Terry Gilliams Coffee-Table-Memoiren

Nachdem Terry Gilliam in diesem Jahr im Internet schon fälschlicherweise für tot erklärt wurde, scheint es höchste Zeit für den Regisseur, seine "prä-posthumen Memoiren" zu veröffentlichen.
von  (jic/spot)

Mit "Gilliamesque" hat einer von Hollywoods kreativsten und eigenwilligsten Regisseuren seine Memoiren veröffentlicht. Halb Biografie, halb stylisch illustriertes Coffee-Table-Buch, stellen sie allerdings mehr einen Abriss seiner Karriere als seines Lebens dar. "Ich weiß natürlich, dass mir jede Menge merkwürdiger Scheiss durch den Kopf geht, aber ich will das nicht analysieren, ich will es für meine Arbeit nutzen." Entgegen des Anliegens seines Klappentextes, "ein volles Geständnis abzulegen", scheint Terry Gilliam (74, "The Zero Theorem") tatsächlich nicht interessiert daran, die Gründe seiner Seele zu erforschen oder persönliche Meilensteine zu erzählen.

Hier ist Terry Gilliams Autobiografie "Gilliamesque" erhältlich

Ob private Geständnisse von Gilliam tatsächlich interessanter gewesen wären, erscheint anhand der wenigen persönlichen Einblicke fraglich, denn Skandale oder einen prägenden Leidensweg sucht man vergeblich. Denn der Regisseur hatte eine Bilderbuchkindheit, fand selbst inmitten der wilden Sechziger kein Interesse an Drogen und wenig Gefallen an Alkohol und ist noch dazu seit über vier Jahrzehnten glücklich verheiratet. Stattdessen erklärt er sich anhand seiner Werke und der kurzweiligen Illustrationen aus Jahrzehnten seines Schaffens - eine kluge Entscheidung.

 

Anekdoten-Potpourri

 

Gilliam gewährt in "Gilliamesque" einen Blick unter seine Schädeldecke Foto:Heyne Verlag

 

Die Autobiografie ist eher aus Versehen entstanden. Gilliam hatte zusammen mit seiner Tochter Holly einen Bildband seiner Arbeit zusammenstellen wollen, hatte jedoch nicht mehr aufhören können zu erzählen, sobald das Aufnahmegerät lief. Dementsprechend liest sich das Buch auch, als würde man Gilliams fragmentarischen Anekdoten zu nicht zwangsweise zusammenhängenden Bildern, mit denen die Seiten reichlich geschmückt sind, lauschen. Wer Gilliams Werke liebt, den wird das jedoch nicht sonderlich stören.

 

Monty Python als Randnotiz

 

Wer sich einen fundierten Einblick in das Schaffen von Monty Python aus Sicht des einzigen Amerikaners der Comedy-Truppe erhofft, wird bei "Gilliamesque" nicht fündig. Gilliam warnt selbst, dass Leser auf der Suche nach einer detaillierten Chronik der Ereignisse lieber Michael Palins Tagebuch lesen sollten. Weniger als 40 von insgesamt 308 Seiten befassen sich mit seiner Zeit, die für ihn insofern prägend war, als dass er "endlich einen Ort gefunden hatte, an dem die Leute sich verstehen". Und sich mit "Die Ritter der Kokosnuss" seine ersten Sporen als Regisseur verdienen konnte.

Monty Python bildet das Zentrum des Buches, das in der ersten Hälfte anschaulich und ausführlich beschreibt, wie die Erfahrungen seiner ersten 30 Jahre den Künstler aus ihm machten, der er heute ist, schon damals mit einer sehr eigenwilligen Arbeitsweise und einer Abneigung gegen Autorität.

 

Filme im Schnelldurchlauf

 

Im Gegensatz zu der detaillgetreuen Beschreibung seiner ersten Jahre scheint die Beschreibung der Arbeit an seinen Filmen nur so vorbeizufliegen. Erinnerungen an verbissene Kämpfe mit Studiobossen, schwierige Schauspieler - selbst Gilliams häufiger Kollaborateur Johnny Depp (52) bekommt als "Blockbuster-Karikatur seiner selbst" sein Fett weg - und mühselige Drehbedingungen fügen sich zusammen wie ein Puzzle, bei dem das eine oder andere Stück fehlt.

Dabei haben die Entstehungsgeschichten von "Brazil", "Twelve Monkeys" und sogar des nie vollendeten "The Man Who Killed Don Quixote" ganze Bücher und Dokumentationen gefüllt. Gilliam scheint sich dessen stets bewusst und nach Informationen zu suchen, die der Leser nicht kennt. Und doch scheint ihm gegen Ende seiner Filmografie zunehmend die Puste auszugehen. Auch wird der Ton zunehmend düster, wenn er von depressiven Phasen nach der Fertigstellung eines Films schreibt, oder davon, wie sehr der Tod von Heath Ledger mitten in den Dreharbeiten von "Das Kabinett des Dr. Parnassus" ihn aus der Bahn warf - so sehr, dass er den Film (einen seiner besten) beinahe nicht beenden wollte.

So hofft man, dass Gilliam, der übrigens einen weiteren Versuch, "Don Quixote" auf die Leinwand zu bringen, noch nicht aufgegeben hat, noch ein paar Kapitel zu seiner Geschichte hinzufügen wird. Ob er die dann noch einmal zu Papier bringen wird, darf bezweifelt werden. Nicht zuletzt deswegen, wenn nicht schon wegen des Sammelsuriums an Gilliams originalen Zeichnungen und Kollagen, lohnt sich der Kauf dieser Memoiren.

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