Urteil im Prozess gegen Jérôme Boateng: Noch höhere Strafe für Fußball-Profi

Er wollte um jeden Preis gewinnen – wie auf dem Fußballfeld. Doch Jérôme Boateng (34) hat das Münchner Strafjustizzentrum am Mittwoch als Verlierer verlassen.
Jérôme Boateng: Noch härter bestraft als vor einem Jahr vom Amtsgericht
Der Profi, Weltmeister von 2014 und viele Jahre Verteidiger für den FC Bayern, kassierte in der Berufungsverhandlung vor dem Münchner Landgericht wegen Körperverletzung eine haushohe Niederlage.

Mit drei Anwälten hatte er alles auf eine Karte gesetzt: Freispruch von dem Vorwurf, seine Ex-Lebensgefährtin und Mutter seiner Zwillinge (11) im Karibik-Urlaub 2018 geschlagen, bespuckt und beleidigt zu haben.
Doch am Ende der Berufungsverhandlung wird er noch härter bestraft als vor einem Jahr vom Amtsgericht. Wird das Urteil rechtskräftig, ist er vorbestraft.
Mit hängenden Schultern, abgeschirmt von seinen Anwälten steigt er am Abend nach dem Urteil wortlos in einen Van mit abgedunkelten Scheiben und fährt davon.
Boateng wollte unbedingt eine neue Beweisaufnahme
Drei Tage hat der Prozess gedauert, Zeugen und Gutachter wurden gehört, seine Ex-Freundin und Mutter der gemeinsamen Zwillinge schilderte noch einmal alles, wie sie den letzten Abend des gemeinsamen Urlaubs mit Boateng, Freunden und den Kindern erlebt hatte. Wie er einen Kerzenleuchter und eine Kühltasche mit vollen Dosen nach ihr geworfen, sie an den Haaren gezerrt, sie ins Gesicht geschlagen, in die Seite geboxt und mit blutigem Speichel bespuckt habe.
Vor zwei Wochen, am Anfang des Prozesses, hatte der Vorsitzende Richter Andreas Forstner Boateng angeboten, das Verfahren abzukürzen und nur über die Höhe der Strafe zu verhandeln. Alles wäre ganz schnell gegangen, der Prozess am selben Tag beendet gewesen. Das hätte allerdings bedeutet, dass Boateng die Körperverletzung eingestanden hätte.
Der Richter wies ihn auch darauf hin, dass eine neue Beweisaufnahme für ihn auch schlechter ausgehen könne. Doch Boateng lehnte ab, wollte eine neue Beweisaufnahme, mit Zeugen, Gutachtern, vielen Beweisanträgen.
Der angeklagte Fußballer äußerte sich selbst nicht, ließ seine drei Anwälte für sich kämpfen. Außerdem saß eine Familienanwältin neben seinen Verteidigern, die ihn sonst bei Streitigkeiten um die Kinder vertritt – die Zwillinge leben schon seit mehreren Jahren bei ihm.
Staatsanwältin: "Anwälte haben Dreck über die Geschädigte geworfen"
Immer wieder versuchten die Anwälte, die Zeugin als Lügnerin darzustellen, stellten rund 15 Beweisanträge, wollten gerichtliche Auseinandersetzungen um die Kinder mit in das Verfahren einbeziehen, unterstellten der Ex-Freundin, dass sie Boateng nur schaden wolle. Am Mittwoch lehnten die Verteidiger schließlich noch den Vorsitzenden Richter wegen Befangenheit ab.
Ihre Strategie hatte keinen Erfolg. Staatsanwältin Eckert und Richter Forstner bremsten die Anwälte immer wieder aus – um zu verhindern, dass der Prozess zur Schlammschlacht zwischen Boateng und der Mutter seiner Kinder wird. In ihrem Plädoyer am Ende des Tages kritisierte die Staatsanwältin nichtsdestotrotz: Boatengs Anwälte hätten im Verfahren "Dreck über die Geschädigte geworfen".
Jérôme Boateng erneut verurteilt: Er muss 1,2 Millionen Euro zahlen
Die Mutter seiner Kinder "so durch den Dreck zu ziehen“, sei aus ihrer Sicht "kein zulässiges Verteidigungsverhalten mehr" und müsse bei einer Strafzumessung für Boateng berücksichtigt werden. Die Anwältin der Zwillingsmutter sagte in ihrem Plädoyer, die Verhandlung sei wie ein Kampf "David gegen Goliath" gewesen.

In seiner Urteilsbegründung betonte Richter Forstner, dass die Kammer keinerlei Zweifel daran habe, dass sich die Tat so abgespielt habe, wie sie angeklagt war. Es habe nicht nur Zeugenaussagen gegeben, sondern auch Fotos, Befunde, Gutachten.
Anwältin der Geschädigten: "Ein großer Tag für Opfer häuslicher Gewalt"
Das Landgericht verurteilte Boateng wegen zwei Fällen von Körperverletzung und Beleidigung. Als Geldauflage muss Boateng 120 Tagessätze à 10.000 Euro zahlen. Das ist zwar weniger als im vorigen – da waren es noch 1,8 Millionen Euro (60 Tagessätze).
Entscheidend ist aber die Anzahl der Tagessätze. Bei mehr als 90 Tagessätzen gilt man als vorbestraft. Zudem ging das Gericht von zwei Taten aus, anders als das Amtsgericht, das nur wegen einer Tat verurteilte. Die Anwältin der Geschädigten sagte nach dem Urteil draußen vor dem Gerichtsgebäude: "Das war ein großer Tag für Opfer häuslicher Gewalt."
Ermittlungen gegen Bodyguards
Die Staatsanwaltschaft München I hat Objekte der Sicherheitsfirma durchsucht, die Jérôme Boateng engagiert hatte. Während im Gericht die Verhandlung lief, wurde am Mittwoch der Kleintransporter, mit dem er gekommen war, durchsucht.
Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Boateng, betonte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Anne Leiding, sondern gegen vier Mitarbeiter des von ihm beauftragten Security-Dienstes. Auch in Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg seien Objekte durchsucht worden.
Hintergrund ist ein Zwischenfall mit dem Sicherheitsdienst am zweiten Prozesstag. Eine Zeugin hatte in dem Verfahren angegeben, sie sei beim Hineingehen ins Gerichtsgebäude gefilmt worden und fühle sich bedroht.