Irrglaube bei Körpersprache hält sich hartnäckig: Experte räumt damit auf
München - Alle Menschen haben eine eigene, ganz individuelle Körpersprache, aber die wenigsten sind sich ihrer bewusst. Wie man sich bewegt, wie man steht, welche Mimik das Gesicht zeigt: All das sind Signale, die jeder aussendet und die unser Gegenüber wahrnimmt. Nicht nur das, unser Umfeld schließt aufgrund der Körpersprache auf bestimmte Eigenschaften und ordnet uns entsprechend ein – meist unbewusst. Ob wir auf unser Gegenüber sympathisch und kompetent wirken oder nicht, entscheidet sich, noch bevor ein Wort gesprochen wurde.
Wie wir bei anderen ankommen, hat immer auch mit den Bedürfnissen unseres Gegenübers zu tun, wie Körpersprache-Experte Stefan Verra in seinem neuen Buch beschreibt. Demnach hat jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse. Die Körpersprache sendet nonverbale Versprechen aus, die eine Erwartung auslösen. Hat jemand ein Bedürfnis nach Enthusiasmus und Aktivität, wird er sich von einer temperamentvollen Körpersprache eher angesprochen fühlen. Der Stabilitätssuchende wird diese Körpersprache aber vielleicht als nervig einordnen.
Experte aus München über Körpersprache: Breitbeiniges Sitzen wirkt im Alltag nicht
Andere Menschen über ihre nonverbalen Signale einzuschätzen und zu beurteilen, ist wichtig für das Zusammenleben. "Menschen werden nicht danach beurteilt, wie sie tatsächlich sind, sondern danach, was sie versprechen zu sein", schreibt Verra. Das gilt für Bewerbungsgespräche genauso wie für Dates. Jeder Mensch sendet geschlechtsspezifische Signale aus. Männer neigen dazu, breitbeinig zu stehen und zu sitzen. Das signalisiert zwar Stärke, funktioniert laut Verra aber nur in Notsituationen.

Etwa wenn ein Feuerwehrmann signalisieren will, dass er alles im Griff hat, vermittelt diese Körpersprache den Umstehenden Sicherheit. Wenn man sich aber in eine Gruppe einfügen will, ist dieses Signal kontraproduktiv. Denn diese Haltung wirkt in Alltagssituationen abweisend.
Egal ob im beruflichen oder privaten Bereich, jeder wünscht sich, ernst genommen zu werden, viele erleben aber das Gegenteil. Die richtigen körpersprachlichen Signale sind dabei das effektivste Mittel. "Worte transportieren den Inhalt, aber wie die Worte gemeint sind, entschlüsselt die angesprochene Person immer an den nonverbalen Signalen." In seinem Buch rät Verra zur NN-Regel. Die betroffene Person soll direkt angesprochen werden, indem ihr die Nase und der Nabel zugewendet werden. "Diese frontale Position verdeutlicht, wer gemeint ist und dass die Botschaft wichtig ist."
Bessere Körpersprache: So geht der "Clint-Eastwood-Blick"
Nachdrücklichkeit verleiht man seinen Worten mit dem "Clint-Eastwood-Blick": Den Kopf leicht nach vorn neigen und das Gegenüber aus tiefen Augen heraus fixieren. Außerdem sollte die Stimme besser tief als hoch sein, das gilt für Frauen und Männer. Hat man sein Anliegen geäußert, sollte man so lange wortlos in dieser Haltung bleiben, bis das Gegenüber reagiert. Diese Körpersprache kann eingesetzt werden, wenn man erreichen will, dass das Kind sein Zimmer aufräumt, ebenso wenn man sich im Beruf durchsetzen will.

Frauen müssen sich in ihrer Mimik und Gestik keineswegs vermännlichen, wie manchmal propagiert wird. Verra hält das für einen Irrglauben, der aus einem Defizitdenken hervorgeht. Das ist "die Überzeugung, dass Frauen grundsätzlich von einem Nachteil aus starten würden. Als hätten Frauen weniger von etwas, das man unbedingt brauche, um erfolgreich zu sein". Es gehe nicht um männlich oder weiblich, sondern um die Wirkung, die eine bestimmte Körpersprache erzielt.
Wenn Frauen nicht ernst genommen werden, liegt es nicht daran, dass sie zu viel lächeln würden. Emotionen zu zeigen, hat laut Verra nichts mit Unterlegenheit zu tun. Jemand, der keinerlei Regung in der Mimik zeigt, hinterlässt einen kühlen und distanzierten Eindruck.
Ist-Zustand der Körpersprache analysieren: Sich selbst filmen
Im beruflichen Umfeld verspricht ein Lächeln Kunden, Geschäftspartnern oder Kollegen, dass Offenheit und Augenhöhe angeboten werden. Verra schreibt dazu: "Verhandlungen brauchen Zugeständnisse von beiden Seiten. Da ist Vertrauen das Wichtigste. Und das bauen wir auf, indem wir den anderen emotional einschätzen können – aufgrund der Mimik. Wer den anderen nicht durchschaut, wird ihm auch nicht vertrauen." Daher ist eine ausdrucksstarke Mimik von Vorteil.
Menschen sind in der Lage, ihre Körpersprache anzupassen. Und dafür muss niemand seine Persönlichkeit verändern. "Wer weiß, welche Signale er aussendet und wie bestimmte Gesten und Mimiken von anderen zu deuten sind, wird selbstsicherer durch den Alltag gehen."
Um herauszufinden, wie man nach außen wirkt, empfiehlt der Körpersprache-Experte, sich selbst auf Video aufzunehmen, zum Beispiel beim Telefonieren. Eine halbe Minute reicht schon aus, "und man weiß, wie man tatsächlich ist, nicht, wie man glaubt, zu sein", sagt Verra. "Innerlich haben wir den Wunsch, sympathisch zu sein, zeigen es nach außen aber selten." Die meisten säßen mit einem grantigen Gesicht in der Straßenbahn und seien sich darüber nicht bewusst.
Doch das lässt sich ändern. Jeder kann seine Mimik trainieren. Etwa, indem man eine häufige Tätigkeit – zum Handy greifen oder eine Türklinke anfassen – konsequent mit einem Lächeln verknüpft. "Durch dieses häufige Lächeln wird die Mimik insgesamt positiver werden." Stirnrunzeln sei ein Verhalten, das man sich angewöhnt hat – über Wochen, Monate und Jahre. Da brauche es auch einige Wochen, bis man das wieder wegbekommt.
Auch wenn der erste Eindruck daneben gegangen ist, könne man das durchaus ändern. Wer zuvor arrogant gewirkt hat, kann Sympathien auslösen. Allerdings müssen sympathische Signale über einen langen Zeitraum konsequent beibehalten werden. Ein deutliches Lächeln, eine schnelle Reaktion, die zeigt, "ich habe dich wahrgenommen". Besonders effektiv: Die Augenbrauen bei der Begrüßung hochziehen. Verra: "Das ist eines der stärksten Mittel, die wir Menschen zur Verfügung haben."
Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Wenn Sie in einer Situation nervös sind, wird das Ihr Umfeld nicht so sehr registrieren, wie Sie denken. Nervosität fühlt sich nämlich innerlich deutlich stärker an, als es nach außen hin wirkt. Was wir innerlich fühlen, zeigt sich äußerlich meist in abgeschwächter Form.
Wie man im Meeting Gehör bekommt
Wer in einem Meeting ständig übergangen wird und nicht zu Wort kommt, für den hat Stefan Verra konkrete Tipps. Denn man hat einiges selbst in der Hand, um sich Gehör zu verschaffen.
Die richtige Körpersprache bringt Sie in den Fokus der Meeting-Teilnehmer. Setzen Sie sich zu Beginn zu den aktiven Teilnehmern. Lehnen Sie sich nach vorne, dass Ihre Ellbogen auf dem Tisch liegen. Halten Sie Blickkontakt zu der sprechenden Person. Nicken und lächeln Sie, zeigen Sie, dass Sie mitdenken, zuhören und interessiert sind. Indem Sie einen Arm auf den Tisch legen und wieder heben, lenken Sie den Blick auf sich und geben einen subtilen Hinweis, dass Sie gerne zu Wort kommen wollen. Mit dieser Flaggen-Bewegung wecken Sie die Erwartungshaltung, dass Sie gleich etwas beitragen werden.
Zum Buch: "Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden und Männer unfreiwillig Single sind" von Stefan Verra (224 Seiten, 20 Euro) ist im Heyne Verlag erschienen.
- Themen: