Interview

Schlagersängerin Gitte Haenning: "Ich bin sozusagen immer schwanger"

Sängerin Gitte Haenning (74) fühlt sich frei und glücklich - und sie ist herrlich lebensfroh. Ein Interview über Applaus, Antrieb und Berühmtheit.
von  Petra Cichos/Story
"In mir schlummert ein kleiner Rebell": Gitte Haenning.
"In mir schlummert ein kleiner Rebell": Gitte Haenning. © imago images / Horst Galuschka

Mit ihrem Song "Ich will ’nen Cowboy als Mann" wurde die dänische Sängerin Gitte Haenning 1963 zu einer der erfolgreichsten Sängerin in Deutschland. Mit der AZ hat sie über ihre Karriere, Liebe und Zukunftspläne gesprochen.

AZ: Gitte, wie kommen Sie mit der Corona-Zeit zurecht?
Gitte Haenning: Gut, sehr gut. Natürlich hat auch bei mir Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auftritte gestrichen. Konzerte gestrichen. Projekte gestrichen. Damit kann ich persönlich aber gut umgehen. Viel schlimmer trifft es ganz viele andere Künstler, deren Existenzängste immer größer werden. Der finanzielle Einbruch ist enorm.

Sie müssen sich keine Sorgen um sich machen?
Oh nein. Ich habe mir noch nie um mich Sorgen gemacht. Das ist allerdings ein Geschenk, ich weiß. Und ich achte auch dieses Geschenk, dass ich tun und lassen kann, was ich möchte. Dass ich eine große Freiheit besitze. Dass ich unabhängig bin und mein Leben so führen durfte und führen darf.

Gitte Haenning nimmt sich selbst nicht ernst: "Ich bin positiv gestrickt"

Sie meckern nie?
Natürlich kann ich schön meckern und mich aufregen. Aber immer auch mit einer Prise Humor. Weil ich mich selbst nicht ernst nehme. Und weil es einfach keinen Spaß macht, sich anstrengend über etwas zu ärgern. Das kostet Energie. Ich investiere meine Energie lieber in meine Projekte, in meinen Beruf. Ich bin einfach positiv gestrickt. Mir ist nie langweilig. Mein Kopf ist immer noch voller Ideen. Ein Tag vergeht für mich immer viel zu schnell. Es gibt immer so viel zu tun.

Müssen Sie ewig powern?
Ich liebe mein Leben. Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe das Singen. Musik ist nun mal mein Ein und Alles. Egal ob es nun der sogenannte Schlager ist oder Pop-Musik oder Volkslieder oder Jazz. Natürlich liebe ich Jazz etwas mehr. Damit fühle ich mich stimmiger. Oder ein schönes Musical.

Es heißt, dass Sie keinen Schlager mehr singen möchten?
Jetzt gebrauche ich mal das Wort Quatsch: Was für ein Quatsch! Ich lehne auch keinen Schlager ab. Schlager gehört auch zum Begriff Musik. Es ist eben nur eine andere Musikrichtung, und wie man weiß, erreicht diese ein großes Publikum. Schlager ist sozusagen die leichte Muse. Was ist daran zu verurteilen?

"In mir schlummert ein kleiner Rebell"

Sie bereuen keines Ihrer Lieder?
Nein. Nochmals: Schlager hat einen sehr großen kommunikativen Aspekt. Meine Friseurin hat gesagt, dass Schlager die Menschen zusammenbringt. Der leichte Rhythmus, die Beschwingtheit, der Unterhaltungsfaktor. Das Positive. Das Entspannungsgefühl. Es wäre sehr überheblich zu sagen, dass Schlager keine echte Musik sei.

Sie wirken auch echt. Mussten Sie sich nie verbiegen?
Zum Glück nie. Ich habe mir aber auch nicht alles gefallen lassen. Ich kann auch gut rebellisch sein. In mir schlummert ein kleiner Rebell. Ohne streitsüchtig zu sein. Ich mache das dann immer auf meine Art. Zum Beispiel sollte ich mich bei einer Veranstaltung mit an den Tisch eines wichtigen Politikers setzen. Das wollte ich aber nicht und habe mich woanders hingesetzt.

Wieso wollten Sie das nicht?
Weil ich wusste, dass es dann zu Diskussionen kommt und ich diesem Politiker dann bestimmt kräftig meine Meinung sage. Das wäre aber für den Anlass der Veranstaltung nicht gut gewesen. Auch nicht für die Stimmung. Und auch aus Respekt vor den anderen Gästen wollte ich das vermeiden. Das ist auch eine Erziehungsfrage.

Einer Ihrer Hits heißt: "Ich will alles". Wollen Sie alles?
Oh ja. Natürlich. Das Schönste ist doch, wenn man seine Träume und Wünsche verwirklichen kann. Oder ein Ziel hat und darauf hinarbeitet und dann das Ziel erreicht. So ging es mir zum Beispiel mit dem Shakespeare-Musical. Ich habe mein Herzblut und ganz viel Arbeit da reingesteckt. Ich habe alles gegeben, weil ich alles wollte. Ja, ich bin eine ehrgeizige Person.

Gitte Haenning spricht selten über ihr Privatleben

Was macht die Liebe?
Sie liebt. Ich liebe gerne und durfte lieben. Liebe ist doch im Prinzip wirklich alles. Für mich ist auch echte Liebe, den anderen glücklich zu machen. Nicht nur an sich selbst zu denken und die Liebe aufzusaugen, sondern auch Liebe geben zu dürfen. Es ist wunderbar, wenn man Liebe geben darf und natürlich auch Liebe bekommt.

Dürfen Sie gerade Liebe geben?
Wer mich kennt, weiß, dass ich mein Privatleben nicht als offenes Buch auf den Tisch lege. Aber ja, ich darf lieben. Ich habe wunderbare Freunde und Freundinnen. Es ist eine ganz besondere Form von Liebe. Losgelöst von körperlicher Liebe. Tief und ehrlich. Es ist eine Verbundenheit auf einer Ebene, die mich glücklich macht.

Sind Sie glücklich?
Und wie! Ich weiß, dass ich privilegiert bin, so glücklich sein zu dürfen. Und vor allem, ich habe einen großen Spaß am Leben. Mein Vater sagte immer: Man hat oft nur den Spaß, den man selbst macht.

"In der Corona-Zeit bin ich schwanger mit einem Buch"

Sie haben selbst keine Kinder.
Nein. Aber es gibt die zwei wunderbaren Kinder meiner Schwester (Jette starb 2012 mit 69 Jahren an Krebs, d. Red). Auf künstlerischer Ebene habe ich allerdings viele Babys geboren. Und es hört nicht auf. Ich bin sozusagen immer schwanger. Mit neuen Projekten und kreativen Ideen. Das war und ist wohl meine Bestimmung. Bis ich tot umfalle. Irgendwann. Aber noch nicht jetzt.

Woran arbeiten Sie gerade?
In der Corona-Zeit bin ich schwanger mit einem Buch. Jetzt hat man ja Ruhe zum Schreiben. Eigentlich wollte ich ja immer schon mal einen erotischen Liebesroman schreiben. Aber nein, dieses Buch, was ich vorhabe, hat eine andere Thematik. Es wird jedenfalls keine reine Autobiografie. So wichtig bin ich nun auch nicht.

Aber berühmt. Hat diese Berühmtheit ihren Preis?
Auf gewisse Weise schon. Denn ich denke dann immer, dass ich auf einen Sockel gestellt werde, was mir nicht angenehm ist. Ich bin nicht höher oder größer oder besser. Ich bin ein ganz normaler Mensch mit einer kleinen Gabe. Jeder Mensch hat eine Gabe. Oft wird diese nicht gesehen. Und Applaus verdienen andere mehr. Ärzte, Pflegepersonal, die Mutter, die ihr krankes Kind betreut. Die Männer von der Müllabfuhr, die tagtäglich unserem Abfallgestank ausgesetzt sind. Ich könnte noch viel mehr aufzählen. Wer bin ich denn schon dagegen? Es beschämt mich sogar manchmal, wenn ich so viel Applaus bekomme.

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