„Traut Euch an die Artischocken!“

Hans Haas ist seit 1991 Küchenchef im Tantris. Sein dort gesammeltes Wissen gibt er gerne weiter – in seiner Kochschule. Der 51-Jährige verrät, was am Tantris so besonders ist und wieso er Kartoffeln liebt.
Was für die Filmindustrie der „Oscar“, das ist für die Gastronomie die Liste der 50 besten Restaurants der Welt. Jahr für Jahr wählen 600 Kritiker, welche Lokale ihren Gästen kulinarische Höchstleistungen bieten – heuer landete das „Tantris“ auf Platz 47. Küchenchef Hans Haas (51) über sein Erfolgsrezept, den Unterschied zwischen guter und schlechter Küche und sein Lieblingsgericht.
AZ: Glückwunsch, Herr Haas, wie haben Sie von der Auszeichnung erfahren?
HANS HAAS: Danke! Wir haben einen Brief bekommen, in dem uns unsere Platzierung mitgeteilt wurde. Das lief alles sehr offiziell.
Und dann haben Sie es richtig krachen lassen?
Nein, wo denken Sie hin? Wir haben ein Gläschen Champag-ner aufgemacht, die ganze Küchencrew, das schon. Aber ansonsten gab es nicht viel.
Aber ein kleines bisschen stolz sind sie doch, oder?
Klar, man ist schon stolz, wenn man plötzlich zu den 50 besten Restaurants der Welt gehört. Damit haben wir ja alle überhaupt nicht gerechnet.
Jetzt müssen Sie uns Ihr Erfolgsrezept verraten. Was macht die Küche im Tantris so besonders?
Wir wollen hier kein überflüssigen Chi-Chi veranstalten. Vielleicht ist es das. Uns liegt eine einfache, aber eben raffinierte Küche am Herzen.
Das bedeutet?
Ganz wichtig sind gute, sind sehr gute Produkte. Milch, Eier, Fleisch, Fisch, das muss alles Topqualität sein. Sonst braucht man gar nicht erst mit dem Kochen anfangen. Dann besteht die Kunst darin, aus ursprünglich einfachen Produkten ein raffiniertes, aber harmonisches Ensemble zuzubereiten.
Ein Beispiel, bitte!
Nun, bei uns gibt es etwa Spanferkel. Aber nicht einfach so. Nicht als bayerisch-deftige Variante. Bei uns wird das Spanferkel mit Räucheraal mariniert. Das gibt dem Fleisch seinen besonderen Reiz.
Gute Küche zeichnet sich also durch eine ausgeklügelte Kombinationsgabe aus?
Nicht nur. Wichtig ist auch, wie virtuos die Speisen zubereitet werden. Und wichtig ist die anschließende Präsentation. Aber eines stimmt eben auch: Zum Schluss ist es eben doch der Geschmack, der entscheidet.
Und dazu braucht es hauptsächlich Talent?
Nein, in der Küche braucht man vor allem Disziplin. Dazu viel Herzblut und Freude bei dem, was man macht. Meine Köche sollen dem Gast etwas Gutes geben. Das ist ihre Aufgabe.
Der größte Fehler, den man in der Küche begehen kann?
Schlimm ist, wenn man glaubt, teure Produkte retten alles. Die Wahrheit ist: Sie retten nichts. Man kann wertvollen Fisch totgaren, das beste Stück Fleisch kaputtbraten. Teure Produkte helfen nicht, solange sie nicht richtig zubereitet werden.
Was gibt es beim Starkoch zuhause?
Och, ich bin da nicht so wählerisch. Mir schmeckt eigentlich alles. Daheim kocht sowieso öfter meine Frau. Und von der esse ich alles gerne.
Ihr Lieblingsgericht?
Ich mag einfache Speisen: Kartoffeln, frischer Spinat, Spiegelei, bisschen Butter, Brot – das ist gar nicht schwer zu machen, aber geschmacklich eine echte Sensation.
Kochen ist also einfach?
Aber ja! Ich sage immer: Kochen lernen kann jeder. Viele denken ja, gut zu kochen sei irrsinnig kompliziert, eine Kunst. Aber alles, was man braucht, ist ein bisschen Technik und Mut.
Mut?
Ja, ich sehe das in meiner Kochschule. Da kommen meist talentierte Menschen hin, die häufig große Ahnung vom Kochen haben und viel Spaß mitbringen. Meine Aufgabe ist es, den Leuten Angst zu nehmen, ihnen zu sagen: Nun traut Euch schon ran an die Artischocken! Nun filetiert endlich den Fisch!
Jan Chaberny