VIP-Rummel in Cannes: Deutsche Promis feiern mit Hollywoodstars an der Côte d’Azur

Natürlich ist Cannes nicht der Nabel der Welt. Aber man kann durch Zeremonie und Inszenierung einen derartigen Zauber erzeugen, dass jeder, der live Dabeisein darf, doch so ergriffen wird, dass er – wie verzaubert – zum leidenschaftlichen Botschafter wird. Dem 77. Filmfestival an der Cote d’Azur ist das schon mit der Eröffnungsgala gelungen – indem auf der magisch ausgeleuchteten Bühne des Grand Theatre Lumière drei grundverschieden Frauen weinten: drei Schauspielerinnen! Was zur Frage führt: Was ist Wahrheit, was Schein? Was echte Rührung, was gekonntes Spiel? Greta Gerwig weinte gleich über weite Strecken, Juliette Binoche überwältigt und ansteckend, dann – kurz, aber packend – Meryl Streep.
Wow-Auftritt im Lack-Glitzerkleid: Greta Gerwig beim Filmfestival in Cannes
Die französische Moderatorin und Komödiantin Camille Cottin hatte gerade den Geist des Festivals als "humane Parallelwelt" zur aktuellen grausamen Wirklichkeit, als quasi-heiligen Kunstraum beschworen – frech, aber würdig, als die Jury präsentiert wurde – mit Greta Gerwig als Höhepunkt und Präsidentin. Die trat dann sympathisch nervös lächelnd ins Scheinwerferlicht in einem überraschend unemanzipierten Lack-Glitzerkleid, dass mit Monsterausschnitt den Busen nur notdürftig verdeckte. Ein Trailer ihrer Filmkarriere wurde eingeblendet – im Zentrum der Independent-Film "Francis Ha", gedreht von ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach, der Gerwig als tragikomische Frau zeigt, die linkisch nicht weiß, wohin mit ihrem etwas kantigen Körper und ihren Gefühlen.
Das war 2012. Aber jetzt, nach dem möchtegern-emanzipierten Blockbuster und Kinosaison-Sanierer "Barbie", wirkte Gerwig hier auf der Bühne, die nach dem Oscar sicher die prestigeträchtigste für Filmemacher ist, immer noch so fahrig nervös, wie aus einem Woody-Allen-Film. Ihr zu Ehren darf dann noch die Französin Zaho de Sagazan das Themenlied aus "Francis Ha" singen – und Gerwig laufen Minuten lang Tränen der Rührung über die glänzenden Wangen. Und man denkt noch: vielleicht nicht künstlich, sondern leicht hysterisch, typisch amerikanisch.
Unter Tränen gewürdigt: Goldene Ehrenpalme für Meryl Streep
Dann wird Juliette Binoche auf die Bühne gebeten – im pompösen, knall-roten Seidentaft-Abendkleid, das dennoch – nur Schulterfrei – nicht zu dick aufträgt. Neben sie tritt dann eine wunderbare Erscheinung im langen weiß-strahlendem Kleid, eine sanft getönte Brille, die Emotionen dennoch durchschimmern lässt: Meryl Streep, die die goldenen Ehren-Palme bekommt.
Der Saal mit seinen 2300 Galagästen tost in einem nicht endenden Applaus. "Lange Karriere, langer Applaus", kommentiert die Binoche. Sie wird dann mit Pathos, aber würdig Mery Streep beschreiben – als intelligent, was in jeder Rolle durchschimmere, als umwerfend vielseitig und auch bewunderungswürdig, weil noch vier Kinder in diese unvergleichlich lange Karriere gepasst haben.
Da stockt Binoche, muss unterbrechen, weil ihr die Tränen kommen. Und sie wirken echt als Tränen der Bewunderung und Überwältigung. Meryl Streep macht nur eine kleine, empathische Geste, indem sie Binoche kurz beruhigend am Arm berührt – und die Französin fängt sich sofort wieder. Und dann ist es Streep, der bei ihrer Dankesrede kurz die Tränen kommen, als sie erzählt, dass sie vor 35 Jahren das letzte Mal in Cannes war – und damals glaubte, das sei das Ende ihrer Karriere, weil das für Schauspielerinnen mit 40 Jahren damals meist immer so gewesen sei. Und über ihre vielen Filme, die ein Trailer zusammenfasst, erwähnt Streep noch ihre Mutter mit deren Allgemeinplatz, dass die Jahre "so schnell vergehen" würden. Um dann gleich – fishing for compliments – hinzuzufügen: "im Gegensatz zu meiner Dankesrede hier".
Das alles könnte alles kalkuliert und abgeschmackt sein. Ist es aber nicht, wenn der Rahmen der Inszenierung stimmt und die Stimmung den drei Schauspielerinnen auf der nächtlichen Bühne folgen kann.
MeToo-Damoklesschwert hängt über dem 77. Filmfestival in Cannes
Das ganze aber war nur der Auftakt: Denn jetzt schloss sich "Der zweite Akt" an, wie der Eröffnungsfilm von Quentin Dupieux passend hieß. Und passenderweise erzählt die Komödie den Dreh eines Films, ist also eine Reflexion über Realität und Fiktion, übers Filmemachen und Schauspieler sein. Aber was schon zig Mal abgefilmt und erzählt wurde, ist hier durchaus originell: Es wird über routinierte Durchschnittsfilme reflektiert und Lea Sexdoux, Vincent Lindon und Louis Garrel reden auch über die Deformationen durch den Schauspielerberuf, während ihnen Höchstleistungen abverlangt werden. Denn der Film besteht aus 10-minütigen Dialogsequenzen ohne Schnitte. In diesen Marathonszenen verschwimmen dann auch Filmszene und Kollegenunterhaltung – gespickt von Neid, Intrigen und Slapstick. Und witzig eingewoben sind dann noch aktuelle Diskurse über politischen Correctness, die zerstörerische Angst wegen unbedachter Äußerungen gecancelt zu werden, sowie Outing und sexuelle Diversität und die MeToo-Problematik. Die hat Frankreichs Filmwelt verspätet, aber umso härter erwischt: nach Ungeheuerlichkeiten von Festivallieblingen wie Benoit Jacquot, Jacque Doillon oder Gerard Depardieu sind jetzt auch Vorwürfen gegen den Präsidenten des Centre national du cinema aufgekommen.
Das wiederum bringt eine mysteriöse "schwarze Liste" ins Spiel, von der die Tageszeitung "Figaro" wissen will. Zehn Festivalteilnehmer sollen hier mit Vorwürfen wegen sexuellem Missverhalten gelistet sein, was jetzt wie ein Damoklesschwert über dem Festival schwebt, aber von offizieller Seite des Festivals als Zeitungsente abgetan wird.
Und was den Streik von 200 Beschäftigten des Festivalpersonals anbelangt, die gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse als Schattenseite am Ort des Glamours protestieren wollen: Allein 600 Angestellte sind nur für Einlass und Publikumsbetreuung beschäftigt und insgesamt halten rund tausend Beschäftigte das Festival am Laufen. Aber allein ein paar streikende Filmvorführer könnten das Festival komplett lahmlegen. Da aber zerstreut der künstlerische Leiter Thierry Frémaux die Sorgen, nach dem Motto: Solange verhandelt wird, wird nicht geschossen. Er rechnet mit einer Streitbeilegung im Juni – ohne vorherigen Streik. Bis dahin wäre das Festival du Film längst vorbei – und die öffentliche Aufmerksamkeit weitergezogen – über den Grand Prix von Monaco hin Richtung zu Olympia in Paris. Die einzige Veranstaltung, die angeblich mehr mediale Aufmerksamkeit bekommt als Cannes – aber das nur alle vier Jahre.
Auch deutsche Stars feiern auf dem roten Teppich in Cannes
Neben den internationalen Filmgrößen wie Meryl Streep, Greta Gerwig und Juliette Binoche durften sich auch Stars aus Deutschland über einen Auftritt auf dem bekanntesten roten Teppich der Welt freuen. Matthias Schweighöfer erschien mit Freundin Ruby O. Fee, Heidi Klum schwebte in einer roten Traumrobe an den Fotografen vorbei. Welche Promis noch an der Côte d’Azur feierten, sehen Sie oben in der Bilderstrecke.