Spagat zwischen Sylt und Sendlinger

Ein Erinnerungsband an das Springer-Gästehaus weckt Sehnsüchte – und eine Party auf der Straße Hungergefühle. Graeter kann es nachfühlen. Der AZ-Kolumnist über turbulente Zeiten im Sylter Sandschloss und über feiernde Friseure.
Wohl aus Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, die vermeintlich prickelnder schienen, kommen immer mehr kostbare Privatbücher in den Umlauf, die nicht zu kaufen sind. Nach dem grandiosen Fotoband von Henkel-Erbin Antje Debus, bei dem selbst Annie Leibovitz blass vor Neid geworden wäre, ist jetzt das 144-seitige Erinnerungsalbum „Klenderhof“ (Produktion: Heino Stamm) von Flensburg bis Garmisch an den befreundeten Jetset verschickt worden. Zum Schwelgen in Erinnerung die schönste Lektüre.
Das ehemalige Gästehaus von Großverleger Axel Cäsar Springer in Kampen auf Sylt, das einmal bei einem Brandbomben-Anschlag auf Ex-Minister Karl Schiller zerstört wurde, war von 1982 bis 2005 fest in Schweizer Hand. Zusammen mit dem Münchner Lagerhallen-Lord Pini Erdmann fungierten die unternehmungslustigen Eidgenossen Chrigl Hardmeyer, Rolex-Ruler Jörg Bucherer, Baumwoll-König Oli Stahel und Versicherungs-As Dr. Rene Theler als Wake-up-Quartett auf Hamburgs Haus-Insel. Die fantastischen Vier sorgten auf Sylt die ganzen Jahre für Furore wie einst Brigitte Bardot für St. Tropez. Wenn sie da waren und am 1. August eine Art Silvester feierten, war der Sand auf Sylt heiß, sehr heiß.
Die turbulente Zeit im reetgedeckten Sandschloss ist leider vorbei und manche schauen schon von oben herab, als Tabletten-Tycoon Günther Schmidt („Togal"), einst in Wolkenmalerin Sis Koch verliebt und heute von einer „Senator"-LH-Hostess Doris VIP-betreut, Zeitlos-Playboy Gunter Sachs und Frau Mirja, Verleger-Witwe Friede Springer und Freundin Florentine Pabst, Journalist Claus Jacobi (steuerte ein paar Zeilen für den „Klenderhof"- Bildband bei), Bild-Chefredakteur Peter Boenisch, Kunstsammler Frieder Burda (überholte mit seinen Gemäldesammlungen sogar Bruder Hubert). Unternehmer Hubertus Wald, Jetset-Diva Eva O'Neil, Designer Reimer Clausen, Hairstylist Gerhard Meir, Interieur-Designer Heino Stamm, Fußball-Experte Günter Netzer mit Frau Elvira, Möbel-Kreateur Rolf Sachs mit Frau Maryam, Tennis-Crack Boris Becker, Sängerin Vicky Leandros, Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Weimar, Fürst Ferdinand und Fürstin Elisabeth von Bismark, Sportfabrikant Willy Bogner und Frau Sonia und manchmal auch meine Wenigkeit zu Gast waren.
Als einziger der umtriebigen Vier ist Pini der Ausgeh-Insel treu geblieben. Den smarten Weltenbummler führt morgen der Weg wieder nach Sylt. Zu einem Termin der A-Klasse: In der Feinschmeckerhütte „Sansibar" wird am Wochenende der 60. Geburtstag von „Air Berlin"-Chef Joachim Hunold zelebriert. Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Johannes B. Kerner haben sich zum Gratulieren angesagt.
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Münchens Disco-Szene stehen leicht die Haare zu Berge, seit bekannt wurde, dass Roby und Ralph vom „Bash Club", zwei charismatische Herren der Haarspalter-Kunst, ab November ins Nachtleben eingreifen.
Im Keller-Dancing „Helleaven" (früher: „Neva") in der Maximilianstraße entsteht ein „Bash Club" für die Nacht. Nicht zum Haarschneiden, sondern zum Tanzen.
Dass sich die absoluten Heteros der schneidenden Zunft über Zulauf nicht beklagen können, zeigte die Geburtstagsparty zum dreijährigen Bestehen ihres Luxus-Salons in der Sendlinger Straße. Die schönsten weiblichen Geschöpfe fast aller Altersklassen auf verwegenen High Heels und in luftigen Sommer-Outfits belagerten das Säulen-Gewölbe des Hair-OP's und vereinnahmten die ganze Straße – bis schließlich die Polizei kam.
Star-Stylistin Nasti, die am Vormittag noch die Haare von Oliver Pocher stutzte, toppte mit ihren Liegenschaften die Prosecco verteilende Mulattin. Die wohl proportionierte Claudia Kluthe erregte das Interesse vieler Girls mit ihrer neuartigen Good Looking-Oase „Munich Airbrush-Taning, wo man in zwölf Minuten den Californa-Look einer Pamela Anderson angesprayt bekommen kann.
Die Kicker der 60er traten fast geschlossen an und zählten zu den 100 männlichen Gästen, die bei einem Aufgebot von 400 Grazien die Qual der Wahl hatten.
In der weiblichen Versuchungszone standen Großstadt-Poet Roman Libbertz und „Totenkopf-Dirndl"-Kreateur Rudi Probst ihren Mann.
Zwei Themen waren der Talk des Abends: Die Penicilin-Behandlung einer Szene-Blondine, die Sportlern kleine Sorgen bereiteten und die moslemischen Forschungsarbeiten von Wiesn-Baron Eddie Reinbold, wobei eine Ex-Intendanten-Gemahlin und Ex-Verlagschefs-Ehefrau als Beraterin fungiert.
Der gutaussehende Gastgeber Roby Bash, der sich bislang einer anhänglichen Blindschleiche erfreute, träumt von einer Anakonda als Haustier.
Charmant begrüßte er seine hübsche Frau, die zu später Stunde nach dem Rechten sah. Einem zaunlattendürren Manager, der durch eine Oberweiten-Schaustellerin sogar im „Spiegel" mit drei Seiten aktenkundig wurde, knurrte der Magen, denn auf der Party gab's nur was zu schauen, flirten und trinken, aber nichts zu beißen.
Michael Graeter