TV-Star Anke Engelke erzürnt mit neuem Kinderbuch Bauern: "Fern jeglicher Realität"

Die Moderatorin und Komödiantin Anke Engelke hat ein neues Buch für Kinder geschrieben. Die Geschichte spaltet die Gemüter.
von  Alexander Spöri
Anke Engelke ist nicht nur als Moderatorin tätig, sondern schreibt auch Bücher für Kinder.
Anke Engelke ist nicht nur als Moderatorin tätig, sondern schreibt auch Bücher für Kinder. © dpa

München – Bauern sind empört, Tierschützer begeistert und Leser des Kinderbuches "Die neue Häschenschule" von Anke Engelke gespalten. Mit ihrem neuen Werk wirbelt die TV-Moderatorin Staub auf. Sie interpretiert einen 100 Jahre alten Kinderbuch-Klassiker neu. Es ist ein Versuch, eine altbekannte Geschichte zu modernisieren.

Die Erzählung, auf der ihr Buch basiert, ist simpel: In der 1924 von Albert Sixtus geschriebenen Version geht es um zwei Hasen, die sich auf in die Schule machen. Dort erwartet sie ein alter Lehrer, der ihnen alles beibringt, was sie wissen müssen: Pflanzenkunde, Gartenarbeit und dass sie vor dem gefährlichen Fuchs achtgeben müssen.

Doch Engelke meint, die alte Ausgabe sei "überholt" und "altbacken", erklärt sie in einem Video auf Youtube. "Wir leben in Zeiten, in denen Zugewandtheit, Diversität, Offenheit, Humor und Respekt wichtig ist", so die TV-Moderatorin. Deshalb habe sie es gewagt, die Geschichte zu "pimpen".

Landwirte als Feindbild? TV-Moderatorin Anke Engelke modernisiert altes Kinderbuch

In der Neuauflage wird der einst bedrohliche Fuchs nun zum Freund der Hasen. Keine Gefahr geht mehr von ihm aus - der Fleischfresser lebt vegan und tritt lieblich auf. Stattdessen steht eine neue Bedrohung im Zentrum: Bauern, Mähdrescher und Pestizide. Auch die Aufmachung ist neu: "Gefahr Mensch" steht in einem Schaubild geschrieben, in der Illustration taucht ein Bauer mit Mistgabel auf.

Den Lehrer gibt es auch in der neuen Häschenschule noch, er lehrt allerdings, wo die Tiere essen dürfen und wo sie "Gift zu spüren" bekommen. Am Ende des Buches häckselt der Bauer mit dem Mähdrescher ein reifes Feld, entkommen können die dort spielenden Hasen nur durch die Hilfe des Fuchses.

Anke Engelke hat dieses 100 Jahre alte Kinderbuch von Albert Sixtus neu interpretiert.
Anke Engelke hat dieses 100 Jahre alte Kinderbuch von Albert Sixtus neu interpretiert. © Imago

Im Internet sorgt die neue Fassung für Diskussionsbedarf, wie das "Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt" berichtete. Doch nicht nur dort gehen die Meinungen auseinander. Enttäuscht von der Darstellung ist auch der Landwirt Christian Kergaßner aus der kleinen unterfränkischen Gemeinde Unsleben. "Ich finde es schade, welches Bild durch dieses Buch bei Kindern verfestigt wird", sagt er zur AZ. Ihm zufolge werden die Landwirte darin als "Umweltvernichter" dargestellt – eine Überspitzung, die für Kergaßner nicht mehr der Realität entspricht.

Bauer empört sich über Darstellungen im Buch – Landesbäuerin schließt sich an

"Ich fahr' seit 25 Jahren Mähdrescher, ich liebe es und deshalb bin ich Landwirt geworden", sagt der Bauer. Dabei ginge es immer darum, mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten. "Ich habe jahrelang keine Tiere mehr überfahren und oft erkennt man sie, wenn sich im Getreide etwas bewegt." Auch Hasen "hoppeln wieder raus, wenn man vorsichtig fährt", meint Kergaßner.

Bereits vor dem Mähen der Wiesen prüfen Landwirte regelmäßig, ob sich dort Tiere aufhalten. Kergaßner steht dafür auch in Kontakt mit einem Jäger. Der suche dann mit einem Hund das Gebiet ab, manche Vereine von Naturschützern bieten laut dem Landwirt inzwischen auch Drohnen mit Wärmebildkameras dafür an.

Auch den Schaubildern mit angeblich giftigen, reifen Feldern kann der Landwirt aus Franken wenig abgewinnen. "In einem solchen Feld können sich Tiere problemlos bewegen. Das ist in Deutschland nicht giftig", so Kergaßner. "Gerade, wenn wir mal überlegen, wie reguliert die Landwirtschaft in Deutschland ist, dann kann ich diese Darstellung nicht nachvollziehen."

Problematisch findet der Bauer die "Vermenschlichung" von Tieren. Auch Waschbären, die teilweise Krankheiten einschleppen, sehen ähnlich "süß" wie die Hasen aus. "Doch meinem Nachbarn fehlen halt dann Hühner, wenn die sich hier umtreiben." Verniedlichend wie Kergaßner findet das Kinderbuch auch die Landwirtin Christine Singer aus Garmisch-Partenkirchen. "Ein veganer Fuchs? Wo gibt es denn so etwas? Das ist fern jeglicher Realität", sagt die Landesbäuerin des Bayerischen Bauernverbands zur AZ. "Der Fuchs ist ein Raubtier und ein Fleischfresser."

"Zauberhaft": Tierrechtsorganisation Peta empfiehlt Buch von Anke Engelke allen Eltern und Kindern 

Im Gegensatz zur Landesbäuerin hält die Tierrechtsorganisation Peta das Kinderbuch für "zauberhaft". Im Rahmen der Kampagne "Peta Kids" würden die Tierschützer das Buch sogar "ausdrücklich" allen Eltern und Kindern für einen respektvollen Umgang mit Tieren und der Umwelt empfehlen, sagt Peta-Campaignerin Mareike Homann zur AZ. "Mit ihrem Buch hat Anke Engelke ein wichtiges Zeichen für den Tierschutz gesetzt und eine lange notwendige Debatte angestoßen."

Das "liebevoll" gestaltete Buch ziele ihr zufolge darauf ab, keine Berufsgruppen zu diffamieren, sondern allen Lebewesen eine Stimme zu geben und Menschen als Gefahr für Tiere darzustellen. Dass Rehkitze oder "Häschen" von Mähdreschern getötet werden, sei schließlich "traurige Realität". "Wie wir Tiere und ihre Lebensräume schützen können und angemessen auf die Klimakatastrophe reagieren, sollte im Fokus dieser Debatte stehen – und nicht das Ego einzelner Personen, die sich durch ein Kinderbuch angegriffen fühlen", meint Homann. Die Geschichte könne eine Chance sein und nachfolgende Generationen motivieren, Landwirtschaft "neu zu denken".

Kergaßner weist darauf hin, dass man sich in diesem Prozess längst befinde  – durch viele Tierschutz-Maßnahmen. Letztlich bleibt für ihn und auch für Landesbäuerin Singer deshalb nur eine polarisierende Geschichte. Statt über ein "spaltendes" Buch hätten sich beide über eine Erzählung gefreut, die mit Vorurteilen aufräumt. Auf AZ-Anfrage wollte der Thienemann-Esslinger Verlag keine Stellung beziehen. Die Autorin ließ eine AZ-Anfrage unbeantwortet.

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