Wer lügt beim Gruppensex-Prozess?
Der Fall Gina-Lisa Lohfink ist längst zu einem Politikum geworden. Es geht um zwei Männer, Sex und den Vorwurf der Vergewaltigung. Heute wird vor Gericht weiter an der Wahrheitsfindung gearbeitet. Dabei kam es auch zu einem erneuten Eklat.
Berlin - "Nein" hat sie gesagt. Mehrmals. Laut und deutlich. Dieses "Nein" ist zu einer Art Politikum geworden, über das die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wie folgt berichtete: "Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) und ihr Parteikollege und Justizminister Heiko Maas forderten im Zusammenhang mit der Geschichte, das Nein einer Frau müsse endlich zur Verurteilung von Sexualstraftaten ausreichen."
Die Geschichte handelt von der Frau Gina-Lisa Lohfink ("Plastic - Schönheit hat ihren Preis"). Sie hat eine Nacht mit zwei Männern verbracht. "Vergewaltigung", so bezeichnet die 29-Jährige die Vorkommnisse von Berlin. "Die hat alles mitgemacht. Wir hatten halt Spaß", sagt einer der beiden Männer. Jetzt hat das Gericht zu entscheiden, was Wahrheit und Recht ist - ein Prozess, an dem ganz Deutschland regen Anteil nimmt.
Gina-Lisa Lohfink ist, wie man so sagt, eine Frau mit Vergangenheit. Die gelernte Arzthelferin aus dem hessischen Seligenstadt, die zeitweise auch in einem Behindertenheim arbeitete, hat sich mit großer Energie und Ausdauer in die diversen Kanäle des Reality-TV rein- und rausgearbeitet.
Gina-Lisas Hang zum Trash-TV
Sie trat bei "Germany's Next Topmodel" auf und der ProSieben-Show "Die Alm - Promischweiß und Edelweiß", war Gast im "Big Brother"-Haus, zog sich für "Playboy" und "Penthouse" aus, gab ein Schauspieldebüt in "Putzfrau Undercover", huschte in der ARD-Endlos-Soap "Marienhof" durch die Kulissen und war Gast in der Promi-Loge des berüchtigten Frauenschrecks Richard "Mörtel" Lugner beim Wiener Opernball.
Frau Lohfink unterzog sich der Karriere halber einer Brustvergrößerung. Sie hat Lippen, die im Boulevardjargon gemeinhin mit Schlauchbooten verglichen werden, weshalb sie bei der 16. Venus-Messe in Berlin zur Botschafterin der Erotik-Veranstaltung ernannt wurde. Nebenbei ist sie auch Botschafterin für "Safer Sex".
Gina-Lisa Lohfink: Eklat im Gerichtssaal
Ist Gina-Lisa Freiwild?
2008 tauchte im Internet ein Amateurporno auf, das Gina-Lisa beim Sex mit ihrem damaligen Freund Yüksel D. zeigte. Angeblich wurde das nicht besonders appetitliche Tape über zehn Millionen Mal angeklickt. 2012 und 2013 warb sie mit ihren Kolleginnen Micaela Schäfer, Jordan Carver und Sandra Lang für den Online-Elektronikhändler Redcoon. Die Werbung wurde vom Deutschen Werberat gerügt: Sie verschaffe den Eindruck, dass Frauen billig und leicht verfügbar seien.
Ist so eine Frau, die für die Öffentlichkeit mit Hingabe die Luderrolle gespielt hat oder zumindest so wahrgenommen wird, tatsächlich ein Luder - und somit Freiwild?
"Sind die Vorurteile gegenüber einer Frau mit Erotikmessen-Erfahrung und fragwürdigem Image so tief verankert, dass sich ihnen selbst eine ermittelnde Staatsanwältin nicht entziehen kann?", fragt die "Zeit". "Zu viele meinen, sie hätte ihr Recht verwirkt", hat die "FAZ" beobachtet.
Die verhängnisvolle Nacht
Lohfink hatte am Abend des 2. Juni 2012 Sex mit zwei Männern. Einer von ihnen war der Fußballer Pardis F. (28), der immerhin schon für die Nationalmannschaft von Aserbaidschan gespielt hat. Er hatte sie am Abend zuvor kennengelernt und mit ihr auch die Nacht verbracht.
Nun trinken sie Champagner im Berliner Nachtclub Maxxim und gehen dann in die Wohnung von Sebastian C., der als VIP-Betreuer im Maxxim arbeitet. Es kommt zum Dreier-Sex. Die beiden Männer filmen mit ihren Handys und wollen am nächsten Tag das Video an eine große Zeitung verkaufen. Offenbar braucht man Aufmerksamkeit um jeden Preis, denn kurze Zeit darauf taucht das Sex-Tape im Internet auf.
Gina-Lisa Lohfink geht zur Polizei und erstattet Anzeige gegen die beiden Männer wegen Vergewaltigung. Sie sagt, sie könne sich an die Nacht nicht erinnern und behauptet, man habe ihr Betäubungstropfen verabreicht. Es kommt zu einem Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten. Belastet dabei das Schmuddelimage der Klägerin die Wahrheitsfindung?
Zwar werden beide Männer verurteilt, aber nur wegen der widerrechtlichen Verbreitung. Gina-Lisa Lohfink erwischt es härter. Nachdem eine toxikologische Untersuchung keine Hinweise auf K.o.-Tropfen ergeben hat, bekommt sie wegen Falschverdächtigung der beiden Männer einen Strafbefehl von 60 Tagessätzen à 400 Euro aufgebrummt, macht 24.000 Euro. Sie legt gegen das Urteil Berufung ein. Es kommt zu einem neuen Prozess.
Gina-Lisa wird zu einer Symbolfigur
"Mit diesem Strafbefehl nimmt die Geschichte von Gina-Lisa Lohfink richtig Fahrt auf", schreibt die "Zeit". "Aus der C-Prominenten mit Schmuddelimage wird nun die Symbolfigur einer Reform des Sexualstrafrechts. Jetzt kann sich Lohfink sogar erlauben, Bundesjustizminister Heiko Maas höchstpersönlich zu ihrem Prozess einzuladen, damit er sich mal ein Bild machen könne, ,wie in der Praxis mit Rechten von Opfern sexueller Gewalt umgegangen wird'. In der solidarischen Aufschreistimmung ist allerdings eine entscheidende Frage untergegangen: Wurde Gina-Lisa Lohfink überhaupt ein Opfer sexueller Gewalt? Stimmt es tatsächlich, was sie über die Geschehnisse jener Nacht mit Pardis F. und Sebastian C. berichtet?"
Wieder ist das belastende Video, dass die beiden Männern beim Geschlechtsverkehr mit Gina-Lisa zeigt, der wichtigste Faktor. Ein Filmchen von 28 Sekunden.
"Die beiden feuern sich gegenseitig an, sie haben Sex mit Lohfink, die völlig abwesend wirkt. ,Nein, nein, nein', sagt sie und später: ,Hör auf', zwei Mal. ,Laber nich rum', antwortet einer der Männer, der andere: ,Komm, sie braucht's härter", so beschreibt der Berliner "Tagesspiegel" den Inhalt des Tapes.
Lesen Sie hier: Bettina Böttinger ist auf Gina-Lisas Seite
"Es waren keine Drogen im Spiel"
Der Party-Veranstalter Sebastian P. (32), einer der beiden Männer, sagt im Sat.1-Frühstücksfernsehen, er habe Gina-Lisas Nein nur auf das Filmen der Szene bezogen. "Es war von Anfang an klar, dass wir einen schönen Abend und alle Sex haben... Es waren keine Drogen im Spiel, und es hat auch keine Vergewaltigung stattgefunden." Er bereue die Nacht sehr, weil er "Ansehen und meinen Job verloren" habe. Vermutlich meint er damit die halböffentliche Reaktion, denn immerhin sind wir mittlerweile beim "Sinnbild für eine überfällige Reform des Sexualstrafrechts" angelangt.
Pardis F., der Gina-Lisa in die Wohnung seines Freundes Sebastian P. brachte, will nun als Profi-Fußballer durchstarten. Auch er redet von freiwilligem Sex mit einer Person, deren eigenen Willen er ums Verrecken nicht wahrnehmen kann und mag. Im Gegenteil: "Es war für mich doch schlimmer, als für sie. Sie war dann in der Presse - das war genau das, was sie wollte. Ich sehe mich mehr als Opfer als sie... Das Strafverfahren wegen Vergewaltigung wurde zwar eingestellt. Aber mein Name wurde öffentlich. Gegen mich wurde ermittelt", sagt Pardis F.
Gina-Lisas Botschaft ist eine völlig andere: "Das wollte ich wirklich nicht, dass die beiden mit mir Sex haben! Und dass die mich filmen." Sie wisse, dass viele Menschen nicht an ihre Unschuld glauben. "Ich kann es verstehen. Aber man will sagen: Was ist mit euch los? Warum? Ich habe davon nichts, ich bin doch schon bekannt. Dadurch stehe ich nicht gut da. Es ist nichts Schönes, ich will so was nicht haben."
"Ich habe Scheiße gemacht"
Pardis F. sagt, er habe danach noch eine weitere Nacht mit Gina-Lisa verbracht. Sie habe ihm zärtliche Textnachrichten geschickt. "Geht's dir gut? Ich vermisse dich". Oder: "Würde jetzt so gerne in deinen Armen einschlafen. Kuss". Und er habe ihr per SMS geantwortet. "Ich habe Scheiße gemacht, ich mag Dich so sehr."
Mittlerweile ist der Prozess ein Pflichtevent der selbsternannten Rechtschaffenen. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren die Fans von Gina-Lisa. Mit Plakaten wie "Du bist nicht allein. Solidarität mit Betroffenen." Eine Femen-Aktivistin hat sich die Kleider vom Leib gerissen, Beamte führen sie ab, die Kameras laufen. Da geht Gina-Lisa Lohfink schon mal zu den Demonstranten und spricht ins Mikrophon: "Dieser Typ sitzt da und dann lügt er auch noch so frech. Ich danke euch, dass ihr mir helft. Es ist so schrecklich, dass mir nicht geglaubt wird." Dann schluchzt sie: "Wenn ich sage nein, dann heißt es doch auch nein." Ihre Fans antworten im Chor: "Du bist nicht allein."
"Ich habe sie noch nie lügend erlebt"
Auch ihre ehemalige Managerin Alexandra S. meldet sich zu Wort "Es ist so ein Unrecht, was Gina-Lisa widerfahren ist. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Gina-Lisa hat mich nie angelogen. Ich bin zu 1000 Prozent von ihrer Wahrheit überzeugt. Für sie ist eine Welt zusammengebrochen, als das Vergewaltigungsverfahren gegen die Männer eingestellt wurde und sie (Gina-Lisa) gelogen haben soll. Ich habe sie noch nie lügend erlebt." Und ihr ehemaliger Schützling spricht in die Kamera: "Ich will nicht, dass das, was mir passiert ist, einer anderen Frau passiert."
Inzwischen haben Sebastian P., der laut "Süddeutsche Zeitung" wegen Rohheitsdelikten "polizeibekannt" sei und schon wegen Betrugs in Haft gesessen habe, und Pardis F. gegen die Gina-Lisa Lohfink Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung, Verleumdung, Beleidigung und übler Nachrede gestellt.
Heute wird die "traurige Geschichte über Sex, Lügen und ein Video" ("SZ") vor Gericht fortgesetzt. Dabei musste der Prozess zunächst für zehn Minuten unterbrochen werden. Der Grund: Gina-Lisa musste sich zur Beweisaufnahme das Sex-Tape nochmal anschauen. Emotional scheinbar zu viel für das Model. Sie brach in Tränen aus und schrie außer sich vor Wut.