Uschi Glas: „Ich denke jeden Tag an den Tod“
Im AZ-Interview spricht Uschi Glas über ihre Kindheit in Armut, Ohrfeigen ihres Vaters, was hinter ihrem Wohltätigkeitsprojekt „Brotzeit“ steckt – und warum sie nichts gegen Leiden hat
AZ: Frau Glas, ungewöhnlich: Freitag sehen wir Sie in einer Episodenrolle in der ZDF-Reihe „Ein Fall für zwei“...
USCHI GLAS: Ich glaube, oft werde ich für so was gar nicht angefragt. Die Verantwortlichen denken wohl: Bloß so eine Gastrolle, das macht die nie! Aber ich gucke gerne „Ein Fall für zwei“. Ich finde es irre, dass die Reihe seit fast 30 Jahren zuverlässig gut läuft.
Wie entwickelt sich denn generell das Rollenangebot für Sie? Kolleginnen in Ihrem Alter sagen häufig, es werde immer schwieriger.
Also in diesem Jahr drehe ich noch eine Fortsetzung von „Wieder daheim“ und außerdem noch zwei weitere Filme. Ich klage nicht über Unterbeschäftigung. Andererseits hab ich auch so genug zu tun. Ich habe jetzt gerade mein eigenes Wohltätigkeitsprojekt auf die Beine gestellt.
Erzählen Sie darüber.
Das Projekt heißt „Brotzeit“. Der Auslöser war, als ich im Autoradio einen Bericht darüber hörte, dass es in dieser reichen Stadt München enormen Hunger gibt. Ich habe dann alle Grundschulen angeschrieben, um zu recherchieren, wie groß die Not wirklich ist. Tatsächlich sagten Schulleiter: „Ja, wir haben ein Hungerproblem.“ Davon sind bis zu 30 Prozent der Kinder an Münchner Schulen betroffen.
Und was genau tun Sie nun in dem Projekt?
Wir haben zu allererst eine so genannte „Brotzeit-Notfall-Box“ zusammengestellt – mit Knäckebrot, Zwieback, Butterkekse, Müsliriegeln und Milchprodukten. Damit haben wir in vier Schulen angefangen. Jede Klasse hat so eine Box bekommen. Und dann haben wir gefragt: Was können wir noch tun? An einer Schule in einem sozialen Brennpunkt Münchens geben wir heute täglich bis zu 70 Frühstücke aus.
Bislang waren Sie dafür bekannt, dass Sie häufig in Sterbehäuser gehen...
Ich bin nach wie vor Schirmherrin der Deutschen Hospiz-Stiftung, und mit der Hospiz-Idee sind wir mittlerweile schon ein großes Stück weitergekommen – auch, wenn es immer noch ganz viele Menschen gibt, die sich mit dem Gedanken des Sterbens nicht auseinandersetzen.
Was macht das mit einem selber, wenn man ständig mit Menschen zu tun hat, von denen man weiß, dass sie – wie Sie es formulieren – bald Adieu sagen werden?
Mein eigenes Leben ist durch die Arbeit mit Sterbenden wertvoller geworden. Ich verplempere keine Zeit mehr, weil ich weiß, wie wertvoll sie ist. Ich weiß durch diese Arbeit ganz genau: Die Uhr tickt. Ich denke jeden Tag wenigstens einmal an den Tod.
Was sind das für Gedanken?
Keine erschreckenden. Irgendwie kommt mir das ganz vertraut vor. Ich hatte das als junges Mädchen schon. Das Bewusstsein, dass das Leben endlich ist. Deshalb: Jedes Mal, wenn ich etwas genieße, zum Beispiel einen schönen Frühlingstag, dann mache ich mir bewusst, dass das was ganz Besonderes ist.
Wie haben Sie denn das Sterben Ihrer Mutter erlebt?
Lassen Sie es mich so erklären: Mein Vater hatte Lungenkrebs, er ist regelrecht zum Sterben gegangen. Er konnte Abschied nehmen von uns. Bei meiner Mutter war es völlig anders. Meine Mutter ist einfach gestorben. Das war furchtbar. Ich möchte lieber leiden, als plötzlich aus dem Leben gerissen zu werden.
Was für eine Beziehung hatten Sie zu Ihrem Vater?
Na ja, ich gehöre halt zu den Alt-68ern. Als ich jung war, hab ich’s richtig krachen lassen, und dann gab’s natürlich auch wahnsinnig viel Krach zu Hause. Und harte Diskussionen: Wie konnte es überhaupt sein, dass es so was wie das Dritte Reich gab? All das habe ich damals natürlich ganz brutal verurteilt. Meine Eltern und meine Lehrer hatten es nicht gerade leicht mit mir. Irgendwann, viel zu spät, habe ich mit meinem Vater dann Frieden geschlossen.
Wie hat Ihr Vater Sie denn erzogen?
Es war eine sehr strenge Erziehung, in der es auch häufig Ohrfeigen gab. Mein Vater war einfach überfordert. Er kam aus dem Krieg, er konnte einfach nicht anders.
Ist Ihnen als Mutter jemals die Hand ausgerutscht?
Ich habe meinen Kindern nie eine Ohrfeige gegeben. Höchstens mal so einen Klaps, um zu signalisieren: Jetzt reicht's!
Dass Ihr Vater so überfordert war...
...lag ganz einfach daran, dass wir sehr ärmliche Verhältnisse hatten. Wir waren keine Flüchtlinge, ich bin in Niederbayern aufgewachsen. In der damaligen Zeit in Niederbayern evangelisch zu sein – da warst du der absolute Außenseiter.
Interview: Torsten Schuster
Die heute 65-Jährige wuchs als jüngstes von vier Geschwistern auf. Mit „Zur Sache, Schätzchen“ gelingt ihr 1968 der Durchbruch.
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