Zeugen widersprechen Gil Ofarim: Zweifel an antisemitischer Beleidigung

Was passierte wirklich am Abend des 4. Oktober im Leipziger Westin-Hotel? Gil Ofarim behauptet in einem Instagram-Video auf seinem Kanal, von einem Hotelmitarbeiter antisemitisch beleidigt worden zu sein. Der 39-Jährige sagt, er sei aufgefordert worden, den Davidstern, den er an seiner Halskette trägt, einzupacken. Erst dann dürfe er einchecken. Der Vorwurf löste weltweit Empörung aus. Gil Ofarim tingelte in den vergangenen Tagen mit dem ungeheuerlichen Vorwurf durch TV-Shows. Er war u.a. bei Steffen Hallaschkas "Stern TV" und bei "Zervakis & Opdenhövel. Live" zu Gast.
Gil Ofarim und Hotelmitarbeiter: Aussage gegen Aussage
Gil Ofarim hatte bei seiner Vernehmung in München gleich zwei Strafanzeigen gegen den Hotel-Mitarbeiter erstattet. Wie die Leipziger Staatsanwaltschaft mitteilte, stellte der Musiker auch eine Anzeige wegen des Tatvorwurfs der falschen Verdächtigung. Hintergrund ist, dass der Hotelmitarbeiter Ofarim wegen Verleumdung angezeigt hatte. Besagter Mitarbeiter bestreitet es, Ofarim antisemitisch diskriminiert zu haben.
Ist der Davidstern an Ofarims Kette gar nicht sichtbar gewesen?
Nach den erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen werden Videoaufnahmen von dem Vorfall aus der Hotellobby ausgewertet. Die Bilder aus dem Hotel werfen Fragen zum geschilderten Hergang auf. Demnach soll die Kette mit dem Davidstern auf den Videos nicht deutlich sichtbar gewesen sein. "Was genau in dem Video zu sehen ist, ist Bestandteil der laufenden Ermittlungen", erklärte eine Sprecherin der Leipziger Polizeidirektion.
Gil Ofarim sagte am 17. Oktober zu "BamS": "Der Satz, der fiel, kam von hinten. Das heißt, jemand hat mich erkannt. Es geht hier nicht um die Kette. Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt." Ofarim selbst sagte, er erinnere sich nicht, ob er die Kette im Hotel sichtbar getragen habe.
"Zeit" enthüllt: Zeugen widersprechen Gil Ofarim
Jetzt berichtet die "Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe vom 118 Seiten langen Abschlussbericht der Rechtsanwaltskanzlei Pauka & Link. Die Kanzlei wurde von den Hotelbetreibern beauftragt. Die Juristen haben parallel zur Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt und konnten mit Mitarbeitern und Gästen sprechen sowie Videomaterial der Überwachungskameras auswerten. Die Zeugen im Kanzlei-Bericht widersprechen Gil Ofarim: Die Kette mit dem Davidstern sei in der Hotellobby gar kein Thema gewesen. Stattdessen ist von einem Konflikt die Rede, weil der Hotelmitarbeiter andere Gäste, Ofarims Auffassung nach, bevorzugt behandelt habe. Der Sänger selbst soll an der Rezeption gedroht haben, ein Video bei Instagram hochzuladen, das "viral gehen" werde. Dies ist die Schilderung von zwei Mitarbeiterinnen und drei Gästen.
Weiter berichtet die "Zeit", dass der Sachverständige George A. Rauscher im Auftrag der Kanzlei Pauka & Link ein Gutachten erstellt habe. Es besagt, dass die Bilder der Hotel-Überwachungskameras mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht manipuliert worden seien. Zudem kommt Rauscher zum Ergebnis, dass Ofarim seine Kette auf den vorgelegten Videosequenzen nicht sichtbar getragen habe – weder bei Ankunft vor dem Haus, noch beim Betreten der Lobby, noch an der Rezeption, noch beim Verlassen der Lobby.
Kein Statement zum Abschlussbericht von Gil Ofarim
Gil Ofarim wollte sich gegenüber der "Zeit" zunächst nicht zu den neuen Veröffentlichungen äußern. Über seinen Anwalt ließ der Sänger am Mittwochnachmittag mitteilen, er habe mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft verabredet, dass er nicht einer Untersuchung zuarbeiten werde, die vom Hotel beauftragt wurde, sondern auf unabhängige staatliche Ermittlungen vertraue und diese unterstütze. Das sei auch den Anwälten des Hotels mitgeteilt worden.