Zum Tode des Schimanski-Schauspielers: Nachruf auf Götz George
Eine zerklüftete Gesichtslandschaft, aus der zwei wasserblaue Augen leuchten. Breite Stirn, kräftige Nase und ein Lächeln um den Mund, von dem man nicht so genau weiß, ob das nun freundlich gemeint ist oder den nächsten Wutausbruch ankündigt. Keine Frage, Götz George war einer der bekanntesten und beliebtesten deutschen Schauspieler. Umso größer ist nun der Schock über seinen plötzlichen Tod. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, starb der Berliner bereits am 19. Juni im Alter von 77 Jahren.
Holen Sie sich hier die komplette "Tatort"-Box auf DVD
Auch sein Vater war Schauspieler
Das Schauspieltalent bekam George schon in die Wiege gelegt. Sein Vater Heinrich George (1893-1946) galt als der größte deutschsprachige Schauspieler seiner Zeit, ein legendärer Darsteller des "Götz von Berlichingen", dessen Vornamen er seinem Sohn gab. Heinrich George drehte in der Nazi-Zeit die Propagandafilme "Hitlerjunge Quex", "Jud Süß" und "Kolberg". Andererseits nahm er als Intendant des Berliner Schillertheaters auch Kollegen auf, die im NS-Regime unerwünscht waren.
Nach Kriegsende kam er in ein sowjetisches Lager in Sachsenhausen, wo er mit nur 52 Jahren starb. Da war sein Sohn Götz sechs Jahre alt. Der wuchs mit dem Verständnis auf, dass der Vater eine schauspielerische und charakterliche Überfigur war, die niemand erreichen könne - auch er selbst nicht. Zudem war die Familie davon überzeugt, dass Heinrich George kein Nazi und zu Unrecht in sowjetische Haft geraten war. Tatsächlich wurde er 1998 von den Russen voll rehabilitiert.
Mit "Schimanski" wurde er zum Kult
Jahrzehntelang galt Götz George als einer der besten deutschen Schauspieler. Seit 1981 liebten ihn viele Millionen TV-Zuschauer in der Rolle des Polizei-Rabauken Horst Schimanski, der freilich ein goldenes Herz hat - die Kultfigur der "Tatort-Reihe". Götz George war Schimanski weit über das Pensionsalter hinaus.
Götz George 1981 bei den Dreharbeiten zum WDR-Tatort "Duisburg-Ruhrort". Foto: Martin Athenstädt
Die Mutter Bertha Drews, ebenfalls eine begnadete Schauspielerin, hat nach dem frühen tragischen Tod des Vaters die beiden Söhne großgezogen. Der ältere Jan wurde Fotograf und Filmer, sein Bruder Götz Schauspieler. Schon als Kind stand er auf der Theaterbühne. Unerreichbarer Maßstab war, wie er es selbst häufig sagte, der tote Vater. Nach Aufführungen fragte er die Mutter: "War ich so gut wie Heinrich?"
Er absolvierte eine solide Theaterausbildung und kam früh zum Film. Für seine Rolle in "Jacqueline" (1959) wurde er als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet, außerdem erhielt er den Preis der deutschen Filmkritik. In den 1960er-Jahren wirkte Götz George in einigen Karl-May-Filmen mit. Die Stunts machte der athletische junge Mann selbst. Seine erste große Charakterrolle im Kino hatte er 1977 in dem Film "Aus einem deutschen Leben", in dem er den Kommandanten des KZ Auschwitz verkörperte.
Er gab zwielichtigen Figuren ein Gesicht
Götz George hat viele Rollen gespielt und unterschiedlichen, oft sehr zwielichtigen Figuren sein Gesicht gegeben. Er brillierte als Alzheimer-Kranker in "Mein Vater" und als Massenmörder Fritz Haarmann in "Der Totmacher", er war der Literat und vermeintliche Serienkiller Henry Kupfer in "Der Sandmann". Er spielte den NS-Arzt Josef Mengele in "Nichts als die Wahrheit" und einen abgehalfterten, gebrochenen Boxer in "Die Bubi Scholz-Story".
Sein komödiantisches Talent zeigte er in den Filmen von Helmut Dietl, z.B. als Reporter Hermann Willié in "Schtonk!" und als Regisseur Uhu Zigeuner in "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief".
Im Gegensatz zur robusten Figur des Horst Schimanski war Götz George ein empfindsamer, hochsensibler und öffentlichkeitsscheuer Mann, dem trotz aller Überzeugungskraft die meisten seiner Rollen fremd bleiben. Der Zeitung "Tagesspiegel" sagte er in Bezug auf Schimanski: "Bin ich jemals durch die Tür gesprungen, hab ich jemals einem anderen die Nase gebrochen? Nie!"
Gern gab er zu, dass er knorrig und schwierig ist. "Darauf bestehe ich", sagte er mal in einem Interview. "Ein Mensch, der stolz darauf ist, pflegeleicht zu sein, ist doch nur stolz auf seine Verkrümmungen. Wobei wir hier über die Arbeit reden, nicht über Allüren außerhalb. Charakter ist ein Arbeitsinstrument."