Was Sie über den Fall Bill Cosby wissen müssen

Zwischen dutzenden von Anschuldigungen, einer Flut von Medienberichten und einer unübersichtlichen Rechtslage kann man im Fall um den angeblichen Sextäter Bill Cosby schnell den Überblick verlieren. Wir fassen die wichtigsten Fakten zusammen.
von  (kd/spot)
Dutzende Frauen werfen Bill Cosby sexuellen Missbrauch vor
Dutzende Frauen werfen Bill Cosby sexuellen Missbrauch vor © [M] New York Magazine/John Minchillo/Invision/AP

Los Angeles - Der Fall Bill Cosby (78) spitzt sich immer weiter zu: Bald muss der Komiker selbst unter Eid Stellung zu einem der vielen Missbrauchsfälle nehmen, die ihm angelastet werden.

Seitdem im Herbst 2014 die Vorwürfe laut geworden sind, ist die Lage zunehmend unübersichtlich geworden. Zeitweise wurden nahezu täglich neue Anschuldigungen bekannt, Cosby igelte sich unterdessen ein und überließ seinen Anwälten das Feld. Hier erfahren Sie, was Sie über den Fall Cosby wissen müssen.

Auch US-Präsident Barack Obama hat sich inzwischen zu den Vorwürfen gegen Bill Cosby geäußert. Mehr darüber bei Clipfish

 

Was wird Cosby vorgeworfen?

 

Die zahlreichen Aussagen der angeblichen Opfern ähneln sich sehr: Fast alle werfen Cosby vor, sie zu sich eingeladen zu haben, oft unter dem Vorwand, ihnen Karrieretipps zu geben. Bei den Treffen soll Cosby den Frauen dann Drogen in ihre Drinks gemischt und ihren benommenen Zustand für sexuelle Handlungen ausgenutzt haben.

 

Um wie viele Fälle geht es?

 

Insgesamt sollen mindestens 47 Frauen Vorwürfe gegen Cosby erhoben haben, einige davon sind nach wie vor anonym. Das "New York Magazine" veröffentlichte vor wenigen Tagen als Titelstory Interviews mit 35 Frauen, die ihre angeblichen Erlebnisse mit Cosby schildern. Auf dem Cover sind die Frauen sitzend abgebildet, ein leerer Stuhl steht für mögliche weitere Fälle. Unter den Beschuldigerinnen finden sich einige prominente Namen, etwa Ex-Model Janice Dickinson, Playmate Victoria Valentino, Schauspielerin Michelle Hurd ("Gossip Girl") und Lou Ferrignos ("Der unglaubliche Hulk") Ehefrau Carla.

 

Wie alt sind die Vorwürfe?

 

Der erste angebliche Missbrauchsfall reicht in das Jahr 1965 zurück, die jüngste bekannte Anschuldigung bezieht sich auf 2008. In die Öffentlichkeit drangen die Vorwürfe jahrzehntelang nicht. Erstmals wurde Cosby im Jahr 2000 von der Schauspielerin Lachele Covington, die eine kleine Rolle in der Serie "Cosby" gespielt hatte, wegen sexueller Belästigung angezeigt, nachdem er sie begrapscht und sich vor ihr entblößt haben soll. Die Staatsanwaltschaft verfolgte den Fall allerdings nicht weiter. 2005 beschuldigte Andrea Constand Cosby, sie im Vorjahr unter Drogen gesetzt und missbraucht zu haben. Das Verfahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt, doch Constand erhob eine Zivilklage, in der 13 weitere Frauen aussagten. Dieser Prozess endete 2006 mit einer außergerichtlichen Einigung, die Einzelheiten dazu stehen unter Verschluss.

 

Was war der Auslöser für die Flut an Vorwürfen?

 

Die aktuelle Welle der Anschuldigungen wurde von einem Kollegen Cosbys losgetreten: Stand-Up-Comedian Hannibal Buress nahm Cosby aufgrund der früheren Vorwürfe und seiner Neigung, die schwarze Gegenwartskultur zu kritisieren, ins Visier: "Bill Cosby verkörpert diesen selbstgefälligen alten Schwarzen, den ich hasse: 'Zieht euch die Hosen hoch, ihr Schwarzen. Ich darf so herablassend mit euch reden, weil ich eine erfolgreiche Sitcom hatte.' Das mag sein, aber du hast Frauen vergewaltigt, Bill Cosby!" Die Passage ging im Internet viral. In einem unglücklichen Versuch, dem gegenzusteuern, startete das Social-Media-Team Cosbys einen Meme-Generator mit Bildern aus seinen Serienhits. Der Schuss ging gewaltig nach hinten los, Cosby wurden zumeist Witze über die Vergewaltigungsvorwürfe in den Mund gelegt. Als Reaktion auf Buress' Auftritt ging wenig später Barbara Bowman, eine der Frauen, die 2005 im Rahmen von Constands Klage gegen Cosby ausgesagt hatte, an die Öffentlichkeit. Viele weitere folgten ihr.

 

Wie glaubwürdig sind die Vorwürfe?

 

Die angeblichen Opfer wurden oftmals dafür kritisiert, erst so spät an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Vor allem die Anwälte Cosbys stellen deshalb ihre Glaubwürdigkeit in Frage. Viele der Frauen erklärten dazu, sie wären aus Scham und aus Angst, dass ihnen niemand glaubt, nicht zur Polizei gegangen - ein typisches Verhaltensmuster für Missbrauchsopfer, das bei diesen Verbrechen für eine riesige Dunkelziffer sorgt. Angebliche Opfer aus der Entertainmentbranche berichteten zudem, dass sie fürchteten, Cosby könne mit seinem Einfluss ihre Karrieren beschädigen. Die große Zahl der Anschuldigungen wird in den Medien zumeist eher als Beleg für ihre Glaubwürdigkeit betrachtet. Vor kurzem wurden außerdem Aussagen Cosbys aus dem von Andrea Constand angestrengten Zivilverfahren veröffentlicht. Darin gibt er zu, in den 70ern Frauen vor dem Sex Beruhigungsmittel verabreicht zu haben, erklärt allerdings, dass dies immer mit deren Einverständnis geschehen sei.

 

Muss sich Cosby vor Gericht verantworten?

 

Fast alle der mutmaßlichen Missbrauchsfälle sind schon lange verjährt. Derzeit muss sich Cosby deshalb nur mit zwei Klagen auseinandersetzen. Im Dezember 2014 beschuldigte Judy Huth Cosby, sie 1974 im Alter von 15 Jahren in der Playboy-Villa missbraucht zu haben. Huth und ihre Anwältin Gloria Allred nutzen ein kalifornisches Gesetz, das zur Tatzeit minderjährigen Missbrauchsopfern erlaubt, auch nach der Verjährungsfrist eine Zivilklage einzureichen. In diesem Verfahren wird Cosby nun zu einer Aussage unter Eid vorgeladen. Im Mai 2015 reichte außerdem Janice Dickinson eine Verleumdungsklage gegen Cosby ein, da der Entertainer und seine Anwälte sie nach ihren Vorwürfen öffentlich als Lügnerin dargestellt hatten. Zwei weitere Frauen haben sich Dickinsons Klage angeschlossen. Cosby selbst wiederum verklagte im Juli 2015 Andrea Constand. Er wirft ihr vor, Details aus ihrer außergerichtlichen Einigung verraten und damit ihre Verschwiegenheitsverpflichtung verletzt zu haben.

 

Welche Folgen haben die Vorwürfe auf Cosbys Karriere?

 

Welche rechtlichen Folgen Cosby tatsächlich drohen, ist schwer abzusehen. Seine Karriere hat unter den Vorwürfen dagegen bereits massiv gelitten, so gut wie alle Freunde und Geschäftspartner haben sich von dem Entertainer abgewandt. Cosby verlor seinen Agenten, die Wiederholungen seiner Serien-Hits wurden aus den Programmen sämtlicher TV-Sender gestrichen. Netflix legte ein geplantes Comedy-Special auf Eis, NBS stampfte seine Pläne für eine neue Show mit Cosby ein. Zuletzt gaben die Macher der Dokumentation "Painted Down" bekannt, Cosbys Beiträge herauszuschneiden, der Verlag Simon & Schuster strich die Taschenbuchausgabe seiner Autobiografie. Außerdem entzogen zahlreiche Institutionen Cosby ihre Ehrentitel und andere Würdigungen, darunter mehrere Universitäten, die US Navy und Disney World. Egal, wie die laufenden Verfahren enden, in den Augen eines großen Teils der Öffentlichkeit scheint Cosbys Schuld erwiesen.

 

 

 

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