Hello Fresh: Wie nachhaltig ist der Kochbox-Hersteller wirklich?

Fragt man Thomas Fischer, ob Hello Fresh nachhaltig sei, findet dieser sehr klare Worte – und wird fast schon emotional. Es sei der "reinste Verpackungswahnsinn", der da ablaufe, sagt der Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe der AZ. Man solle sich nur einmal vorstellen, jede unserer Mahlzeiten würde so verpackt werden wie bei Hello Fresh. "Unsere Gesellschaft wäre schon im Müll erstickt."
Spaghetti al Limone, Linsenauflauf mit Käse-Kartoffel-Haube oder doch lieber eine alpine Käsespätzlepfanne mit Birne und Bacon? Einfach in der App oder auf der Website unter wöchentlich 40 Menüs auswählen, was man möchte, und entscheiden, wann es kommen soll. Die Zutaten werden dann laut Hello Fresh frisch von regionalen Anbietern bezogen, in den richtigen Mengen portioniert, sodass später keine Lebensmittel weggeschmissen werden – und mit der Post verschickt.
Meinungen gehen auseinander
"Durch diese kurze Lieferkette sparen wir massiv an Verpackung", heißt es auf der Hello-Fresh-Website. Die Produkte kämen direkt von den Lieferanten in die zwei Produktionsstätten in Deutschland statt in Hunderte Supermarkt-Filialen.
Anders als Fischer zweifelt Daniela Krehl nicht an der Nachhaltigkeit von Hello Fresh. Bei Tests würden die Kochboxen nicht schlecht abschneiden, sagt die stellvertretende Leiterin des Referats Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern der AZ. Tatsächlich könne es sein, dass das Kochen mit Hello Fresh nachhaltiger sei als das Kochen mit Lebensmitteln aus dem Supermarkt – vor allem bei einem kleinen Single-Haushalt.
"Vielleicht braucht man da mal ein Stück Butter für ein Gericht, das man aber sonst, die ein, zwei Mal, die man in der Woche kocht, nicht mehr benötigt", sagt Krehl. Am Ende lande im Extremfall dann die ganze Butter im Mülleimer. Von den Kochboxen könne sie also nicht abraten.
38 Prozent weniger Lebensmittelverschwendung
Hello Fresh selbst spricht davon, dass Kochboxen die Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten um 38 Prozent reduzieren würden. Tatsächlich kam auch das "Journal of Cleaner Production" zu diesem Ergebnis. Untersucht wurden 8747 Menüs aus 955 Haushalten in sechs Ländern.
Fischer ist da skeptisch: Dass man weniger wegschmeiße, mache den "Verpackungswahnsinn" nicht wett. Im Gegenteil: Die kleinteiligen Verpackungen sind für ihn das Übel der ganzen Kochbox. Jeder Verpackungsingenieur kenne eine Faustregel, sagt er: Je kleiner die Füllmenge, desto überproportional mehr Material brauche man für die Verpackung.

Was ihn stört: Für jede Lieferung der Menüs werde ein riesiger Pappkarton nur für den Postversand verwendet - alleine der falle beim normalen Einkaufen weg. Dann sei jedes Menü noch einmal in einer einzelnen Papiertüte verpackt. Und schließlich ist "noch mal wirklich alles bis zum letzten Sößchen oder den Gartenkräutern vorportioniert" – und eben auch verpackt: "Die Petersilie, jedes Gewürz."
"Zu 100 Prozent recycelbar"
"In Deutschland sind unsere Transportverpackungen zu 100 Prozent recycelbar", teilt die Sprecherin von Hello Fresh, Sophie Kohoutek, auf AZ-Anfrage mit. Ein zu 100 Prozent recycelbares Wassereispack zur Kühlung habe man entwickelt, das man selbst in den eigenen Produktionsstätten herstelle. "Langfristig möchten wir die eigene Auslieferungsflotte mit gekühlten E-Vans ausbauen und auf Eispacks verzichten", sagt Kohoutek. Außerdem würden bereits seit 2023 wiederverwendbare Boxen sowohl in der Benelux-Region als auch in Deutschland getestet. Allerdings stehe man dabei noch vor einigen logistischen Herausforderungen.
Natürlich zählen zu der Frage der Nachhaltigkeit nicht nur die Verpackung und die Lebensmittelverschwendung, sondern auch der Transport. Pauschal lasse sich da schlecht eine Aussage treffen, sagt Krehl. Grundsätzlich seien die letzten Meter entscheidend: Ein Apfel, der mit dem Schiff aus Neuseeland mit vielen anderen Waren komme, habe kaum einen CO2-Fußabdruck. Wenn dann aber der Kunde mit seinem SUV in den Supermarkt fahre und den Apfel dort abhole, verhagele es die ganze CO2-Bilanz.
Milch aus der Molkerei Andechser in Bayern
Doch woher werden die Menüs überhaupt angeliefert? Die zwei Produktionsstandorte, an denen die Menüs in Deutschland gepackt werden, liegen in Verden in Niedersachsen und in Barleben in Sachsen-Anhalt, teilt Kohoutek mit. Von dort aus wird das Essen nach ganz Deutschland versandt. Hello Fresh arbeitet mit mittelständischen und Familienunternehmen zusammen, die an diese Produktionsstandorte liefern. "Spargel haben wir für die letzte Spargelsaison von den Märkischen Höfen aus Beelitz bezogen", sagt Kohoutek. Milchprodukte kämen etwa von der Molkerei Andechser in Bayern.

Deutsche Umwelthilfe geht gegen Hello Fresh vor
Die Deutsche Umwelthilfe ist davon nicht überzeugt und ging sogar schon gerichtlich gegen Hello Fresh vor. Das Unternehmen darf sich seither nicht mehr klimaneutral nennen oder behaupten, dass es seine direkten Emissionen zu 100 Prozent kompensiere. Das entschied das Landgericht Berlin 2023. Konkret ging es dabei um Emissionsgutschriften – durch die Finanzierung bestimmter Projekte sollen so CO2-Ausstöße kompensiert werden. Klimaschädliche Projekte würden dadurch jedoch nicht klimafreundlicher, begründet Fischer die Klage.
Was übrigens die Lebensmittel selbst betrifft, sei Hello Fresh durchaus nachhaltig, sagt Krehl. Der Kochboxen-Lieferant biete viele Hülsenfrüchte, viele vegetarische Menüs und nur wenig Fleisch an.
Hello Fresh will nach eigener Aussage aber daran arbeiten, noch mehr fürs Klima zu machen. Man sei sich bewusst, dass es beim Thema Verpackungen noch viel zu tun gebe, teilt Kohoutek mit. "Unser großes Packaging-Team arbeitet stetig daran."