Zurück ins Leben

Laufen, sprechen, essen: Die Sportmoderatorin muss alles neu lernen. Bei ihrem bewegenden Fernsehauftritt macht sie ihrem Lebensgefährten auf der Bühne einen Heiratsantrag
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Monica Lierhaus und Rolf Hellgardt bei der Verleihung der Goldenen Kamera.
dpa Monica Lierhaus und Rolf Hellgardt bei der Verleihung der Goldenen Kamera.

BERLIN - Laufen, sprechen, essen: Die Sportmoderatorin muss alles neu lernen. Bei ihrem bewegenden Fernsehauftritt macht sie ihrem Lebensgefährten auf der Bühne einen Heiratsantrag

Günter Netzers Stimme stockt. „Noch nie in meinem Leben habe ich einen Satz lieber gesagt.“ Der Laudator holt tief Luft, bevor er lächelnd fortfährt: „Willkommen zurück, Monica Lierhaus!“

760 Tage war die beliebte Sportmoderatorin vom Bildschirm verschwunden. 760 Tage, in denen viel über ihren Gesundheitszustand gerätselt worden war. Am Sonntag meldete sich die 40-Jährige mit einem bewegenden Auftritt zurück: Bei der Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin nimmt sie den Ehrenpreis der Jury entgegen – und macht ihrem Lebensgefährten Rolf Hellgardt vor einem Millionenpublikum einen Heiratsantrag. Ein Comeback, das nicht nur Hollywood-Star Renée Zellweger zu Tränen rührt.

Hand in Hand mit ihrem Freund kommt Monica Lierhaus in dieser Nacht auf die Bühne. Sie macht kleine, langsame Schritte. Sie trägt ein blaues Kleid und lächelt. Günter Netzer schließt sie in die Arme, drückt sie fest an sich. Das Publikum empfängt sie mit Standing Ovations. Sie genießt den Applaus, die Anerkennung für ihr Durchhaltevermögen, ihren Kampf zurück ins Leben.

Am 6. Januar 2009 war Monica Lierhaus zum letzten Mal für die ARD im Einsatz gewesen: Bei der Vierschanzen-Tournee interviewte sie unter anderem Martin Schmitt. Zwei Tage später ließ sie sich im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf operieren – ein Aneurysma im Gehirn sollte geschlossen werden (siehe unten). Doch während der OP kam es zu Komplikationen, die Patientin erlitt eine Hirnblutung und lag anschließend fast vier Monate im künstlichen Koma.

Als sie erwachte, musste Monica Lierhaus neu lernen: das Laufen, das Sprechen, einfach alles. „Die komplette Software im Gehirn war gelöscht und musste neu programmiert werden“, sagte ein Freund der Kranken der „Bild am Sonntag“. „Erwachsene Menschen kommen sich dabei plötzlich vor wie die letzten Deppen. Wenn so ein Mensch zum Beispiel den Löffel zum Mund führen will, fällt ihm dabei das Essen runter. Jedes Mal wieder. Weil einfach nichts mehr funktioniert.“

Acht Monate verbrachte Monica Lierhaus deshalb in einer Reha-Klinik am Bodensee. Sie quälte sich, um wieder die Alte zu werden, trainierte hart, ließ keine einzige Übungs-Einheit aus. Am Anfang saß die Sportmoderatorin dabei noch im Rollstuhl. Sie hatte ihn „Frau Meyer“ genannt, wie ihre Urgroßmutter. Später plagte sie sich mit „Usain“, einer Gehhilfe, der sie den Namen von Jamaikas Sprint-Star gab. Es folgte „Lance“, das Liegerad. Und wie der Tour-de-France-Sieger nach seiner Krebserkrankung kämpfte auch Monica Lierhaus immer weiter.

Mit Erfolg: Heute lebt sie wieder in ihrem Hamburger Haus, Tür an Tür mit Schwester Eva. Vier Stunden pro Tag verbringt sie mit Physiotherapie, Ergotherapie und Neuropsychologie. Jeden Mittwoch übt sie mit einer Sprachtrainerin. Aber das Wichtigste ist: Die taffe Patientin ist wieder zuhause.

Am Sonntagabend steht Monica Lierhaus bei der Goldenen Kamera am Rednerpult. „Das ist ein sehr emotionaler Moment, ich bin sehr berührt und bewegt, wie freundlich Sie mich hier empfangen.“ Sie spricht leiser als früher und langsamer, noch fällt es ihr schwer. „Es ist tatsächlich sehr lange her, dass ich das letzte Mal auf einer Bühne stand, und unter diesen Voraussetzungen ohnehin schon mal gar nicht“, sagt sie. „Und jetzt kann ich es kaum fassen: Da bin ich!“ Es gebe so viele Menschen, denen sie unglaublich viel zu verdanken habe: ihre Familie, ihre Freunde, ihre Krankenschwester, die Ärzte – und natürlich Rolf, ihr Partner. „Du bist wirklich mein Held!“ Im Publikum greifen die Menschen erneut zu ihren Taschentüchern.

„Es ist nicht einfach für mich, das alltägliche Leben wieder zu meistern, vieles wieder neu zu lernen und das Schlimmste ist, dass ich so ein ungeduldiger Mensch bin“, erklärt die Moderatorin. Das Wichtigste sei für sie, ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Dafür kämpfe sie jeden Tag.

Den ersten Schritt ins neue Leben macht sie sofort: Sie bittet Rolf Hellgardt zu sich und fragt: „Kannst du dir nicht denken, was jetzt kommt?“ Kann er nicht. Monica Lierhaus schaut dem Mann, der in der schlimmsten Zeit ihres Lebens nicht von ihrer Seite wich, in die Augen. „Ich würde vor dir auf die Knie gehen, wenn ich könnte. Aber das ist im Moment etwas schwierig. Ich möchte dich fragen, ob du mich heiraten möchtest.“

Der TV-Produzent zögert keine Sekunde: „Ja, ja, ja, du bist meine Frau“, ruft er, küsst sie und fällt vor ihr auf die Knie. Wieder sind die Zuschauer aufgestanden und applaudieren.

„Ich hatte Tränen in den Augen“, sagt Schauspieler Herbert Knaup im Anschluss. Hape Kerkeling, der durch die Gala geführt hatte, hätte der Heiratsantrag fast aus dem Konzept gebracht. „Das wusste keiner“, sagt er nach der Show. Er habe sich wegdrehen müssen und nicht mehr gewusst, wie er weitermoderieren solle, „weil mich das emotional so gepackt hat“.

Natalie Kettinger

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