Sinead O'Connor: Wie sich ein Star selbst in die Irre treibt

Das aktuelle Hass-Posting gegen ihren Sohn in einem offenen Brief an ihren Ex-Mann auf Facebook ist nur ein weiterer Meilenstein in Sinead O'Connors langer Drama-Karriere. Viel passierte auch schon vorher.
von  (ln/spot)

Schwer zu sagen, wer oder was Sinead O'Connor (49) heute wirklich ist. Eine großartige Sängerin? Ein ehemaliger Weltstar? Oder eine psychisch Kranke? Eine, die nicht mehr weiß, wer oder was sie wirklich ist? Wir erleben seit Jahren den Irrweg eines großen Talents, dessen herausragende Gabe offenbar auch der Hang zur Selbstzerstörung ist.

Sinead O'Connor: Das Musikviedeo zu ihrem Welthit "Nothing Compares 2 U" können Sie hier bei Clipfish ansehen

1990 betrat sie wie aus dem Nichts die große Bühne. Sie coverte einen Song von Prince (1958-2016). "Nothing compares 2 U". Und sie sang ihn so, dass sich niemand mehr bei diesem Lied an Prince erinnerte. Auf einmal war sie die Hohepriesterin des Pop. "Die Herzen der Welt schmolzen dahin. Diese Stimme, diese Augen, dieser rasierte Schädel...", schrieb die "Welt".

Aktueller Ausraster via Facebook

Heute liest man solche Elogen auf die Irin nicht mehr. Vielmehr heißt es bei "Bild": "Hass-Tirade nach Such-Aktion: Sinead O'Connor meldet sich auf Facebook zurück. "Stern.de": berichtet: "Sinead O'Connor pöbelt auf Facebook Sohn und Ex-Mann an", während "n-tv" meldet: "Kleines verlogenes Arschloch: Sinead O'Connor rastet öffentlich aus."

Die Welt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten an die Ausbrüche der Irin gewöhnt. Diesmal war man nur leicht besorgt, als es hieß, Sinead O'Connor sei in Chicago von einer Radtour nicht zurückgekehrt. Denn sie hat sich zuvor schon selbst als suizidgefährdet bezeichnet. Dann gab die Polizei Entwarnung, die Sängerin sei wieder wohlbehalten aufgetaucht. Schließlich meldete sie sich auf Facebook selbst zu Wort - mit einem Aufruf an ihren ersten Ehemann John Reynolds. Es ging um den gemeinsamen Sohn Jake:

"Sag unserem teuflischen Sohn, dass eine Person, die an zwei fuing Chauvinist und Tyrann wie sein Großvater ist. Ihr habt mich alle verlassen, weil ich selbstmordgefährdet bin (...). Ihr habt mich zum Sterben zurückgelassen."

"Jake sagt, er wüsste, dass ich geisteskrank bin, aber er trampelt weiter auf dem Krüppel herum. Sag' ihm, er soll nicht so tun, als würde es ihn interessieren, ob ich sterbe. Dieses kleine verlogene Arschloch interessiert nur, wie er sich fühlt." Dann droht sie ihrem Sohn via Facebook: "Wenn ich es schaffen sollte, mich nicht umzubringen, dann wirst du alle Arztrechnungen bezahlen, weil du der Chef-Organisator meiner psychologischen und emotionalen Zerstörung bist."

Entgleisungen und Skandale seit Jahrzehnten

 

Sinead O'Connor bei einem Konzert 2008 Foto:Dariusz Majgier / Shutterstock.com

 

Öffentliche Entgleisungen begleiten die vergangenen Jahrzehnte von Sinead O'Connor wie die Melodie ihres Welthits. Und vielleicht sollte man ihre Lebensgeschichte mit dem Wörtchen "einmal" beginnen. Dass sie einmal wirklich schön war. Dass einmal auch schlank war, vor allem: dass sie einmal erfolgreich war.

Sie wurde 1966 in der Nähe von Dublin geboren, ein Bruder ist der Schriftsteller Joseph O'Connor. Nach der Trennung ihrer Eltern kam sie zur Mutter, die sie - nach Sineads Angaben - regelmäßig misshandelte, weshalb sie mit 13 zu ihrem Vater zog. Sie flog von der Schule, kam wegen Ladendiebstahls in Jugendarrest. Ihr Vater steckte sie dann ins Internat Sisters of Our Lady of Charity, von dem in den 1990er-Jahren bekannt wurde, dass es in Skandale mit Kindesmissbrauch verwickelt war.

Auch Sinead O'Connor gab an, von Geistlichen missbraucht worden zu sein. Da hatte sie sich schon für eine Musikkarriere entschieden. Sie war eine Rebellin vor dem Mikrophon und sang gegen Kindesmissbrauch, Rassismus, Katholizismus und Krieg. 1987 heiratete sie John Reynolds, den Drummer ihrer Band "Ton Ton Macoute", von ihm bekam sie Sohn Jake. Anfang der 1990er-Jahre ließ sie sich wieder scheiden.

Rücktritt vom Showgeschäft - Mother Bernadette Mary

Nach ihrem großen Hit "Nothing compares 2 U" sollte sie in den USA singen, gemeinsam mit Frank Sinatra (1915-1998). Sie lehnte den Auftritt in New Jersey ab, weil davor die US-Nationalhymne gesungen werden sollte. Sinatra sagte zur ihrer Weigerung: "I kick her ass", worauf sie zu Journalisten sagte, sie hoffe, dass ihr Frank Sinatra nie im Leben begegne, schließlich könne sie doch einen alten Mann nicht schlagen...

Zwei Jahre später der nächste Skandal: Im US-Fernsehen zerriss sie das Bild des Papstes, danach wurde sie während eines Gastauftritts anlässlich des 30-jährigen Bühnenjubiläums von Bob Dylan (74) im New Yorker Madison Square Garden gnadenlos niedergepfiffen. Sinead O'Connor brach in Tränen aus und erklärte ihren Rücktritt vom Showgeschäft.

1996 wurde ihr zweites Kind geboren, Vater ist der irische Journalist John Waters. Im gleichen Jahr studierte sie bei Bischof Michael Patrick O'Connor Theologie und ließ sich bereits nach sechs Wochen Lourdes zur Priesterin der orthodox-katholischen und apostolischen Kirche Irlands weihen, was von Rom natürlich nicht anerkannt wurde. Ihr Ordensname: Mother Bernadette Mary.

Comeback im Jahr 2000

Im Jahr 2000 verkündete sie ihre Rückkehr ins Musikgeschäft und der "Spiegel" jubelte: "Sinead O'Connor, die irische Sängerin mit dem kahlgeschorenen Schädel und der Stimme von tiefster Schönheit, legt sechs Jahre nach ihrem letzten Album die CD "Faith and Courage" vor. Nach einer langen Zeit der Trauer, des Schmerzes und der inneren Zerrissenheit scheint sie nun endlich Frieden mit sich und der Welt geschlossen zu haben."

Von wegen. Die Ordensfrau Mother Bernadette Mary verkündete im Lesbenmagazin "Curve", dass sie sich mehr zu Frauen als zu Männern hingezogen fühle, was sie später jedoch widerrief mit Interviews, in denen sie sich als bi- und heterosexuell bezeichnete.

2003 kündigte sie wieder mal ihren musikalischen Rückzug an, sie wolle Religionslehrerin werden und Theologie am Milltown Institute in Dublin studieren. Ein Jahr später wurde ihr drittes Kind geboren. 2005 dann die Mitteilung: Sinead O'Connor kehrt ins Showbiz zurück. Ende 2006 kam Yeshua Francis Neil, ihr vierter Sohn, auf die Welt. Der Vater: Frank Bonadio.

Die Facebook-Ära beginnt

Sinead O'Connor 2013 in Venedig Foto:Matteo Chinellato / Shutterstock.com

 

2011 meldete sie sich erneut auf ihrer Homepage zu Wort: "Meine sexuelle Lage ist so schlimm, dass unbelebte Objekte anfangen, gut auszusehen... Ich brauche unbedingt einen sehr süßen, sexhungrigen Mann... Ich bin auf dem Höhepunkt meiner sexuellen Blüte und viel zu reizend, um wie eine Nonne zu leben... Lederhosen tragende Polizisten, Feuerwehrmänner, Rugbyspieler und Robert Downey Jr. werden bevorzugt".

Es fand sich der Therapeut Barry Herridge, den sie in Las Vegas heiratete - ihre vierte Ehe. Sie wurde nach 16 Tagen wieder geschieden, worauf Sinead noch Tage nach der Trennung twitterte: "Stellt euch vor, wer letzte Nacht eine verrückte Liebesaffäre mit dem eigenen Ehemann hatte..."

In den letzten Jahren ging es immer mehr bergab mit ihr. Sie ließ 2012 eine Tournee wegen psychischer Probleme platzen. Und sie postete im November 2015, dass sie in einem Hotel in Irland eine Überdosis eingenommen habe. Die Polizei fand sie, es ging ihr gut.

Vor kurzem handelte sie sich durch einen Facebook-Beitrag großen rechtlichen Ärger ein: Sinead O'Connor behauptete darin, der amerikanische Comedian Arsenio Hall sei der Dealer des verstorbenen Prince gewesen. Hall fordert nun fünf Millionen Dollar Schadenersatz.

In ihrer jüngsten Facebook-Attacke teilte sie mit, wegen ihres Sohnes Jake den Kontakt zur gesamten Familie komplett abzubrechen: "Ich werde wegen dir zu keinem meiner vier Kinder zurückkehren. Leb' damit. Erkläre deinen Geschwistern, warum Mami weg ist. Du unchristlicher, unehrenhafter, verlogener Verbrecher. Du hast deine Mutter umgebracht."

Immerhin ist Sinead O'Connor noch ein bisschen von dieser Welt, denn sie will Geld sehen, viel Geld: "Ich werde euch alle im Gericht sehen. Ich will Schaden sehen. Ich konnte nicht arbeiten, habe zwei Jahre lang nix verdient."

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