Vor 100 Jahren endet die Herrschaft der Habsburger

Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg – und damit auch die Herrschaft der Habsburger. Das Reich zerfällt in seine Einzelteile. Wie es so weit kommen konnte – und wie es weiterging.
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Das Schloss Schönbrunn in Wien war der politische Mittelpunkt der Habsburger. Vier wichtige Figuren: Rudolf I. (links oben) war im 13. Jahrhundert der erste römisch-deutsche König aus dem Habsburger-Geschlecht. Kaiser Maximilian I. (rechts oben) baute die Macht des Hauses Österreich im 15. und 16. Jahrhundert durch die Habsburger Heiratspolitik aus. Kaiserin Elisabeth, genannt „Sisi“ (links unten), gelangte durch ihre Heirat mit Kaiser Franz Joseph 1854 in die Habsburger Monarchie. Karl I. von Habsburg (rechts unten) war der letzte regierende Kaiser von Österreich, bis er 1918 Schönbrunn verließ.
imago/dpa Das Schloss Schönbrunn in Wien war der politische Mittelpunkt der Habsburger. Vier wichtige Figuren: Rudolf I. (links oben) war im 13. Jahrhundert der erste römisch-deutsche König aus dem Habsburger-Geschlecht. Kaiser Maximilian I. (rechts oben) baute die Macht des Hauses Österreich im 15. und 16. Jahrhundert durch die Habsburger Heiratspolitik aus. Kaiserin Elisabeth, genannt „Sisi“ (links unten), gelangte durch ihre Heirat mit Kaiser Franz Joseph 1854 in die Habsburger Monarchie. Karl I. von Habsburg (rechts unten) war der letzte regierende Kaiser von Österreich, bis er 1918 Schönbrunn verließ.

Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg – und damit auch die Herrschaft der Habsburger. Das Reich zerfällt in seine Einzelteile. Wie es so weit kommen konnte – und wie es weiterging...

So sieht ein schwacher Abgang aus. Bei Nacht und Nebel schlichen sich die einst mächtigen Habsburger aus dem Schloss Schönbrunn in Wien. Kaiser Karl I., ließ sich und seine Frau Zita am 11. November 1918 ins 50 Kilometer entfernte Schloss Eckartsau bringen. Seine Leibwache hatte den Dienst quittiert, an den Autos waren die Insignien der Habsburger entfernt worden.

Habsburger: Nach 650 Jahren endete die Herrschaft 

Vier Jahre zuvor hatte das Land mit seiner Kriegserklärung an Serbien den Ersten Weltkrieg ausgelöst. 1914 war es größer als das Deutsche Reich, eine Großmacht mit 50 Millionen Bürgern und einem Dutzend Völkern. Jetzt war der Weltkrieg vorbei, eine 650 Jahre alte Dynastie war Geschichte, die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war praktisch aufgelöst. Ein Machtvakuum entstand.

Der Zerfall des Riesenreichs – das vom Bodensee bis in die heutige Ukraine reichte, zu dem Prag gehörte, das große Teile des Balkans umfasste und sich bis zum Gardasee erstreckte – geschah unter dem von den USA propagierten Motto "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Es entstanden Staaten wie Polen, die Tschechoslowakei und das spätere Jugoslawien. Italien bekam Südtirol, Ungarn verlor große Teile seines Gebiets. Von Österreich blieb ein winziger Rest.

Nachwirkungen heute noch zu spüren

Die Nachwirkungen sind bis in die heutige Politik zu spüren. Österreich ist die Schutzmacht der deutschsprachigen Südtiroler und will ihnen nun gar zum Ärger Italiens einen Pass anbieten. In Ungarn wird das damalige Geschehen bis heute politisch ausgenutzt. Denn die Ungarn erlebten die Zerschlagung ihres Landes durch den Friedensvertrag von Trianon (1920) als Trauma. Nach der demokratischen Wende machte die ungarische Rechte das Trauma zu einem Leitmotiv ihrer Mobilisierung.

Die Geschichte des Untergangs der Habsburger ist eine Geschichte über das Verkennen des Wandels. "Das Habsburgerreich war ein hochkomplexes politisches Kunstprodukt von Völkern und Staaten, die aus eigenem Antrieb kaum zueinandergefunden hätten, die wenig miteinander verband als eben der Umstand, dass sie alle aus Wien regiert wurden", schreibt der Autor Kersten Knipp.

Für die einen war das Reich eine "Völkerfamilie", für die anderen war es ein "Völkerkerker". Mit seiner Aura des Gerechten war es Kaiser Franz Joseph I. jahrzehntelang gelungen, den aufkommenden Nationalismus zu neutralisieren. Als Nachfolger Karl I. in letzter Minute den Ruf der Zeit hören wollte, war es zu spät.

Das Völkermanifest vom 16. Oktober 1918 war ein dramatischer kaiserlicher Hilfeschrei: "Österreich soll, dem Willen seiner Völker gemäß, zu einem Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet." Das Angebot, das die Krone in einem neuen Bund retten sollte, beeindruckte niemanden mehr. In völliger Verkennung der Machtsituation dankte Karl I. nicht ab, sondern verzichtete nur auf jede persönliche Teilnahme an den Regierungsgeschäften. Im Jahr zuvor hatte das erschütternde Schicksal der Zarenfamilie in Russland gezeigt, dass Herrschen ohne Voraus- und Rücksicht, ein Regieren ohne Reformen ein Auslaufmodell war. Wie in der Donaumonarchie fielen auch im Zarenreich die Völker an den Rändern ab.

1919: Österreich-Ungarn wird aufgelöst

Am 10. September 1919 unterzeichneten Österreich und die Alliierten den Vertrag von St. Germain, der die Auflösung Österreich-Ungarns regelte. Aus dem Vielvölkerstaat wurde ein Rumpfstaat mit 6,5 Millionen Einwohnern – in der damaligen öffentlichen Meinung kaum lebensfähig.

Der Frieden unter dem Diktat der Sieger – die obendrein den von Österreich gewollten Anschluss an Deutschland untersagten – wurde zum politischen Geschenk für die Nazis, die gegen die Verträge agitierten. 20 Jahre später kam es auf Befehl Adolf Hitlers zum "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich.

Durch die neuen Grenzen entstand ein besonders scharfes Bewusstsein dafür, wer die Mehrheit, wer die Minderheit ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte dies zu Vertreibungen und Verfolgungen deutscher Minderheiten im östlichen Europa führen.

Karl I. bleibt im Rückblick eine tragische Figur. Seit seiner Machtübernahme 1916 hatte er versucht, Frieden mit den Alliierten zu schließen. Als seine geheimen Sondierungen öffentlich wurden, war der deutsche Bündnispartner geschockt und Karl noch mehr an den Rand gedrängt. Den Untergang des Reiches verfolgte er nach der Zwischenstation in Eckartsau vom Schweizer Exil aus, bevor er auf der Atlantik-Insel Madeira seine letzte Heimat fand. Wegen Geldnot ließ er eine Erkältung nicht behandeln und erkrankte an einer Lungenentzündung, an der er 1922 mit 34 Jahren starb.

 

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