um 260 Euro pro Monat.
Ein Einfamilienhaus wird energetisch saniert. Ein Experte sagt: Dadurch steigen die Wohnkosten um 260 Euro pro Monat. © AZ

Bis 2050 soll der Energiebedarf für Gebäude um 80 Prozent sinken. Die  Sanierung des Gebäudebestands wird Mieter  finanziell fordern und Armut nach sich ziehen.

DARMSTADT Die Diskussion um die Energiewende konzentriert sich auf die Stromerzeugung und die steigenden Strompreise. Weniger im Fokus steht die geplante Sanierung der Wohngebäude in Deutschland, wo bis 2050 rund 80 Prozent der eingesetzten Energie eingespart werden sollen. Das ist eine sozialpolitische Zeitbombe, sagt Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt. Der Experte im Interview:

Herr Prof. Pfnür, Sie haben untersucht, wie sich die Energiewende bei der Wohnungsheizung für die privaten Haushalte und den Staat auswirken wird. Was haben Sie herausgefunden?

Es wird sehr teuer. Wenn der Staat die Technik vorschreibt, werden die Sanierungskosten für ein Einfamilienhaus bei 140 000 Euro liegen, für ein Mehrfamilienhaus bei mehr als 300 000 Euro. Das sind insgesamt bis 2,1 Billionen (2100 Milliarden) Euro bis 2050. Wenn die Technik offen gehalten wird, kann es bis zu einem Drittel weniger sein. Ein Teil der Sanierungskosten würde ohnehin anfallen, um den Gebäudebestand zu erhalten. Aber mindestens eine Billion muss zusätzlich ausgegeben werden, um die Einsparziele der Energiewende zu erreichen.

Was bedeutet das an monatlicher Belastung?

Das Wohnen in einem Einfamilienhaus würde um 260 Euro pro Monat teurer. Die Wohnungsmiete in einem Mehrfamilienhaus würde um 140 Euro steigen. Das sind Durchschnittswerte. Je Quadratmeter rechnen wir mit einer Kostensteigerung von 1,69 Euro. Die Einsparungen durch geringere Heizkosten sind da schon berücksichtigt.

Wer zahlt diese Kosten?

Es gibt noch keinen Sanierungsfahrplan für den sehr unterschiedlichen Gebäudebestand samt Kostenschätzung und Finanzierungsmöglichkeiten. Am Ende zahlt jedoch der Mieter.

Können sich die Haushalte das leisten?

Es wird für alle heftige Ausschläge geben, aber die sozial Schwachen werden besonders betroffen sein. Sie tragen relativ zu ihrem Einkommen die größten Lasten. Haushalte mit einem Einkommen von unter 2000 Euro müssen mit Kostensteigerungen von 20 bis 25 Prozent rechnen. Sie zahlen nach der Sanierung die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen. Das ist dramatisch und bricht den Sozialpakt. Ein erheblicher sozialer Sprengstoff.

Kann der Staat den Haushalten helfen?

Die energetische Gebäudesanierung produziert neue Hartz-IV-Empfänger. Wer jetzt knapp nicht dazu zählt, dem fehlt nach der Sanierung Geld. Die Kosten des Staates für Wohngeld und Kosten der Unterkunft von aktuell rund 17 Milliarden Euro jährlich müssten drastisch steigen, um mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr. Die Frage ist, ob der Staat diese Mittel aufbringt. Die Kommunen haben kein Geld dafür.

Profitieren denn die Hausbesitzer und Vermieter, die ja einen Teil ihrer Sanierungskosten auf die Mieter abwälzen können?

Die Situation ist regional sehr unterschiedlich. In Süddeutschland und in den Ballungsräumen mag die Rechnung noch aufgehen. In Ostdeutschland und in den westdeutschen Regionen mit Bevölkerungsschwund und niedrigen Mieten werden manche sanierten Gebäude nicht mehr marktfähig sein. Die Mieter ziehen dann einfach aus. Eigentümer mit wenig Eigenkapital bekommen gar nicht erst die notwendigen Bankkredite und sanieren gar nicht. Im Durchschnitt erzielen die Hauseigentümer mit ihren Sanierungsinvestitionen keine marktüblichen Renditen.

Können die Ziele der Energiewende im Gebäudebereich denn überhaupt erreicht werden?

Das 80-Prozent-Ziel der Bundesregierung bis 2050 halte ich nicht für realistisch. Es überfordert die finanzielle Situation der gering verdienenden Haushalte und des Staates. Um ihm dennoch nahe zu kommen, muss man sich besonders um Haushalte mit geringem Einkommen und die wirtschaftlich schwachen Bundesländer kümmern.

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