Von der Streitfigur zum Fanliebling?

Er ist ein Phänomen: Kaum ein anderer Fußballer wird so sehr geliebt und gleichzeitig gehasst wie Cristiano Ronaldo. Doch immer mehr Fußball-Fans können mittlerweile Sympathien für den Portugiesen entwickeln. Gute Gründe gibt es dafür zuhauf...
von  (dr/spot)

München - Cristiano Ronaldo (31) polarisiert seit Jahren und spaltet die Fußball-Fans in zwei Lager: Auf der einen Seite seine Fans, die jede noch so extravagante Aktion feiern und ihn als den Besten, den Größten und den Tollsten bejubeln. Auf der anderen Seite die Hater: Ronaldo geht gar nicht, sein gockelhaftes Auftreten sei unerträglich, sein extravagantes und egozentrisches Verhalten eine Katastrophe für den Fußball. Das wird auch heute beim EM-Finale zwischen Portugal und Frankreich (21 Uhr, Das Erste) nicht anders sein.

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Wahrscheinlich haben beide Gruppen irgendwie recht: Zweifelsohne ist Ronaldo ein Ausnahmekönner am Ball, gemeinsam mit Lionel Messi, der wahrscheinlich beste Spieler des Planeten. Ein unglaublich ehrgeiziger und akribischer Arbeiter, der nichts mehr hasst als die Niederlage. Aber Ronaldo ist auch ein Selbstdarsteller auf dem Platz, der durch seine Posen oft übertreibt. Der schon auch mal seinen Mitspieler zusammenfaltet, der einen Ball noch über die Linie bugsiert, obwohl er selbst das Tor schießen wollte. Keiner darf ihm die Show stehlen, er muss auf dem Platz immer die Nummer eins sein.

Dennoch scheint es gerade bei dieser EM einen kleinen Stimmungsumbruch in der Fußball-Fanszene zu geben. Auch wenn immer noch die meisten Deutschen den Franzosen im Finale die Daumen drücken: Eine immer größer werdende Zahl würde es auch den Portugiesen gönnen. Falsch. Nicht den Portugiesen mit ihrer destruktiven, bisweilen unansehnlichen Spielweise. Einer Person ganz konkret: Cristiano Ronaldo.

Nicht mehr viele Chancen auf einen Titel

Mit seinen 31 Jahren (immerhin fast genauso alt, wie der hierzulande schon als Methusalem verschriene Bastian Schweinsteiger) ist er mittlerweile nicht mehr der Jüngste. Viele Chancen bleiben Ronaldo nicht mehr, seine Karriere mit einem Titel im Nationaldress zu krönen. Mit Manchester United und Real Madrid hat er auf Vereinsebene de facto alles abgeräumt, was es abzuräumen gibt. Mit dem EM-Titel würde er also endgültig zur unsterblichen Legende aufsteigen, was ihm viele aufgrund seiner unfassbaren Karriere natürlich gönnen.

Neben diesem sportlichen Aspekt, sickern in den letzten Wochen und Monaten allerdings immer wieder kleine Anekdoten und Geschichten durch, die den Menschen Ronaldo in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen, als er im ersten Moment auf viele wirkt: Der Portugiese soll privat nämlich ein total netter Bursche sein, überhaupt nicht abgehoben, sondern zuvorkommend und liebevoll. Viele wollen das nicht glauben, aber die Fakten sprechen für ihn.

Für nahezu alle Fans hat er selbst zu unmöglichsten Zeitpunkten die Muse, sich ihnen ausführlich zu widmen und für Selfies zu posieren. Undenkbar, dass Ronaldo einen Autogrammwunsch ausschlägt, auch wenn er sich kurz vor dem Anpfiff bereits auf dem Rasen befindet oder nach einer Niederlage eigentlich nur schnell unter die Dusche möchte. Ein Lächeln für seine Fans, ein Augenzwinkern und ein paar Sekunden Zeit hat er immer übrig - und das nicht aus Kalkül, sondern aus echter, gelebter Nähe zu seinen Anhängern. Nötig hätte er das schon lange nicht mehr.

Arrogant auf dem Platz, nett im wahren Leben

Dieses Verhalten kennt man von vielen seiner Kollegen genau andersherum: auf dem Platz und in TV-Interviews zeigen einige sich als zuvorkommende Strahlemänner, sind allerdings Reporter und TV-Kameras nicht anwesend, werden auch gerne Mal Fans in den Senkel gestellt und forsch abgewiesen. Arrogant im echten Leben, nahbar in der Schauspielrolle im Rampenlicht der Fußballbühne. Ein solches Verhalten wäre Cristiano Ronaldo völlig fremd.

Seit Jahren engagiert er sich überdies auch für benachteiligte, kranke und behinderte Kinder, ohne dies an die große Glocke zu hängen und sich in guter alter PR-Manier dabei ablichten zu lassen. Zuletzt spendete er nebenbei seine komplette Champions-League-Prämie, immerhin 600.000 Euro, für wohltätige Zwecke. Einfach so, ohne Pressemitteilung oder gar Pressekonferenz.

Vor wenigen Tagen traf seine Antwort auf die Frage, warum er denn keine Tattoos tragen würde - wie so viele seiner Kollegen - den Nagel auf den Kopf: Er spende regelmäßig Blut! Wenn er sich tätowieren lassen würde, müsse er dafür eine Pause von vier bis sechs Wochen einlegen und das wolle er nicht. Es fällt bei solch einer Antwort schwer, jemanden immer noch als selbstherrlich zu denunzieren...

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