Vorwürfe gegen Christian Jürgens: Starkoch wird von Arbeit in Restaurant "Überfahrt" freigestellt
In der Welt der Köche ist Christian Jürgens ganz oben angekommen: drei Michelin-Sterne, vier Hauben im Gault-Millau, zweimal Koch des Jahres – sein Restaurant "Überfahrt" am Tegernsee ist eine der Top-Adressen für die Schönen und Reichen. Und für alle, die kulinarisch auf höchstem Niveau genießen wollen.
Doch der Glanz wird nun getrübt durch einen Artikel des "Spiegels" im Plus-Bereich des Nachrichtenmagazins, der eigenen Angaben zufolge monatelang dafür recherchiert hat. Der Inhalt: nach außen hin Perfektion, im Hintergrund problematische Arbeitsbedingungen bis hin zu MeToo-Vorfällen.
Starkoch Christian Jürgens wird von Arbeit im Restaurant "Überfahrt" freigestellt
Schon vorab: Das hat für Jürgens noch am Tag der Veröffentlichung Konsequenzen. Die Althoff-Gruppe, zu der das "Überfahrt" gehört, teilt der AZ auf Anfrage mit: "Zunächst möchten wir klar sagen, dass uns die Vorwürfe nach wie vor erschüttern." Und dann folgt die Hiobsbotschaft für den Sternekoch: "Mit Wirkung vom 5. Mai 2023 haben wir daher entschieden, Christian Jürgens freizustellen."
Der "Spiegel" hatte mit etwa zwei Dutzend ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Küche und Service gesprochen, nicht alle berichten Schlechtes, einige zeigen sich bis heute dankbar für die Karrierechancen. Andere dagegen werfen Jürgens Diverses vor: Missbrauch von Macht, Schikane, teilweise sogar sexuelle Belästigung.
Wie der "Spiegel" am Freitag berichtete, wollten viele von ihnen anonym bleiben. Man habe aber Arbeitszeugnisse, Chatverläufe und eidesstattliche Erklärungen, so der "Spiegel".
Anschuldigung gegen Christian Jürgens: "Die schlimmste Zeit meines Lebens"
Einer, der seinen Namen nennt, ist Marcel Ribis, Koch und Diplom-Sommelier aus Österreich. Er schildert einen Vorfall aus dem Herbst 2016: Er will zwischen Küche und Gastraum gestanden haben, als Jürgens hinter ihm vorbeiging und ihm "von hinten mit der Hand zwischen die Beine in den Genitalbereich" gegriffen haben soll. Kein Einzelfall soll das gewesen sein, sagt Ribis dem "Spiegel". Auch ein anderer Koch schildert einen ähnlichen Vorgang, hat dafür aber keine Zeugen.
Ribis will nicht, dass die Branche generell verurteilt wird. Dennoch sagt der heute 30-Jährige deutlich: "Ich hatte bei Christian Jürgens die schlimmsten Monate meines Lebens." Sogar von einer Ohrfeige berichtet er. Daraufhin hörte er auf.
Auch die anderen Vorwürfe weiterer ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiegen schwer und sind lang: Demnach sei der Sternekoch manipulativ, cholerisch, sexistisch, übergriffig gewesen. Schikanen, Brüllerei und Grapscher, so schreibt es der "Spiegel" weiter, müsse man hinnehmen, wenn man von dem Ausnahme-Koch gefördert werden wolle.
Teils liegen die Vorwürfe schon Jahre bis zu zwei Jahrzehnten zurück. Maria Rehermann (37) berichtet über ihre Ausbildung in der Oberpfalz, wo sie auf Jürgens traf – sie war damals 16 Jahre alt. Er soll sie zum Beispiel regelmäßig so begrüßt haben: "Na, Maria, heute schon Sex gehabt?"
Mitarbeiter beschwerten sich demnach bei den damaligen Verantwortlichen des Hotels über "anzügliche Redensweise und die Intimsphäre beleidigende Äußerungen". Die Hotel-Verantwortlichen stellten Jürgens damals zur Rede, wie sie dem "Spiegel" nun mitteilten. Er habe beleidigt reagiert.
Starkoch Christian Jürgens weist Vorwürfe als "unwahr" zurück
Das Magazin schickte Jürgens einen Fragenkatalog, über seine Anwältin ließ er die "schwerwiegenden Vorwürfe" als "unwahr" zurückweisen. Zu den geschilderten Vorgängen ist es ihm zufolge zu keinem Zeitpunkt gekommen. Er weist auf "zahlreiche, glaubwürdige ehemalige und gegenwärtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" hin, auf die er sich dabei berufen könne. Die getroffenen Behauptungen seien "geeignet, die berufliche Existenz" des Gastronomen zu zerstören.
Ein Unternehmenssprecher der Althoff-Gruppe teilte der AZ am Freitag weiter mit: "Wir als Unternehmen verurteilen grundsätzlich Übergriffe in der hier dargestellten oder ähnlicher Art. Das Wohl aller bei uns Mitarbeitenden und die Aufklärung stehen jetzt im Vordergrund. Daher haben wir unverzüglich eine renommierte Kanzlei mit einer Prüfung der Vorwürfe beauftragt – nachdem diese uns bekannt geworden sind." Noch am 4. April hatte sich eine Pressemitteilung der Althoff-Gruppe mit Christian Jürgens geschmückt. Der Titel: "Christian Jürgens zum zehnten Mal mit drei Sternen ausgezeichnet."
Bis zum Abschluss der Ermittlungen wolle man sich nicht weiter dazu äußern.
- Themen:
- Promis