»Wer beleidigt werden will, geht in eine Casting-Show«

Mit Rap hat er nichts am Hut, Tokio Hotel findet er gut, Rock’n’Roll ist sein Leben: Der Rock’n’Roller Peter Kraus (68, „Sugar Baby“, „Susi Rock“) besuchte die Abendzeitung erzählte über eine Zeit ohne Drogen und mit Groupies.
Erster Eindruck: lässiger Typ. Die Frisur sitzt, der Hüftschwung auch. Nur eines hat sich geändert – der deutsche Elvis singt jetzt endlich auf Deutsch. „Vollgas“ heißt sein Album. Na, dann mal los. . .
AZ: Herr Kraus, Rock’n’Roll ist Ihre Visitenkarte – was ist mit Sex und Drugs?
PETER KRAUS: Drogen kamen in den 60ern auf, in den 50ern gab es in dem Sinne noch keine. Wir brauchten die auch nicht, der Konkurrenzdruck war nicht so groß wie heute. Rock’n’Roll war unsere Droge. Das war unsere Rebellion – eine Kleinigkeit gegen heute. Sonst gab es noch Alkohol. Und ja, den Sex gab es schon immer.
AZ: Und Groupies?
Es war eine wilde, lustige Zeit. Als junger Mensch hat man viele Bekanntschaften, ist ständig unterwegs. Meine Frau lernte ich erst 15 Jahre später kennen. Sie machte mich ruhiger. Das musste auch so sein.
AZ: Wieso schwingt Ihre Hüfte noch mit 68 so prima?
Ich habe kein Geheim-Doping. Der Erfolg hält dynamisch. Ich begeistere mich selbst. Ich mache viel Sport, Yoga habe ich schon mit 17 angefangen – und mit 19 aufgehört. Die Verrenkungen konnte ich gut, aber drei Minuten still zu liegen, daran scheiterte ich.
AZ: Sie leben am Luganer See – schwimmen Sie wie Udo Jürgens täglich?
Nur im Sommer. Ich schwöre aufs Trampolin-Springen. Jeden Tag fünf Minuten im Wohnzimmer. Das ist besser als zu joggen. Ich ernähre mich obendrein vernünftig – bin ein Fanatiker von Nahrungsergänzungsmitteln in Pulver-Form. Außerdem schaffe ich mir kulinarische Höhepunkte. Ich esse Weißwürste wie Kaviar.
AZ: Wie Kaviar?
Ja, ich esse sie nur zwei, drei Mal im Jahr. So bleibt es etwas Außergewöhnliches.
AZ: Ist München für Sie als Münchner noch außergewöhnlich?
Es ist meine Geburtsstadt, es ist immer ein Highlight, hier zu sein. Nach der Rock’n’Roll-Zeit, den intensiven zehn Jugendjahren wollte ich aber aus der Stadt raus. Ich habe geheiratet, wollte aufs Land und nochmal ganz anders leben.
AZ: Ganz anders ist es auch, Sie nun Deutsch singen zu hören. Ist das Ihre Versöhnung mit der deutschen Sprache?
Nein! Es ist jetzt einfach an der Zeit. Die Rock’n’Roll-Classics wurden einst als Negermusik bezeichnet, die Erwachsenen polterten dagegen. Ich wollte mich durchsetzen, habe es damals auf Deutsch versucht. Aber es klappte nicht, die Musik war zu wild. Von einigen Liedern gab es deutsche Texte, doch die waren unbrauchbar. So nach dem Motto: „Baby, nimm den Hulahup-Reifen und geh in die Bongo-Bar“ – das kann man nicht machen.
AZ: Jetzt aber schon?
Nach zwei Tourneen auf Englisch fragten mich viele, sag mal, du hast den Rock’n’Roll nach Deutschland gebracht, singst aber nur auf Englisch.
AZ: Dazu Ihr Spruch, dass man die Texte nur auf Englisch singen kann. . .
. . . es ist natürlich schön, sich selbst zu widersprechen. Was interessiert mich das von gestern, ich schau nach vorn.
AZ: Gibt es nie den Blick zurück – zur guten, alten und wilden Zeit?
Ich bin kein Nostalgiker. Aber es hat sich schon total viel verändert.
AZ: Trotzdem werden Sie immer der deutsche Elvis sein – wie sehr nervt das?
Ach, mein Gott, genervt bin ich davon nicht. War doch klar, dass es für mich einen Beinamen geben muss. Ich habe schnell noch andere bekommen: Heulboje und Schluckaufsänger. Dann bin ich schon lieber der deutsche Elvis.
AZ: Obwohl Sie Elvis nie kopieren wollten?
Genau. Es ging darum, ein Idol der Jugend in Deutschland zu werden.
AZ: Das klingt so einfach!
Es war ein Anliegen und ein Kampf. Deutschland brauchte etwas Eigenes. Nicht mehr die Musik des Opas hören oder Flöte lernen, weil Mutti es wollte.
AZ: Um heute ein Idol zu werden, würden Sie da in eine Casting-Show gehen?
Ungern. Wer beleidigt werden will, geht in eine Casting-Show. Wenn man nicht ernsthaft Musiker werden möchte, sollte man da auch mitmachen. Sonst nicht. Es wundert mich, dass sich so viele Leute diesen Frechheiten aussetzen. Und die, die gewinnen, sind ihrer Persönlichkeit längst beraubt worden. Das ist der Grund, warum sie schnell wieder weg vom Fenster sind. Wir brauchen echte Typen – aber die gibt es nicht mehr. Wenn ich diese Mädels sehe. . .
AZ: . . . Amy Winehouse, Lindsay Lohan und Britney Spears?
Ja, da merkt man, dass sie viele Geschichten erfinden oder provozieren, weil sonst niemand über sie berichtet. Zu meiner Zeit war es Skandal genug, andere Musik zu machen. Es war eine einfachere Zeit.
AZ: Jetzt, wo Sie deutschen Rock’n’Roll singen, fehlt nur noch eines. . .
. . . was denn?
AZ: Ihr Bühnen-Comeback mit Conny Froboess!
Das wird es nicht geben, das darf man nicht überstrapazieren. Conny wollte schon mit 16 ernsthafte Theaterschauspielerin werden. „My Fair Lady“ und so – das hat sie geschafft. Vielleicht spiele ich mal den Higgins, langsam komme ich in das Alter.
AZ: Ein stolzes Alter hat auch Ihre Ehe erreicht. Seit knapp 40 Jahren sind Sie mit Ingrid verheiratet: Ihr Trick?
Ich habe eifrig gesucht. Mit meiner Frau war es eine glückliche Fügung. Ich bin ein Mensch, der harmonisch leben will. Uns gelingt kein Streit – aufgrund der Intelligenz meiner Frau.
Kimberly Hoppe
Das Idol
Davon träumen alle Teenies: Peter Kraus stellte sich mit 16 auf eine Bühne, sang seine Rock’n’Roll-Lieblingslieder auf Englisch – und hatte prompt einen Plattenvertrag in der Tasche. Der Erfolg gab ihm Recht: In den ersten vier Jahren veröffentlichte er 36 Platten, die sich über 12 Millionen Mal verkauften. Kraus wurde zum deutschen Elvis und Idol, spielte sich mit Conny Froboess in die Herzen der Jugend. Jetzt gibt er „Vollgas“ – auf dem Album singt er den echten, fetzigen Rock’n’Roll endlich auf Deutsch. Am 13. Mai tritt er in der Philharmonie auf.