Til Schweiger: Wird sein geplantes Flüchtlingsheim scheitern?
Wie das so ist mit Missverständnissen: Ein mutiger Gedanke führt nicht zwangsläufig zu einem glücklichen und erfolgreichen Ende. Diese bittere Wahrheit muss derzeit der Schauspieler und Regisseur Til Schweiger (51, "Honig im Kopf") erfahren. Nicht nur für sein Engagement für heimatlose Flüchtlinge bekommt er die Wut eines rechtsradikalen Pöbels sowie die Häme intellektueller Cineasten zu spüren. Auch sein Plan für ein Flüchtlingsheim aus Eigeninitiative wird möglicherweise scheitern.
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Der Plan: Ein "Vorzeigeflüchtlingsheim"
"Ursprünglich war der Plot dieser Geschichte ganz harmlos", berichtete die "Süddeutsche Zeitung": "Ein zwölfjähriges Mädchen bittet einen Schauspieler und Regisseur darum, einen Spendenaufruf für Flüchtlinge auf seiner Facebook-Seite zu teilen. Gefragt, getan. So nett, so gut. Doch weil das Thema polarisiert, der Filmmann Til Schweiger heißt und seine Seite offiziell 1,3 Millionen Fans hat, dauert es nicht lange, bis sich das Drehbuch angemessen heftig dramatisiert."
Auf der Facebook-Seite des Schauspielers entbrannte eine hässliche Rassismus-Debatte. Schweiger reagierte auf besonders aggressive Kommentatoren mit klaren Worten: "Verpisst euch von meiner Seite" und: "Ihr braucht euren Hass und eure Dummheit nicht bei mir abzulassen."
Wenn er für sein Engagement "viel auf die Fresse" kriege, sei ihm das egal, wie er der "Bild am Sonntag" sagte. Deshalb werde er jetzt in Osterode am Harz mit Freunden "ein Vorzeigeflüchtlingsheim bauen". Mit Freizeitangeboten für Kinder, einer Sportanlage, Werkstätten und einer Näherei. Der Vertrag dafür sei "unter Dach und Fach".
Dass sich ein Privatmann, überdies ein bekannter Schauspieler, mit seinem Geld engagieren möchte, missfiel nicht nur dem rechten Pöbel und einigen notorischen Schweiger-Kritikern. Auch der Amtsschimmel reagierte erwartungsgemäß skeptisch. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) forderte den Filmstar zur Zusammenarbeit mit den Behörden auf. "Eine Unterkunft hinsetzen und dann läuft es - ganz so einfach ist es dann doch nicht", sagte BAMF-Chef Manfred Schmidt der "Welt" und ergänzte: "Wenn jemand behauptet, dass er es besser kann, ist die erste Reaktion einer Verwaltung immer zunächst zurückhaltend."
Wie transparent sind seine Freunde?
Schweigers "Freunde" - das dürfte in erster Linie der Unternehmer Wolfgang Koch sein, dessen Firma Princess of Finkenwerder im niedersächsischen Osterode eine Bundeskaserne für 160.000 Euro erworben hatte. Der Plan laut NDR: "Koch und seine Firma Princess of Finkenwerder bringen die Kaserne wieder in Top-Zustand - das Land Niedersachsen mietet dann das rund 80.000 Quadratmeter große Areal, um dort ein Flüchtlingsheim betreiben lassen zu können."
Die Partei Die Linke hatte bereits im März vor einer Zusammenarbeit von Niedersachsen und Princess of Finkenwerder gewarnt. Die Rommel-Kaserne sei "ideal für die menschenwürdige Unterbringung von an Leib und Leben bedrohten asylsuchenden Menschen", so damals der Kreistagsabgeordnete Frank Kosching: "Aus unserer Sicht ist dies jedoch mit dem gegenwärtigen Eigentümer nicht seriös machbar. Das Land Niedersachsen arbeitet offenbar mit einer Firma zusammen, die aus unserer Sicht unqualifiziert und unseriös ist."
Nach NDR-Recherchen bescheinigt "die angesehene Wirtschaftsauskunftei Creditreform" dem Unternehmen Princess of Finkenwerder "einen deutlichen Negativwert, wenn es um die Bonität geht. Creditreform beziffert die Wahrscheinlichkeit, dass die Firma als möglicher Kreditnehmer innerhalb eines Jahres ausfällt, auf 96 Prozent." Auf ähnlichem Niveau lägen die Einschätzungen, wenn es um Koch selbst ginge: Es lägen "schuldnerregisterliche Eintragungen vor". Bei Gerichtsvollziehern in Stade sei der Name offenbar bekannt.
Das Hamburger Magazin "Stern" berichtet in seiner neuesten Ausgabe, dass Til Schweiger dem Blatt gesagt habe, er kenne den Immobilienunternehmer Wolfgang Koch "persönlich überhaupt nicht", obwohl der Geschäftsmann aus Stade sich in den vergangenen Tagen mit der Aussage zitieren ließ, er sei seit Jahren mit dem Schauspieler bekannt. Schweiger habe von dem geplanten Flüchtlingsheim erst vor einigen Wochen von seinem Personenschützer erfahren, der wiederum mit Koch befreundet sei. Und über diesen sagte der Schauspieler, er sei "ein nobler Mensch" und "ein Freund, für den ich mir die Hand abhacken lassen würde".
Aber auch an der dieser Person bestehen erhebliche Zweifel. Nach Recherchen des "Stern" arbeitet er in Hamburg "auch als Türsteher vor Nacht-Clubs" und "gibt sich als ehemaliger Polizeikommissar aus", was er jedoch nie gewesen sei. "Er hatte zwar zweimal eine Ausbildung an der schleswig-holsteinischen Polizeischule begonnen, sie jedoch beide Male wieder vorzeitig abgebrochen. Dort waren zuletzt Zweifel an seiner Zuverlässigkeit aufgetaucht", schreibt das Blatt. Der Personenschützer habe dem "Stern" gegenüber eingeräumt, dass es "beamtenrechtliche Verfahren" gegeben habe. Er sei einer ungenehmigten Nebentätigkeit nachgegangen. Dann habe er die Ausbildung beendet.
Für den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) kommt die Koch-Firma Princess of Finkenwerder als Betreiber des Heims in Osterode nicht in Frage. "Das sind alles keine Profis in dem Geschäft, was den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung angeht, so wie wir uns als Land das vorstellen", erklärte Pistorius dem "Stern". Der Minister lobt jedoch das Engagement von Til Schweiger. "Ich finde es klasse, dass er das tut."
Spott aus rechten und elitären Lagern
"Ist es seine Ausgabe, ein Flüchtlingsheim zu bauen?", wollte Sandra Maischberger in ihrer Talkshow am Dienstagabend vom CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wissen. Der Politiker hatte zuvor Schweigers Vorschlag, den Solidaritätszuschlag zur Finanzierung von Flüchtlingsunterkünften zu nutzen als "albern" bezeichnet.
Auf Scheuers Nachfrage, wann Schweigers Heim für Flüchtlinge denn öffnen solle, reagierte der Schauspieler gereizt. "Ich find' das so geil, Ihren süffisanten Blick, weil Sie mich jetzt vorführen wollen", sagte er und redete sich in typischer Schweiger-Manier in Rage: "Sie gehen mir auf den Sack, echt!" Für diesen "Ausraster" entschuldigte er sich später bei Scheuer.
Der Publizist und ehemalige Chefredakteur und Herausgeber der "Welt"-Gruppe Thomas Schmid warnte eindringlich vor Hass, Hohn und Spott, die der Filmstar nun für sein Engagement ernte: "Til Schweiger will Flüchtlingen helfen. Das ist gut so. Er heißt sie nicht nur willkommen, er fordert nicht nur Staat und Parteien dazu auf, mehr für Flüchtlinge zu tun - er will mit dem von ihm unterstützten Bau eines Flüchtlingsheims selbst tätig werden. Das müsste in einem Land, zu dessen Weihebegriffen das Wort Bürgergesellschaft gehört, eigentlich hochwillkommen sein."
Mit Hass verfolge ihn eine anonyme Netz-Meute. "Sie tobt nun am Beispiel Schweiger ihre Fremdenfeindlichkeit aus... Einer Erklärung bedürftig sind dagegen der Spott und der Hohn, mit denen Schweiger von jenen überzogen wird, die sich als Anwälte der Flüchtlinge verstehen und dem Staat in dieser Frage hartherziges Versagen vorwerfen... Teils nimmt man ihm sein Engagement nicht ab, hält es für einen PR-Coup. Teils schwingt auch die Verachtung der gebildeten Kreise mit, für die Til Schweiger mit Manta-Milieu, Billig-Humor und - Gipfel der Dekadenz - Erfolg und Massenpopularität verbunden bleibt. Diese Kritik an Schweigers Vorstoß ist ein aufgeblähtes Rückzugsgefecht eines elitären Milieus. Diese Leute wollen nicht zulassen, dass ein Schweiger, den nicht viel mit Adorno oder Agamben verbindet, zum Reich des Guten gehört."