Auch Männer kommen in die Wechseljahre

Beim starken Geschlecht heißt es oft: Sie haben halt eine Midlife Crisis. Aber ein Münchner Arzt sagt: Viele haben typische Beschwerden wie Hitzewallungen – und das ist so manchem peinlich.
von  rom
Das Klischee: Männer, die in ein bestimmtes Alter kommen, wollen am liebsten nochmal jung sein – und kaufen sich zum Beispiel einen besonders sportlichen Wagen.
Das Klischee: Männer, die in ein bestimmtes Alter kommen, wollen am liebsten nochmal jung sein – und kaufen sich zum Beispiel einen besonders sportlichen Wagen. © imago

München - Wechseljahre? Das haben doch nur Frauen! Das denken viele, stimmt aber nicht, sagt der Münchner Experte Dr. Harry Tschebiner. Er beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema und hält auch speziell Männersprechstunden ab.

Die AZ hat ihm die elf wichtigsten Fragen zu den männlichen Wechseljahren gestellt:

 

Haben Männer tatsächlich richtige Wechseljahre?

 

„Zehn bis 15 Prozent aller Männer erleben Wechseljahr-Beschwerden, auch wenn das in Fachkreisen nicht immer so gesehen wird“, sagt Harry Tschebiner. Ärzte, die sich eingehend mit dem Thema des „alternden Mannes“ beschäftigten und häufiger Patienten mit typischen Beschwerden in ihrer Praxis sehen, könnten dies bestätigen, ist der Münchner Experte überzeugt.

 

Wie werden die männlichen Wechseljahre ausgelöst?

 

Vor allem durch einen altersbedingten Rückgang der Produktion von männlichen und weiblichen Hormonen im Körper. „Die hormonelle Balance, wie wir sie jahrelang gekannt haben und die dafür sorgt, dass wir uns insgesamt wohl und im Gleichgewicht fühlen, gerät aus den Fugen.“

 

Welche Symptome kann das beim Mann auslösen?

 

„Die Beschwerden des Mannes sind ganz ähnlich wie die der Frau“, sagt Tschebiner. Der Unterschied: Die hormonelle Umstellung beim starken Geschlecht verläuft etwas anders. „Die Symptome treten nicht plötzlich, sondern schleichend und zunehmend in Erscheinung.“ Typisch sind chronische Müdigkeit, Antriebsstörung, Leistungsabfall, Burnout, Stress-Intoleranz, Schlafstörungen, nachlassende Gedächtnisfunktion und eine Abnahme der Muskelkraft, des sexuellen Verlangens sowie der Potenz. Hitzewallungen, nächtliches Schwitzen und Depressivität runden das Bild ab. „Es müssen allerdings nicht immer alle Beschwerden vorhanden sein.“

 

Ab welchem Lebensalter kann es losgehen?

 

Typischerweise beginnt die sogenannte „Andropause“ zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Aber der Experte sagt: Er hat auch immer wieder Patienten, die schon mit 45 unter massiven Wechseljahrbeschwerden leiden – und andererseits Männer, die jenseits der 70 noch topfit sind.

 

Warum leiden manche daran, manche aber nicht?

 

Die Hormonspiegel im Blut sinken mit zunehmendem Alter. „Der Zeitpunkt und die Ausprägung hängen von der individuellen genetischen Disposition und hormonellen Ausstattung ab“, erläutert der Fachmann. Das kann also bedeuten: „Manche Männer fühlen sich bis ins hohe Alter relativ fit und gesund. Wenn typische Beschwerden erst sehr spät auftreten, so wird das von den meisten Menschen als altersbedingt akzeptiert und es erfolgt keine Kontrolle oder Behandlung, obwohl diese möglicherweise hilfreich wäre.“

 

Wie lange dauern männliche Wechseljahre im Schnitt?

 

„Das ist sehr unterschiedlich – wie auch bei den Frauen.“ In der Regel ist aber von fünf bis zehn Jahren auszugehen.

 

Was kann „Mann“ konkret gegen Beschwerden in den Wechseljahren tun?

 

Wenn die Beschwerden mit den Laborbefunden korrelieren, ist eine Hormontherapie, etwa mit DHEA oder Testosteron, ergänzt durch Vitalstoffe oft hilfreich. „Natürlich kann ein ungesunder Lebensstil wie Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkohol auch zu einer vorzeitigen Verminderung des Testosteronspiegels im Blut führen.“ Heißt: Man kann also auch mit einer gesünderen Lebensweise zu einem gewissen Maß entgegenwirken.

 

Welche Risiken hat eine Hormonbehandlung?

 

Mit dem „Jungbrunnen-Hormon“ DHEA kann bei Mann und Frau Antrieb, Stresstoleranz und Stimmung verbessert werden. Tschebiner sagt: „Bei richtiger Dosierung gibt es dabei kaum relevante Risiken.“ Aber: „Eine Hormon-Behandlung sollte ausschließlich unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle des Befindens, der Hormonwerte, des Blutbildes und der Prostata erfolgen – so können unnötige Risiken weitgehend vermieden werden“, warnt Tschebiner. Bei der Behandlung mit Testosteron geht es vor allem um das Prostatakrebs-Risiko. Aktuelle Studienergebnisse zeigen laut dem Münchner, dass eine vorsichtige Testosteronbehandlung ohne Überdosierung das Krebsrisiko nicht erhöht.

 

Haben die Wechseljahre etwas mit der sogenannten Midlife-Crisis zu tun?

 

„Die Midlife-Crisis betrifft meist Männer um die 50.“ Sie spüren eine Unzufriedenheit mit ihrem Leben, dem Erreichten und ihrer Partnerschaft und stellen sich die Frage, „ob das nun alles war“, beschreibt Tschebiner. „Manche werden depressiv, andere wollen sich noch mal beweisen. Dies ist vor allem ein psychologisches Phänomen des Älterwerdens.“ Eine Beeinflussung durch Hormone ist wahrscheinlich, ein direkter Zusammenhang mit den Wechseljahren aber nicht gesichert.

 

Warum scheinen die Wechseljahre beim Mann bisher tabu zu sein?

 

Der Experte hat dafür folgende Antwort: „Das Problem in unserer Gesellschaft ist, dass Männer stark und unbesiegbar sein müssen und sich keine ,Schwächen’ leisten dürfen.“ Hier ist seiner Meinung nach ein Umdenken notwendig, denn: „Älterwerden ist keine Schwäche“. Deswegen ist es dem Münchner Experten auch wichtig, dass Männer sich für dieses Thema sensibilisieren anstatt ihre Beschwerden immer nur auf Leistungsdruck, Stress oder Überbelastung zu schieben.

 

Manchen Männern ist das Thema peinlich. Wie kann die Partnerin ihrem Mann beistehen?

 

„Bei vielen Männern ist dieses Thema mit Scham und Angst besetzt.“ Deshalb gehen Männer auch generell seltener zum Arzt als Frauen, ist seine Erfahrung. „In meiner Sprechstunde habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen in den Wechseljahren häufig ihre Ehemänner, die sich ebenfalls nicht wohlfühlen, zur Behandlung in meine Sprechstunde für Männer-Medizin schicken.“ Deswegen sagt Tschebiner: „Die Partnerin kann also ihren Mann unterstützen, indem sie ihn ermutigt, sich bei entsprechenden Beschwerden rechtzeitig kompetente fachärztliche Hilfe zu suchen."

 

Infotag für Männer am 22.11.

 

Die Sprechstunde für Männer: Dr. Tschebiner bietet zum Beispiel spezielle Sprechstunden an. Aber wie laufen solche ab? „Es erfolgt zunächst ein ausführliches Gespräch über die Vorgeschichte und die Lebensumstände, anschließend eine Blutabnahme für eine eingehende internistische und hormonelle Diagnostik“, erklärt er. Messung von Blutdruck, Puls sowie eine kurze körperliche Untersuchung schließen sich an. Weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Ultraschall oder Knochendichtemessung, sind vor Ort möglich. Eine solche erste Untersuchung dauert etwa 60 bis 90 Minuten.

Kostenloser Infotag mit Testosteron-Messung: Die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit bietet am Sonntag, 22. November, von 10 bis 14.30 Uhr in München auf dem „Gesundheitstag bleibfit! 2015“ in der Alten Kongresshalle kostenlose Testosteron-Checks an. Dort können Männer ihren Testosteronspiegel bestimmen lassen – und sich über die Bedeutung des männlichen Hormons informieren.

 

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