Udo Jürgens: "Bin kein Aufreißer"

Sein erstes Mal erlebt er jetzt mit 73: Udo Jürgens schaffte es mit seinem neuen Album "Einfach ich" direkt in die Charts - von 0 auf Platz 9! Die AZ traf sich mit Deutschlands größtem Star im München-Büro von Sony.
Zwischen Goldenen Schallplatten und Mozzarella-Spießen thront der Wahl-Züricher. Statt Bademantel trägt er ein sportlich-schickes Outfit (Jeans, Jackett), ist braun gebrannt und völlig entspannt. Kein Wunder: Sein Leben ist ein einziger Hit. . .
AZ: Herr Jürgens - warum nur, warum?
UDO JÜRGENS: Das frage ich mich auch. Im Herbst meiner musikalischen und vielleicht auch wirklichen Jahre ist es für mich ein Adelsschlag, dass ich mit dem Album zwischen wildester Rap-Musik noch an der Spitze mitmischen darf. Das hat es seit 100 Jahren nicht gegeben, dass jemand so lange singt wie ich. Der Erfolg hat nichts damit zu tun, dass ich besonders toll bin. Es ist sicherlich Glück. Außerdem habe ich die Veränderungen in der Jugendbewegung - gerade in den 60ern - verstanden. Der Beruf neigt dazu, oberflächlich zu werden. Ich gab mir Mühe, das nicht zu werden. Wenn es ein Geheimnis gibt, dann ist es Glaubwürdigkeit.
Mit 66 Jahren. . .
. . . wusste ich, dass ein Mann die Frauen nie verstehen wird. Ich habe die Liebe wirklich erlebt - sehr oft und immer wieder mit großer Begeisterung und Hingabe. Trotzdem bin ich immer gescheitert. Meine Beziehung zu meinem Klavier war wesentlich dauerhafter als meine Ehen.
Liebe ohne Leiden?
Das gibt es leider nicht. Nur den Wunsch danach. Ich war zwei Mal verheiratet - und bereue keine Minute. Es war eine tolle Zeit, die mir herrliche Kinder geschenkt hat. Aber es musste auch so sein, dass ich diese Menschen jetzt nicht mehr um mich habe. Zu hadern macht überhaupt nie einen Sinn. In meinem Alter ist man nicht mehr so das begehrte Ziel der Sehnsüchte. Eher in den jungen Jahren. Aber es ist, wie es ist. Die Traumfrau, die einen gerade verlässt, gilt es zu beweinen. Aber man muss auch die Hoffnung haben, wieder eine Traumfrau zu treffen.
Griechischer Wein?
Ich gebe es zu - ich mag ihn nicht. Ich trinke lieber italienischen, spanischen und österreichischen Wein. Generell gehe ich gerne aus. Ich koche nie, deshalb gehe ich wirklich jeden Abend im Jahr mit Freunden aus. Auch wenn ich daheim in Zürich bin. Momentan tun mir die Eckkneipen und Bierzelte leid. Die Einmischung des Staates mit dem Rauchverbot ist moralisch nicht vertretbar. Wozu? Wir dürfen uns nicht so viel gefallen lassen, sind brave, angepasste Herdentiere geworden. Da schlummert in mir ein kleiner Revoluzzer. Am Schluss schreibt uns der Staat noch vor, wie wir zu leben haben.
Aber bitte mit Sahne?
Da ich immer in unterschiedlichen Restaurants bin, ernähre ich mich vernünftig. Ich bin ein deftiger Esser und ein Genießer. Ich liebe die einfache Küche. Mit der Zeit habe ich mir angewöhnt, überschaubare Portionen zu essen. Auch ich würde sonst eine Wampe kriegen und das will ich nicht. Der Eitelkeit und der Gesundheit wegen.
Immer wieder geht die Sonne auf. . .
. . . und mit ihr schwimme ich täglich 500 Meter in meinem Pool. So starte ich in den Tag. Sonst mache ich zu wenig Sport. Manchmal, aber ungern Gymnastik mit einer Lehrerin. Yoga habe ich probiert, aber diese Verrenkungen fallen mir schwer.
Einfach ich?
Ich bin nicht sehr kompliziert, habe mich kaum verändert. Ich bin ein verlässlicher Freund. Das Leben im Showbusiness hat mich ein bisschen durcheinander gebeutelt. Meine Macken verrät mir nur niemand.
Ich war noch niemals in New York?
Mittlerweile schon 40 Mal. Kulturell ist New York unverzichtbar. München ist allerdings fast wie meine Heimat. Ich bin sehr früh hergekommen, habe in Schwabing in einer Studentenbude gelebt. Eine winzige WG mit einem Musiker-Freund. Gerd Käfer war nicht in der Clique, hat zeitweise aber auch bei uns gewohnt. Die Bude war immer voll. Für mich ist München die Stadt meiner Jugend, ich habe hier alles erlebt: Enttäuschungen, Glück, Liebe, Hochzeit. Die wirklichen Liebesdramen spielten sich alle hier ab. Schwabing war das Zentrum der lustigen Begebenheiten - und der Straßenschlachten der 68er. Es waren wilde Zeiten voller Leidenschaft.
17 Jahr, blondes Haar?
Genau das war München. Damals wie heute habe ich den Eindruck, dass es einfach mehr Blondinen gibt. Deutschland ist das Land der blonden Frauen. Der Liebreiz, der vom einem 17-jährigen, blonden Mädchen mit einer Bomben-Figur und einem Lächeln im Gesicht ausgeht - ja, diese Faszination ist natürlich noch da. Wer das nicht zugibt, lügt.
Völlig vernetzt?
Die Zeiten haben sich geändert. Eines ist geblieben: Früher wie heute habe ich noch nie eine Frau angesprochen. Das glaubt mir zwar niemand, aber ich bin sehr zurückhaltend. Ich bin kein Aufreißer! In den 70er Jahren wurden wir Männer ständig aufgerissen. Diese Aggression der Frauen von damals, das direkte Anquatschen, gibt es heute nicht mehr. Das finde ich gut. Das erste Signal geht immer von der Frau aus - mit einem Blick, einem Lächeln. Dann lächle ich und proste ihr zu. Wenn die Frau immer noch lächelt, kommt es zum Gespräch.
Ich weiß, was ich will. . .
. . .die Gesamtheit der Frau muss stimmen. Sie muss nicht blond sein, aber ein Lächeln haben. Humor und eine gewisse Intelligenz. Über eine dritte Ehe denke ich aber nicht nach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nochmal passiert. Ich bin mit meinem Leben sehr zufrieden, so wie es im Moment ist.
Vielen Dank für die Blumen?
Zeit ist Luxus. Nicht, weil Zeit Geld ist - dieser Spruch ist furchtbar. Sondern weil Zeit begrenzt ist. Besonders in meinem Alter. Durch meine Sanduhr fließt jetzt nicht mehr Sand, sondern Platin.