Schickeria Hummerlos: Die Promis feiern die Krise

Austern, Langusten - das ist alles verschollen. Die feine Münchner Gesellschaft ist jetzt verrückt nach einem Stückchen Brotrinde
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Promi-Zahnarzt-Gattin Marion Küffer mit Bratwurstsemmel
Klaus Primke Promi-Zahnarzt-Gattin Marion Küffer mit Bratwurstsemmel

Austern, Langusten - das ist alles verschollen. Die feine Münchner Gesellschaft ist jetzt verrückt nach einem Stückchen Brotrinde

Arcandor. Opel. Und jetzt auch noch der Kaviar. Ihn hat die Krise voll erwischt. Ein Rettungspaket ist nicht in Sicht. Weder Staatszuschüsse in Millionenhöhe noch Wirtschaftswunderminister zu Guttenberg oder gar eine Abfress-Prämie können ihn retten. Schluck! Der Kaviar ist einfach spurlos verschwunden. Runtergespült mit Jahrgangs-Champagner in die Mägen der Mächtigen.

Die übersättigte und gleichzeitig so ausgehungerte Münchner Society kann ihren Häppchen-Tellern kaum mehr trauen. Ob beim hochkarätigen Schmuck-Event oder der noch so edlen Mode-Party – Kaviar ist out. Mit ihm sind auch gleich noch seine Brüder und Schwestern abgetaucht. Austern, Riesen-Scampi, Langusten sind verschollen.

Aufgetaucht ist die Schickeria Hummerlos.

Nun landen Sachen in den Mündern, die längst verdrängt und verdaut worden sind (siehe Info-Kasten). Fleischpflanzerl, Blutwurst, Schinken, Linsensuppe, Schnitzel, Kartoffeln mit Kartoffeln.

Oder, wie schockierend, ein läppisches Butterbrot. Also ein Brot mit Butter, ohne alles.

Michael Käfer: "Kaviar ist tot. Absolut von gestern."

Feinkost-König Michael Käfer bestätigt den Boom zum Bodenständigen. Der AZ sagt er: „Kaviar ist tot. Absolut von gestern. Das will niemand mehr. Mit der Dekadenz auf dem Teller macht man sich nur noch lächerlich. Die Leute sehnen sich nach guter, alter Hausmannskost – allerdings in Top-Qualität.“

Der aktuelle Trend auf dem Teller sieht demnach so aus: ein politisch korrektes, nachhaltiges Bio-Fleischpflanzerl, gerne im eingeschrumpften trendigen Mini-Format nach dem Motto: Hey, wir haben’s ja alle nicht mehr so dicke; dazu ein Klecks Ketchup.

Bei der letzten Tiffany-Party stürzten sich die Promi-Gäste auf Pommes mit Majo als wären es Gratis-Juwelen. Wer jahrelang im Schickeria-Schlaraffenland schlemmte, freut sich plötzlich viel mehr über eine Glaskuppel, unter der nur eine einzige Brotrinde versteckt liegt. Darauf etwas Butter, eine Prise Salz. Fertig. Das serviert heute Catering-Erfinder Gerd Käfer bei seinen Privat-Festen – und wird dafür bejubelt statt ausgelacht.

„Die Gäste sind verrückt danach“, sagt er der AZ. „Ein frisches Schnittlauchbrot kommt besser an als jeder überladene Hummer-Berg. Das muss man sich mal vorstellen! Es ist frisch, fast umsonst und trotzdem der neue Party-Knaller.“

Während es jetzt auch in der feinen Gesellschaft um die Wurst und ein paar Schnittlauchbrote geht, freuen sich die Gastgeber über die neue Bescheidenheit.

Roland Küffner: "Leute, die Firlefanz essen, sind Firlefanz."

Groß-Gastronom Roland Kuffler zur AZ: „Austern aus Nordaustralien – was für ein Schmarrn! Ich bin ein denkender Mensch und mochte das überteuerte Gedöns deshalb noch nie. Leute, die Firlefanz essen, sind auch Firlefanz. Endlich hören alle auf, das zu essen, was sie sich sowieso nie leisten konnten.“

Er selbst liebt Eisbein, das Arme-Leute-Essen Pichelsteiner Eintopf oder eine klare Suppe: „Die Besinnung aufs Wesentliche ist das Beste an der Wirtschaftskrise. Heute muss sich niemand mehr schämen, ein Bier zu trinken. Am liebsten noch direkt aus der Flasche. Bei meinem letzten Fest gab es Eintöpfe, mehr nicht. Alle haben es geliebt. “

Ein günstiger Pichelsteiner statt Beluga Kaviar (6000 Euro/Kilo) – wie verkraftet diesen Wahnsinns-Wandel nur die Society?

Sie zelebriert die Zünftigkeit. Und solange ihnen niemand die Butter vom Brot nimmt, muss sich wahrscheinlich auch niemand ernsthaft Sorgen machen.

Kimberly Hoppe

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