Uschi Glas wird 70: Einmal Schätzchen, immer Schätzchen
München – Uschi Nazionale - das Schätzchen der Nation. Es sind immer die gleichen Bilder, die sich im Kopf festgesetzt haben. Große braune Augen, ein energisches Kinn und ein herzhafter Blick, der sagt: Bis hier hin und nicht weiter! Als ob das so einfach wäre.
"Die Uschi Glas Geschenk Edition" mit 15 DVDs gibt es hier
Wer "Uschi Glas" sagt, denkt automatisch an das süßeste Stück Nostalgie der bundesrepublikanischen 60er-Jahre. Ein dunkler Wuschelkopf, frech, raffiniert und doch so unschuldig, diese "Barbara", die sich in einem Münchner Polizeirevier Stück für Stück entblättert, aber nicht ganz, nein, das nicht. Die weiße Korsage bleibt oben. Wie ein eisernes Prinzip. Bis hier hin und nicht weiter.
Die Szene aus "Zur Sache Schätzchen" ist die wohl bekannteste des jungen deutschen Films. Sie hat aus der Jungschauspielerin Uschi Glas eine Institution gemacht. Das war 1968. Man mag es kaum glauben, dass sie heute 70 Jahre alt wird.
Dieses "charmante Standbild deutscher Verlässlichkeit" ("Westdeutsche Zeitung") ist seinen Prinzipien stets treu geblieben. Eine burschikose, aber disziplinierte, korrekte und couragierte Frau, die nie weint. Ein perfektes Idol. Und erst in zweiter Linie ein Kino- und TV-Star.
Helga Ursula Glas, so ihr richtiger Name, bekam ihre Bodenhaftigkeit in die Wiege gelegt. Sie stammt aus Landau an der Isar im ländlichen Niederbayern, das jüngste von vier Geschwistern. Der Vater Christian arbeitete beim Autohersteller Glas (nicht verwandt oder verschwägert). Nach dem Realschulabschluss und einer Ausbildung als Buchhalterin ging die Uschi als 20-Jährige nach München und arbeitete als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei, später in einem Fuhrunternehmen. 640 Mark im Monat in einer damals schon verdammt teuren Stadt. "Da lernt man haushalten und wie man über die Runden kommt", sagte sie in einem Interview mit dem ZDF-Wirtschaftsmagazin "wiso".
Natürlich hatte die Uschi Träume, wie Tausende junger hübscher Mädchen. Und da zeigte sie die Beharrlichkeit, die sie von den anderen unterschied. Uschi knüpfte Kontakte zur Filmwirtschaft, lernte den Produzenten Horst Wendtlandt kennen - und hatte Erfolg. Nach einem kleineren Auftritt in "Der unheimliche Mönch" (1965) vermittelte ihr die Produktionsgesellschaft Schauspielunterricht bei Annemarie Hanschke, und Uschi ergatterte ihre erste Kinohauptrolle in dem Karl-May-Film "Winnetou und das Halbblut Apanatschi".
1968 kam der große Durchbruch mit May Spils Kultfilm "Zur Sache Schätzchen", eine Hommage an das Schwabinger Lotterleben. Uschi spielte die herzige Barbara an der Seite des trägen Lebenskünstlers Martin, den der wunderbare Werner Enke kongenial verkörperte. Sein Motto: "Zur Sache, Schätzchen / mach' keine Mätzchen / komm' ins Bettchen / rauchen wir noch'n Zigarettchen." Und er kreierte jene Redensart, die danach halb Deutschland nachstammelte: "Es wird böse enden."
Nicht für Uschi, die über Nacht zum Star wird. Es folgen zahlreiche Filme und TV-Serien für Uschi Nazionale. Zahllos auch die Auszeichnungen und Ehrungen: Bambis, Filmpreise, Bundesverdienstkreuz, bayerische und österreichische Orden.
Und sie nutzt ihren phänomenalen Bekanntheitsgrad: Uschi singt Schlager ("Wenn dein Herz brennt", 1970, produziert von Giorgio Moroder) und "die schönsten Weihnachtslieder" (2002). Sie engagiert sich in der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung und für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei. Sie gründet den Verein brotZeit e.V., der Schulfrühstücke für Kinder sponsert.
Dennoch geht einem Enkes blöder Spruch "Es wird böse enden" nicht aus dem Ohr. Na ja, auch für die sonnige Uschi kommen bittere Tage. Erst mal eckt die süße Kult-Figur der 68er-Generation mächtig an mit ihrem Glaubensbekenntnis für Franz-Josef Strauß und seiner stockkonservativen Politik. Später wird ihre 10.000 Mark-Spende an Helmut Kohl, der im Jahr 2000 tief in der Schwarzgeldaffäre der CDU steckt, vehement kritisiert. Und der Rechtsstreit um ihre Hautcreme, die Uschi Glas über den Homeshoppingsender HSE24 vermarktet und die bei der Stiftung Warentest böse durchfällt, macht ihr auch nicht mehr Freunde.
Am schlimmsten trifft das "Schätzchen" das Ehe-Aus mit dem Münchner Filmproduzenten Bernd Tewaag, mit dem sie drei Kinder hat. Uschi, die auch als Ehefrau ohne Allüren und Skandale eine perfekte Rolle spielt, muss 2002 aus der Presse erfahren, dass ihr Mann eine Geliebte hat, mit der er bei einem innigen Spaziergang fotografiert wird. Empört sprudelt es in einem Interview auf gut bayrisch aus ihr heraus: "Ich steh' doch nicht daheim wie ein Möbelstück rum, und er geht abends schnackseln." Die Trennung sei "die härteste Prüfung meines Lebens" gewesen, sagt sie später.
Auch die Schwierigkeiten ihres Problemsohnes Benjamin Tewaag (37), der mit seinen Exzessen Schlagzeilen macht und wegen Schlägereien sogar ins Gefängnis muss, bereiten Uschi Nazionale große Sorgen.
Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. 2005 heiratet Uschi Glas den Unternehmensberater Dieter Hermann, ein spätes zweites Glück, das ihr mädchenhaft ins Gesicht geschrieben steht: "Unsere Beziehung wächst und wächst, und wir ranken uns aneinander hoch. Das ist etwas sehr Besonderes", erzählt sie der "Bild am Sonntag". Und der "Bunte" sagte sie: "Dieter und ich haben uns in all den Jahren noch nie gestritten. Wir stimmen komplett darin überein, wie wir die Welt sehen, welche Werte uns wichtig sind und wie man mit seinen Mitmenschen umgeht."
Natürlich kann so etwas nicht böse enden. Ihre Kinder haben nach dem Vorbild der Mutter ihren Platz im Leben gefunden: Alexander (32) ist Jurist, Tochter Julia (27) hat Biologie, Business und Management studiert und sitzt über ihrer Doktorarbeit. Und auch das Sorgenkind Benjamin dürfte aus dem Gröbsten raus sein. Er hat seine Knast- und Krisenzeit in einem Roman verarbeitet.
Das Schätzchen der Nation, das heute im Kreis der Familie den 70. Geburtstag feiert und "damit hat sich's", zeigte vor wenigen Monaten noch mal in alter Manier Herz und Mut und definierte sich als Schauspielerin neu und abseits ihres üblichen Rollenspiels. In "Fack ju Göhte", dem abgefahrenen und erfolgreichsten Kinofilm von 2013, tritt Uschi in einer Gastrolle als suizidgefährdete Burnout-Lehrerin auf - und zeigt ihrem Publikum schon mal den Mittelfinger. Auch dafür lieben wir sie.