Shantel: "Ich habe eine Morddrohung bekommen"

London - Shantel alias Stefan Hantel (45) bringt am 25. Oktober sein neues Album "Anarchy and Romance" auf den Markt. Wie wandlungsfähig er ist, hat er bereits unter Beweis gestellt: Er entstammt dem Elektro-Genre und wurde dann zur Gallionsfigur des Balkan-Pop. Sowohl als DJ als auch mit seinem Bucovina Club Orkestar bringt er die Menschen mit treibenden Rhythmen zum wilden Tanzen. Mit seiner aktuellen Platte hat er seinen Stil nun erneut verändert. Was diese Metamorphose ausgelöst hat, warum er Politik nicht mag aber trotzdem seine politische Haltung zum Ausdruck bringt, erzählt er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
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Welche neuen Wege wollen Sie mit "Anarchy and Romance" beschreiten?
Shantel: Ich mache mir im Vorfeld nicht so viele Gedanken über die Richtung, es hat viel mehr mit der Zeit zu tun, in der man sich befindet. Es gibt andere Künstler, die nach einem Erfolgsrezept suchen und wenn sie es gefunden haben, machen sie so weiter bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Das ist legitim, aber ich fand die elektronische Richtung, aus der ich kam, irgendwann langweilig und dann habe ich mit dem Bucovina Club angefangen. Viele sagten damals: Um Gottes willen, was ist mit dir passiert?
Und jetzt hat sich Ihre Musik erneut verändert.
Shantel: Ja, diese Geschichte war für mich fertig erzählt. "Disco Partizani" und "Planet Paprika" stammen aus der Zeit, als es in Kontinentaleuropa eine Aufbruchsstimmung und neue Staaten gab. Das Umfeld hat sich jetzt verändert: Ungarn wird von Antisemiten regiert, in der Türkei geht es drunter und drüber, Rumänien und Bulgarien werden von mafiösen Clans regiert. Die Aufbruchsstimmung hat sich in ein Wiedererwachen des Nationalstaates umgekehrt, mit dem ich nichts zu tun haben will.
Wenn Sie von diesen politischen Veränderungen beeinflusst werden, haben Sie dann auch eine Message, die Sie mit Ihren Liedern transportieren wollen?
Shantel: Es ist wichtig, eine Haltung zu haben, nicht eine politische Parole herauszuposaunen. In Ungarn habe ich mich auf der Bühne kritisch geäußert und sofort eine Morddrohung bekommen. Eine allumfassende politische Botschaft habe ich allerdings nicht.
Von wem wurden Sie denn mit dem Tod bedroht?
Shantel: Von der Jobbik-Bewegung (Anm. d. Red.: eine rechtsradikale Bewegung in Ungarn). Drei Monate später war ich dann wieder für ein Konzert in Budapest und da habe ich hin und wieder Polizeischutz gebraucht, um zurück ins Hotel zu kommen. Das ist echt schräg. Mir geht es nicht um Politik in dem Sinne, ich spiele Konzerte für unterschiedliche Menschen, ich schreie also nicht: Fuck the system, aber ich bin irgendwie zu einem Teilchenbeschleuniger geworden. In Budapest standen 1000 Leute vor der Bühne und die wollten ein Statement. Die wollten hören: Ihr seid nicht allein gelassen. Da musste ich mich positionieren.
Sie treten beinahe jeden Tag in einer anderen Stadt auf und sind über Monate hinweg unterwegs. Sind Sie ein getriebener Heimatloser?
Shantel: Ich bin in erster Linie so viel unterwegs, weil es mir Spaß macht. Ich würde mich nicht als getrieben oder heimatlos bezeichnen. Heimat ist für mich mehr ein Gefühl als ein konkreter Ort. Wenn es mir nicht gefallen würde, hätte ich einen anderen Job und würde jetzt wohl ein Café betreiben oder wäre Tierarzt.
Wie unterscheiden sich die Auftritte in Deutschland und im Ausland?
Shantel: Das einzige was ich sagen kann, ist, dass die Männer in Südosteuropa ein besseres Gefühl zu ihrem Körper haben. Die Männer dort haben auch nicht so ein Problem zu tanzen. Viele haben ja immer noch ein Rollenproblem. Dank meiner Mutter habe ich nicht das klassische Männerbild vermittelt bekommen. Ich hatte als Kind immer lange Haare und musste mir oft anhören: Was hast du für Eltern?
Sie legen großen Wert darauf, dass Ihr Privatleben nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten wird. Warum?
Shantel: Ich finde es furchtbar, sein Privatleben auszubreiten. Alles ist inzwischen sichtbar, nichts ist mehr verborgen. Es gibt nichts Schamhaftes mehr. Man wird ja auch manchmal gefragt, ob man für ein neues TV-Format zuhause beim Kochen besucht werden darf. So etwas würde ich allerdings nie machen. Das Medium Fernsehen muss man doch nicht zumüllen mit Privatleuten, die zu Hause kochen.
Gibt es auf dem aktuellen Album einen Song, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Shantel: Ich bin im Moment fast froh, wenn ich die Platte nicht hören muss. Ich habe mich so viel damit beschäftigt, ich will auch gar keine Reviews lesen. Ich bin froh, dass die Platte jetzt draußen ist und ich freue mich, sie live zu spielen, aber es ist schwer da jetzt einen herauszugreifen.