"Die Behandlungsansätze haben sich verbessert"
München - Der 55-Jährige ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie im Klinikum rechts der Isar (TU). Er und sein Team operieren etwa 120 Patienten im Jahr an der Bauchspeicheldrüse.
AZ: Herr Professor Friess, warum gilt Bauchspeicheldrüsenkrebs als besonders aggressiv und kaum heilbar?
HELMUT FRIESS: Leider wird die Erkrankung meistens erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.
Woran liegt das?
Die Symptome sind unspezifisch, die Krankheit macht sich erst spät bemerkbar. Auch können Tumore im Ultraschall, CT und MRT erst ab einer gewissen Größe erkannt werden. Die Drüse liegt sehr tief im Körper und ist schlecht zugänglich.
Wie verbreitet ist diese Krebs-Art?
In Deutschland erkranken derzeit pro Jahr etwa 16.000 Menschen an einem Pankreaskarzinom – die Tendenz ist steigend. In den USA ist die Zahl zwischen 2005 und 2015 um 52 Prozent gestiegen, während der allgemeine Anstieg von Krebserkrankungen um 21 Prozent zugenommen hat. Wir gehen davon aus, dass Bauchspeicheldrüsenkrebs bis 2030 an zweiter Stelle der Krebstodesfälle stehen wird, nach Lungenkrebs.
An welchen Krebsarten sterben derzeit die meisten?
An Lungenkrebs. An zweiter Stelle kommen Prostata- und Brustkrebs, an dritter Stelle Darmkrebs. Auf Platz vier folgt Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Warum trifft es vor allem ältere Menschen?
Krebs hat meistens etwas mit dem Alter zu tun.
Sind Männer häufiger betroffen als Frauen?
Nein, das ist ungefähr gleich.
Was sind Risikofaktoren?
Rauchen, chronische Bauchspeicheldrüsenentzündungen, familiäre Faktoren, Diabetes mellitus, starke Fettleibigkeit, exzessiver Alkoholkonsum.
Welche Anzeichen für eine Erkrankung gibt es?
Frühsymptome gibt es nicht, höchstens in gewissen Fällen eine Gelbsucht. Meistens sind die Symptome unspezifisch: Schmerzen im Oberbauch, die in den Rücken ausstrahlen und Verdauungsstörungen. Erkrankte neigen zu Durchfall. Wenn der Stuhl häufig hell, ist der Tumor meist schon größer.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Operation in Kombination mit Chemotherapie ist der Standard. Auch wenn der Tumor bereits fortgeschritten ist, kann er durch eine Chemotherapie in vielen Fällen noch so verkleinert werden, dass er operiert werden kann.
Ist die Lebenserwartung für die Patienten im Vergleich zu früher gestiegen?
Ja, es gibt heute bessere Behandlungsansätze. Dadurch verlängert sich die Lebenszeit. Sie ist heute doppelt so lang wie früher. Allerdings handelt es sich trotzdem nur um kurze Zeitspannen.
Was ist eine palliative Chemotherapie?
Wenn es keine Heilung gibt, ist das Ziel, mit einer Chemotherapie die Lebensqualität zu verbessern.
Wie lange wird es dauern, bis dieser Krebs früher erkannt werden kann?
Das ist eine schwierige Frage. Wir arbeiten daran. Aber es geht nur langsam voran.
Im Rechts der Isar und auch anderswo gibt es sogenannte Pankreaszentren. Welche Vorteile haben diese?
Die moderne Pankreasbehandlung ist sehr komplex. Ein Zentrum zeichnet sich dadurch aus, dass die Operateure dort sehr erfahren sind, und eng mit den Experten der Radiologie, Gastroenterologie, Onkologie, Anästhesie, Intensivmedizin, Pflege und mit unserem Ernährungsteam zusammenarbeiten. Wir haben seit 2007 insgesamt 1200 Operationen durchgeführt. Zahlreiche Studien belegen, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit die Prognose der Patienten verbessert.
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