Fastenzeit: Verzichten - aber richtig

Fachleute warnen vor Null-Diäten. Man nimmt nicht ab und lebt riskant. Lieber weniger Fleisch, Süßigkeiten und Alkohol.
von  Matthias Maus

Fachleute warnen vor Null-Diäten. Man nimmt nicht ab und lebt riskant. Lieber weniger Fleisch, Süßigkeiten und Alkohol.

München - Die fetten Tage sind vorbei. Die Fastenzeit
ist da, und mit ihr die Fragen: Soll ich mitmachen, wie weit soll ich gehen? Was ist sinnvoll, wasWahn? Rund drei Millionen Menschen, so die „Ärztegemeinschaft Heilfasten“, nehmen jährlich an Fastenkuren teil. Auf zwei Millionen schätzt die evangelische
Kirche die Teilnehmer an ihrer Aktion „Sieben Wochen ohne“ (siehe rechts). Für die Katholiken steht traditionell die Umkehr und der Verzicht, zum Beispiel auf Fleisch oder Alkohol, im Mittelpunkt. Doch für die allermeisten Fastenbürger (49 Prozent wollen laut „ Apotheken Umschau“ auf irgendetwas verzichten), geht es ums Abnehmen. Und da ist radikales Fasten nicht das Richtige, sagen die Fachleute. Es droht der gegenteilige Effekt, und unter Umständen ist es gefährlich.

Ist Heilfasten sinnvoll? „Zur Gewichtsreduktion,“ „zur Entschlackung“, bei „Leistungsschwäche“ empfehlen Fastenärzte „Heilfastenkuren“. Ernährungsmediziner wie Hans Hauner von der TU München schütteln darüber nur den Kopf: „Zur Gewichtsabnahme ist Fasten völlig ungeeignet“, sagt der Professor zur AZ. „Entschlackung“ als Oberbegriff für Entgiftung des Körpers finde über Leber und Nieren ohnehin statt. Und von wegen Leistungsschwäche: „Durch reines Fasten wird Muskelmasse abgebaut“, sagt Monika Bischoff vom Zentrum für Ernährungsmedizin (ZEP) in München. Die Ernährungswisenschaftlerin rät von Null-Diäten dringend ab. Nur in engen Ausnahmefällen ist Fasten angezeigt.

Welche Methoden gibt es? Der ehemalige kaiserliche Marine- Offizier Otto Buchinger heilte sich durch Fasten angeblich selbst von Gelenk-rheuma. Beim Buchinger-Fasten sind Tee und Wasser, in Maßen auch Gemüsebrühe und Säfte erlaubt. Selbst Befürworter raten zu ärztlicher Begleitung. Nach Franz-Xaxer Mayr, einem österreichischen Arzt, wirdder Darm gereinigt, es folgen dreiWochen mit viel Wasser, Teeund täglich einer altbackenen Semmel, die 40 bis 60 Mal gekaut werden soll. Das langsame und bewusste Essen soll so gefördert werden. Schroth-Kuren sind „liberaler“, es gibt neben fettfreier, salz- und eiweißarmer Kost auch mal ein Gläschen trockenen Wein.

Was sind die Gefahren? „Durch das Fasten setzen Sie Ihren Körper unter erheblichen Stress“, sagt Hauner, Lehrstuhlinhaber für Ernährungswissenschaft in Weihenstephan. „Viele wichtige Stoffe werden dem Organismus entzogen“, sagt er: „Der Körper funktioniert auf Sparflamme, der Stoffwechsel wird runtergedreht.“ Aus der Entwicklungsgeschichte sei der Menschdarauf zwar vorbereitet – es gab nicht immer genug zu essen, so wie heute. Aber der künstlich erzeugte Mangel sei „nicht ungefährlich“. Das Eiweiß besorgt sich der Körper woanders im Körper – aus den Muskeln, auch aus dem Herzmuskel, sagen manche Mediziner.

Wie macht man’s richtig? „Es spricht überhaupt nichts dagegen, für siebenWochen auf Luxuslebensmittel zu verzichten“, sagt Ökotrophologin Monika Bischoff: Keine Süßigkeiten, kein Alkohol, keine Zigaretten, weniger Fleisch. „Wenn Sie sichbewusst ernähren, machen Sie es richtig“, sagt die Fachfrau. Dann, so Professor Hauner, klappt es auch mit dem Abnehmen: „Weniger Fett, weniger Fleisch, überhaupt weniger essen: Dann sind bis zum Ende der Fastenzeit die drei bis fünf Kilo drin, die man seit Weihnachten vielleicht aufgeladen hat.“

Macht Fasten glücklich? Das ist mehr als ein Mythos, weiß Monika Bischoff, die am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder schwer Übergewichtige (Adipositas) unter genauer Kontrolle behandelt: „Bei manchen stellt sich ein Euphorie- Gefühl ein, man fühlt sich leichter, unbeschwerter“. Das hänge auch damit zusammen, dass die Fastenden nicht mehr nur an Essen denken, meint Bischoff. Für die religiösen Motive der Einkehr, der Umkehr, der Nachdenklichkeit ist Fasten also sinnvoll.

Oder macht es unglücklich? Aber Vorsicht: Wer glaubt, Fasten helfe gegen Traurigkeit oder gar Depression, der erliegt einem Irrtum! „Fasten macht instabil“, sagt Bischoff: Wer depressiv ist, gehört zu den Risikogruppen, die keinesfalls fasten sollten. So wie Schwangere, Kinder oder Allergiker: „Die Zeit, die man zum Nachdenken hat während des Fastens, kann Depressive noch tiefer in die Depressionen drücken.“

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