TV-Liebling Heidelinde Weis: "Es gibt kein Rezept fürs Leben"
AZ: Liebe Frau Weis, ist es schön, dauernd nach dem 80. Geburtstag befragt zu werden?
HEIDELINDE WEIS: Ja, aber es geht einem auch furchtbar auf den Keks (lacht). Natürlich ist die Aufmerksamkeit sehr nett und sie gehört zu meinem Beruf dazu. Wobei ich allen sage, ihr braucht's nicht mit mir reden, weil ich arbeite nicht mehr. Ich habe nichts mehr zu erzählen.
Das glaube ich Ihnen nicht.
Sehen Sie, es glaubt mir niemand.

Heidelinde Weis hat drei Mal den Krebs besiegt
Welche Frage würden Sie sich selbst zum 80. stellen?
Keine. Es ist nur eine Zahl, die mit mir wenig zu tun hat. Mir ist aber bewusst, was ich alles erlebt habe. Das ist ja doch ein Leben, was da zusammengekommen ist. Trotzdem denke ich, es beginnt erst.
Ein schönes Zeichen! Zumal Sie mehr erlebt und durchlebt haben als andere: Drei Mal haben Sie den Krebs besiegt - woher nehmen Sie diese Kraft?
Ja, ein bisschen was war los (lacht). Wenn mir so Dinge passieren, denke ich zu dem Zeitpunkt nicht: Oh je, oh Gott, warum? Sondern ich nehme die Situation am Schopf und versuche, das Beste daraus zu machen. Ich würde nie, wirklich nie, meine Krankheiten, die ich hatte, als negativ bezeichnen. Ich bin aus jeder Geschichte reicher herausgegangen.
Viele jammern, hadern mit dem Schicksal. Sie nicht?
Ich sag auch sehr oft - verzeihen Sie das Wort - Scheiße, so ist es nicht. Aber man muss das Leben lernen und annehmen.

Sind Sie eine Kämpferin?
Ich will Sachen, die passieren, sofort lösen. Wenn diese Sachen erledigt sind, falle ich danach in Ohnmacht. So bin ich.
TV-Liebling über das Älterwerden: "Vieles ist einem egal"
Wenn Sie in einem Loch sind, wie ziehen Sie sich da raus?
Wenn man erkennt, in einem Loch zu sein, ist es einfach, finde ich. Ich kann keine Tipps geben, jeder muss für sich selbst schauen, wie er mit dem Leben zurechtkommt. Es gibt kein Allgemeinrezept.
Sie klingen so toll gelassen.
Ach.
Ist eine gewisse Gelassenheit das Schönste am Älterwerden?
Absolut. Und: Vieles ist einem egal. Ich frage mich rückblickend, wie ich alles hingekriegt habe: Job, Privates, unglaublich. Wenn man jung ist, geht das. Heute mache ich nichts mehr, also nichts Offizielles, trotzdem habe ich nicht mehr Zeit oder Langeweile. Verrückt.
Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Ich schlafe, so lange ich will, steh aber meist um sieben Uhr auf. Ich brauche lange im Bad, Zeit mit mir, bis ich wach bin, frühstücke gerne, lese, überlege, kaufe ein, ach, es ist immer was los. Neu ist: Ich lege mich mittags hin. Früher dachte ich, das machen nur alte Leute. Jetzt mache ich es und genieße es. Nachmittags treffe ich mich mit Freunden oder telefoniere - ha!, das klingt alles so langweilig, macht aber so viel Spaß, ich lach mich tot (lacht lange).
"Ich hätte meinen Mann nie in ein Heim gegeben"
2015 haben Sie sich von Bühne und Bildschirm verabschiedet - bereuen Sie es manchmal?
Nein, nein! Ich hatte eine wirklich gute Zeit und ich habe mich fest entschlossen. Man müsste heute zu viel Rücksicht auf meine nicht mehr 100-prozentige Gesundheit nehmen, das will ich nicht. Ich hab alles gehabt, es fehlt mir nix.
Zehn Jahre haben Sie Ihren Mann, Theaterproduzent Hellmuth Duna, daheim gepflegt. Haben Sie das auch mit Ihrer Gelassenheit gepackt?
Das war eine klare Überlegung, als das mit meinem Mann passierte. Ich war mitten in der Karriere, hatte viele Angebote, war ganz oben. Dann dachte ich nach, wie ich alles unter einen Hut bringen soll. Ich habe die laufenden Verträge noch erfüllt und aufgehört, bis auf kleine Rollen, darauf bestand mein Mann. Ich hätte meinen Mann nie in ein Heim gegeben, das war gar nicht in meinem Kopf drinnen. So wusste ich, was meine neue Aufgabe ist - und die galt es zu erfüllen.

"Zwei Stunden Kaffee trinken - das war wie Urlaub für mich"
Eine sehr große Aufgabe.
Das war eine heftige Zeit. Zwei, drei Jahre waren sehr intensiv. Ich war in der Zeit höchstens mal mit einer Freundin einen Kaffee trinken - die zwei Stunden waren für mich wie Urlaub. Sonst war ich immer eingebunden. Oder als ich mit meinem Hund draußen war: Da hatte ich 30 Minuten nur für mich. Disziplin haben, eine Aufgabe erfüllen, habe ich da gelernt.
Wie haben Sie sich damals Ihre Lebensfreude bewahrt?
Es war ja auch oft sehr lustig. Bei meinem Mann und mir herrschte keine Beerdigungsstimmung, Gott sei Dank.
Ihr Mann ist 1998 gestorben, heilt die Zeit alle Wunden?
Mein Mann ist vor über 20 Jahren gestorben, da gibt es keine Trauer mehr in mir. Trotzdem ist er um mich, er ist da. So geht es mir auch mit guten Freunden, die tot sind, wie Martin Benrath, Werner Schneyder oder Dieter Hildebrandt. So viele sind gestorben, das tut mir weh und die vermisse ich, weil sie mir viel Halt gegeben haben. Was man dabei nicht vergessen darf, das ist wichtig: Zu sagen, ich habe es ja gehabt. Also muss man sich nicht beschweren. Wer hatte schon so viele Erfüllungen, denke ich mir oft und bin dankbar. Jetzt merke ich gerade, dass es mehr Männer sind, die mir fehlen.

"Im Augenblick bin ich wunschlos glücklich"
Wie erklären Sie sich das?
Das wüsste ich auch gern. (lacht) Vielleicht ist bei Frauen mehr Eifersucht, Konkurrenz im Spiel, eigentlich schade.
Ihr Wunsch zum 80.?
Ich hab keinen.
Sie sind wunschlos glücklich?
Moment, einen Wunsch hab ich: Ich habe 20 Freunde zum Essen eingeladen in ein kleines Schlösschen am Wörthersee - ich wünsche mir, dass alle gesund ankommen und sich Freude. Ansonsten bin ich wunschlos glücklich. Wobei man das in meinem Alter einschränken muss: Im Augenblick bin ich wunschlos glücklich. Wer weiß, was morgen ist.