Sex, Lügen und Übergardinen: Die Desperate Housewives sind zurück

Abgründe in der Mittelschicht: Diesen Mittwoch startet die neue Staffel der US-Serie. Frauen mögen sie – Männer auch. Eine Liebeserklärung
Leichenteile unter perfekt getrimmten Liguster-Hecken, Morde zwischen pastellfarbenen Raumteilern, Lügen hinter geblümten Übergardinen: Die „Desperate Housewives“ sind zurück, nach drei langen Monaten Wartezeit gibt es endlich (ab Mittwoch, 20.15 Uhr, ProSieben) wieder eine „Frauenserie“, die man mit seiner Freundin anschauen kann, ohne vor Wut in die Auslegeware zu beißen.
30 Millionen Menschen in den USA und drei Millionen in Deutschland schalten ein – davon sind, erstaunlich für das Genre, rund 45 Prozent Männer. Sie finden die lasterhaften Hausfrauen offenbar aufregender als die unterernährten und männerhungrigen Großstadthyänen aus „Sex and the City“, dessen Kino-Verfilmung manche Leidensgenossen im Sommer 2008 nur mit vorgehaltener Waffe ertragen haben sollen.
Der Unterschied: Während Carrie und Co. ewig quasselnd von Date zu Date stöckeln, immer auf der Suche nach Mr. Right (oder „Mr. Big“), haben sich deren klischeebeladene Wunschträume in „Desperate Housewives“ bereits erfüllt – und werden von den Machern der Serie lustvoll demontiert.
Erpressung und Bestechung als einzig wahre Erziehungsmittel
Da gibt es zum Beispiel Gabrielle Solis (gespielt von Eva Longoria), gelangweilte (und inzwischen verarmte) Millionärsgattin, die in der ersten Staffel ihren Gärtner so sehr mit Liebesdiensten beschäftigt, dass sie nachts den Rasenmäher anwerfen muss, um dessen liegengebliebene Arbeit zu verrichten.
Da ist Flittchen Edie (Nicollette Sheridan), das pausenlos in Hotpants das Auto wäscht, um Ehemänner zu verführen. Lynette Scavo (Felicity Huffman), die, einst süchtig nach den ADS-Tabletten ihrer Kinder, Erpressung und Bestechung für die einzig wahren Erziehungsmittel hält und die Super-Nanny wahrscheinlich zur Verzweiflung oder in den Freitod treiben würde.
Sowie Perfektionistin Bree Hodge (Marcia Cross), die sich nur zu gerne vor dem Oralverkehr drückt, um einen Fleck auf dem Nachttischdeckchen zu entfernen – in Wahrheit aber Alkoholikerin ist.
„Jede Sünde hat Konsequenzen“
Bewegende Szenen, wie aus einem fiebrigen Albtraum von Eva Herman. Kein Wunder, dass Moralprediger in den USA auf die Barrikaden gehen. „Eine schmierige und jede Familie beleidigende Soap“, wettert die American Family Association und ruft zum Werbeboykott auf. Die Ehefrau des Noch-Vizepräsidenten Dick Cheney bittet Mütter sogar eindringlich, ihre Kinder sonntagabends vom TV-Gerät fernzuhalten. Pikanterweise ist das satirische Sittengemälde auch nicht auf einem Nischen- oder Pay-TV-Kanal zu sehen, sondern auf ABC, dem familienfreundlichen Vorzeigesender des Disney-Konzerns.
Doch vor allem die republikanisch wählenden Südstaaten schauen zu. Ob sie sich wiedererkennen oder bloß die Verderbtheit liberaler Ostküsten-Bewohner studieren wollen, ist noch unerforscht. Marc Cherry, Erfinder der „Housewives“, verweist auf den moralischen Kern der Serie. „Jede Sünde hat Konsequenzen“ sei schließlich eine geradezu biblische Botschaft.
Die kommt auch in Deutschland an. Ebenso das Setting (Vorort) und die Tätigkeit der Protagonistinnen (Hausfrau), die bei uns ja sogar immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher Debatten ist, zuletzt im Fall Herman. Dazu passt auch, dass manche Kritiker behaupten, die Serie würde Frauen zu Frauchen degradieren, ihnen die Welt entgleiten lassen, die sie eigentlich erobern sollen.
Insider wissen natürlich: Das kann nur jemand sagen, der nicht weiß, was zu Beispiel mit dem Frauenschläger Wayne am Ende von Staffel 4 passierte. Er wurde mit einer Kugel im Kopf gefunden. Auf einem frisch gebürsteten Teppich.
Timo Lokoschat