Victorias Sieg über Schweden

Nach acht Jahren Kampf heiratet die Prinzessin ihren Fitness-Trainer. Das Event ist ein großes Fest – auch für die Anti-Monarchisten
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Daniel Westling und seine Zukünftige, Victoria, Prinzessin von Schweden
dpa Daniel Westling und seine Zukünftige, Victoria, Prinzessin von Schweden

Nach acht Jahren Kampf heiratet die Prinzessin ihren Fitness-Trainer. Das Event ist ein großes Fest – auch für die Anti-Monarchisten

Ob er sich auch auf die Hochzeit freue, wird der kleine Bub vom schwedischen Fernseh-Reporter gefragt. Natürlich, sagt der Kleine. „Ich wundere mich nur, dass wir nicht eingeladen sind. Weil mein Opa hat gesagt, wir zahlen das alles.“ Doch vermutlich wird auch der schwedische Opa sich dem Ereignis nicht entziehen können: Das kleine Land steuert auf sein Ereignis des Jahres hin, wenn man schon bei der Fußball-WM nicht dabei ist. Die künftige Königin, Kronprinzessin Victoria (32) , heiratet am Samstag ihren ehemaligen Fitnesstrainer Daniel (36).

Die Geschichte taugt durchaus zum Prinzessinnen-Märchen: Victoria, von der Last der familiären Pflichten in die Bulimie getrieben, lernt nach ihrer Therapie mit Hilfe eines Personaltrainers ihren Körper wieder lieben. Und den Trainer gleich dazu. Der König lehnt den Muckibudenbesitzer ab. Doch das Paar hält zusammen, auch als er eine neue Niere braucht. Er büffelt englisch und höfische Etikette und jetzt, nach acht Jahren, wird ihre Liebe besiegelt. Aus dem Fitnesstrainer von Ockelbo wird der Prinz von Schweden und Herzog von Västergötland.

Der Tourismus und die Ramschverkäufer erhoffen sich von der Hochzeit große Umsätze. Vor Wochen jammerten Bahn und Busunternehmen , dass die Sonderzüge aus der Provinz nach Stockholm nicht voll würden. Doch das Fieber zog die letzten Tage doch noch an. Stockholm ist zugepappt mit Plakaten, Victoria und Daniel lächeln von Briefmarken, Tassen, Tabletts und Torten. Zwei Millionen Euro kostet die Hochzeit insgesamt – die Hälfte davon übernimmt der Steuerzahler.

Die Hochzeit ist ein Super-Event, auch für die Gegner der Monarchie. Die Republikanische Vereinigung, die für die Abschaffung der Monarchie ist, hat ihre Mitgliederzahl seit der Verlobung Victorias verdoppelt. Die Zeitung „Aftonbladet“ nennt Daniel einen „Dorfsportler“ und sinniert darüber, ob vor der Hochzeit seine Zeugungsfähigkeit wohl getestet worden sei. Das linke Magazin „Re:public“ nennt König Carl Gustaf den „größten Sozialhilfeempfänger des Landes.“ Der Kulturjournalist Per Svensson fordert, das Königshaus solle nun endlich privatisiert und formal das werden, was es jetzt schon sei: „Ein Familienunternehmen in der Unterhaltungsbranche“. Doch die Gegner der Monarchie haben ein kleines Problem: Sie mögen Victoria eigentlich, genau wie sie deren Mutter Silvia mögen. Und trotz aller Kritik ist die Mehrheit der Schweden immer noch für die Monarchie.

Victoria ist nicht kapriziös, sondern charmant. Sie ist für eine Prinzessin reichlich bodenständig, vielleicht sogar ein bisschen bieder. Sie ist so emanzipiert, wie man es als Kronprinzessin sein kann. So musste sie laut Verfassung die Zustimmung ihrer Vaters zum Bräutigam einholen. Gleichzeitig hat sie angekündigt, dass ihr Daniel, wenn er Prinzgemahl sein wird, nicht wie Englands Philip oder einst Hollands Claus drei Schritte hinter ihr gehen wird, sondern neben ihr. „Junge Schwedinnen identifizieren sich durchaus mit ihr“, meint Norbert Loh, Münchner Adelsexperte.

Fast zur Staatsaffäre geriet der Gang zum Altar: Victoria wollte sich von ihrem Vater führen lassen. Im gleichberechtigten Schweden ist das aber längst nicht mehr üblich: Hochrangige Vertreter der Protestantischen Kirche wehrten sich dagegen, dass eine moderne Frau wie Victoria sich von ihrem Vater bei Daniel „abliefern“ lassen möchte. Drei Tage vor der Hochzeit hat sich Victoria jetzt die salomonische Lösung einfallen lassen: der König bringt sie bis zur Mitte, danach schreitet sie an Daniels Seite. So sei es.

Das schwedische Fernsehen sendet bereits seit Montag täglich live Hochzeits-TV. Die Frage nach dem Brautkleid, ist da eine wesentliche. Paparazzi schießen Menschen ab, die Kleidersäcke zum Schloss bringen. Made in Sweden wird es wohl sein, etwas spießig, befürchten Kritiker.

Angesagt haben sich auch rund 700 Journalisten aus dem Ausland. Die meisten kommen aus Deutschland, gefolgt von Norwegen. Das ZDF überträgt alleine am Nachmittag viereinhalb Stunden aus Schweden. „Für die Deutschen ist das Zeit zum Träumen“, erklärt Adelsexperte Loh das Interesse.

Reines Frauenprogramm ist das, doch zu allzu großen Konflikten mit den Männern wird es wohl nicht kommen. Top-Spiele sind am Samstag nicht geboten. Einer aber ärgert sich schon: Kronprinz Frederik von Dänemark. Die Dänen haben um 20.30 Uhr Anpfiff gegen Kamerun, doch exakt da beginnt das Festbankett der Hochzeit. Absagen wäre für Frederik unmöglich. So hat er einen Kellner in Stellung gebracht: Er bringt ihm unauffällig einen kleinen Zettel, wenn etwas passiert ist.

Tina Angerer

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