Schauspielerin Marisa Burger von "Rosenheim-Cops": "Kein Mensch kann in dich hineinschauen"

Mut ist ein sehr wichtiger Bestandteil von Veränderung: Ohne ihn schaffen wir es nicht, über unseren Schatten zu springen und neue Wege zu gehen. Gerade wenn wir etwas schaffen wollen, was uns nicht in die Wiege gelegt worden ist, kommen wir ohne ein wenig Widerspenstigkeit nicht aus.
Die Schauspielerin Marisa Burger stammt aus dem konservativen Altötting und beschreibt in ihrem Buch "Vergiss nie, wie dein Herz am Anfang war" ihren durchaus mutigen Lebensweg: Vom rebellierenden Lehrerkind und dem Freigeist, der sehr jung Mutter wird, bis hin zur Rolle ihres Lebens, der Frau Stockl in den Rosenheim-Cops und ihrer neuen, großen Liebe, ihrem jetzigen Mann.
AZ: "Vergiss nie, wie dein Herz am Anfang war" – ein Titel wie ein Liedtext. Frau Burger, wie ist denn ein Herz am Anfang?
MARISA BURGER: Der Titel ist ein japanisches Sprichwort. Meine Schwägerin, die mit einem Japaner verheiratet ist, hat mich darauf gebracht, und ich fand, dass es wunderbar passt. Unser Herz, wenn wir uns an die Kindheit erinnern, hat oder hatte eine Ehrlichkeit, die wir als Erwachsene im Alltag komplett vergessen. Auch wenn es kitschig klingt: Ein kindliches Herz ist so rein. Diese Reinheit und dieser Glaube, mit großen Augen etwas anzuschauen, die kommen von innen heraus. Und das vergessen wir im Laufe der Zeit. Man sollte trotzdem wieder ein bisschen mehr darauf hören.
Wann haben Sie denn das letzte Mal auf Ihr Herz gehört?
Das geht bei mir oft schon beim Frühstücken los: Heute habe ich mir zum Beispiel statt Kaffee einen Tee gemacht. Und wann hatten wir das letzte Mal eine solche Winterlandschaft? Dann rauszugehen und Schlitten zu fahren, das sind so kleine Impulse, die einfach glücklich machen.
Marisa Burger: "Du hast es in der Hand, für dich die Verantwortung zu übernehmen"
Jetzt kennen die meisten Sie ja seit mehr als 20 Jahren unverändert als die Frau Stockl bei den Rosenheim-Cops. Wie hat sich denn in dieser Zeit im Gegenzug die "echte" Marisa Burger verändert?
Ich habe begriffen, dass allein ich dafür verantwortlich bin, dass es mir gut geht und es nicht immer von anderen erwarten kann. Kein Mensch kann in dich hineinschauen, sondern du hast es in der Hand, für dich die Verantwortung zu übernehmen. Da braucht es Ehrlichkeit mit sich selbst und vor allem Mut, denn man entdeckt bei sich durchaus Sachen, wo man sagt: "Ja, Herrschaft, die sind jetzt nicht so schön." Man ist einfach nicht perfekt, und wenn man sich das eingesteht, da steht dann am Ende die Freiheit. Und zu wissen, wer man wirklich ist.
Gab es da ein Schlüsselerlebnis für diesen Transformationsprozess - und welche Rolle spielt das in Ihrem Buch?
Ich habe kein Rachebuch geschrieben, wo man sagt, ich gebe dem anderen die Schuld, denn da gehören immer zwei dazu. Es war trotzdem so, dass ich in einer sehr vergifteten Beziehung war und gesagt habe: "Ich muss da raus, weil ich nicht mehr glücklich werde." Mein jetziger Mann hat dann zu mir gesagt: "Du musst jetzt erst einmal alleine wohnen, schau mal, wie es ist, es mit dir auszuhalten." Und dann ging dieser Veränderungsprozess bei mir los und ging über zehn Jahre.
Sie waren also erst einmal allein, um sich selbst besser kennenzulernen – was ist dabei denn das Wichtigste?
Mit sich geduldig sein und sich vor allem selbst beobachten. Bei mir war es zum Beispiel so, dass ich früher nie im Wohnzimmer ferngesehen hatte, weil das mein Ex-Partner nicht wollte. Ich bin dann immer ins Schlafzimmer. Und in meiner neuen Wohnung habe ich dann auch sicher zwei Jahre nicht im Wohnzimmer auf meiner schönen Couch ferngesehen – sondern ebenfalls im Schlafzimmer.
Also so eine Art "nacheilender Gehorsam"?
Ja, genau. Das waren so Momente, in denen ich mich selbst angesehen habe und begonnen habe, mich infrage zu stellen: "Warum tust du das, warum traust du dich das nicht?" Es ist wichtig, dann manchmal mit sich selbst zu sprechen: "Sag mal, Burgerin, was machst du denn da schon wieder?" Da darf man sich nicht blöd vorkommen.
Wo können Sie denn von sich sagen: "Da habe ich mich etwas getraut, was meine Eltern nicht getan haben, aber vielleicht gern getan hätten?"
Meine Themen waren: Ich gehe in die Großstadt, ich gehe weg, ich erfülle mir meine Träume, auch wenn ich da Widerstand spüre. Die Leute sagen natürlich: "Das macht man nicht" – und füttern einen da mit Angst. Ich glaube, dass meine Eltern schon auch Angst gehabt haben, weil sie das wiederum von ihren Eltern mitbekommen haben.
Marisa Burger: "Als Teenager bin ich stundenlang in einer Tiefgarage gesessen"
Dieser Mut, diese Rebellion, so einen Zirkel zu durchbrechen, haben die immer schon in Ihnen gewohnt? Oder woher haben Sie sie genommen?
Meine Kelleraufenthalte in Altötting haben mir geholfen: Ich bin als Teenager stundenlang in einer Tiefgarage gesessen und habe nachgedacht, was ich ändern kann für mich. Das war wie ein kontemplativer Moment, wie bei tibetischen Mönchen, die dann in einen trockenen Brunnenschacht hineingelassen werden, um abgeschnitten von der Außenwelt über sich nachzudenken. Musik war dabei auch wichtig: Viele Liedtexte von Depeche Mode oder "Smalltown Boy" von Bronski Beat zum Beispiel haben mich emotional unterstützt und mir gezeigt: "Du bist da nicht alleine." Die waren zwar weit weg, haben mir aber so aus der Seele gesprochen hat, dass ich gewusst habe, ich muss und kann das selbst in die Hand nehmen.
Wie könnte man das jetzt als Ratschlag für mehr Mut zusammenfassen, für das Neue Jahr?
Die Reizarmut ist wichtig, so wie bei meinen Kelleraufenthalten. Ich weiß gar nicht, ob das heute noch so möglich wäre, damals gab es ja auch gar kein Handy und andere Ablenkungen. Man sollte sich trotzdem regelmäßig so etwas wie ein Vakuum schaffen. Das Handy in den Ruhemodus, Meditation, in den Wald gehen oder so etwas Ähnliches. Wir haben in uns eigentlich den schönsten Rückzugsort, wenn man es zulässt.
Wenn man versucht, das noch lebenspraktischer zu machen?
Ich mache das selbst beim Dreh, im Zug oder in der S-Bahn: Ich atme zwei-, dreimal ein und aus und komme bei mir an. Ich blende einfach mal kurz die Umwelt aus. Wenn ich Kopfhörer trage, weiß ich außerdem: Da spricht mich keiner an.
Und wenn man den Sprung leichter schaffen will von der Angst in den Mut?
Dann sollte man sich zuerst die Angst verzeihen, denn ein komplett angstfreies Leben gibt es nicht. Angst kann ja auch Adrenalin sein und einen ein bisschen anspornen. Beim Vorsprechen oder einem ersten Date, da hat man natürlich immer ein wenig Angst, aber das lässt einen ja auch lebendig werden. Auch bei der Stockl ist es so: Wenn da etwas neu ist, ein Regisseur beispielsweise, da pumpt mein Herz immer noch ganz ordentlich.
Marisa Burger: "Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst"
Mut beginnt also wo?
Mut beginnt beim Innehalten. Da, wo man bereit ist, Zeit nur mit sich selbst zu verbringen. Es muss nicht alles gleich krass und Wahnsinn sein, man muss nicht aus dem Flugzeug springen oder ein komplett neues Leben anfangen, diese Worte sind oft zu groß. Mut im Alltag kann auch der Impuls sein: "Ich geh jetzt mal kurz raus, das wird mir jetzt zu viel."
Gerade für empathische Personen erfordert es durchaus Mut, sich mal kurz zu entziehen.
Aber ja, und Mut ist auch nicht die Abwesenheit von Angst. Wer mutig ist, der hat natürlich auch Ängste, die sind ja auch total wichtig, weil sie einen im Notfall schützen können. Man darf nur nicht die Ängste über alles stellen. Wir haben ja eigentlich unser Lebensrüstzeug, man denkt nur oft: "Da liegt so ein Riesenberg vor mir." Aber du hast die Steigeisen, du hast die Bergstiefel, einen Rucksack. Und den kann man sich leichter machen, du musst nicht immer alles nach oben schleppen.
Ein schöner Vergleich. Nur wie kann man sich denn den Rucksack leichter machen?
Mit zwei Dingen. Erstens übers Verzeihen. Wir haben es ja mit Menschen zu tun, die auch ihre eigenen Geschichten haben. Was am schlechtesten erinnert wird, das bleibt oft am längsten haften. Aber dass es auch schöne Momente gab, das vergisst man ganz schnell. Daran sollte man sich aber regelmäßig und bewusst erinnern.
Und zweitens?
Dass man sich zugesteht: "Wenn ich selbst nicht mehr weiter weiß, dann lass ich mir helfen." Man kauft sich Schuhe, geht in die Kneipe, aber dass man mal sagt: "Da putz ich innerlich mal drüber, in meiner Seele oder in meinem Kopf", das macht man viel zu selten und merkt gar nicht, wie gut einem das tut. Auf sich selbst achtet man oft am wenigsten und glaubt, es nicht wert zu sein. Aber da jemanden finden, einen Coach, einen Therapeuten, lässt einen wirklich manchmal leichter durchs Leben gleiten. Das war für mich auch ein Glück. Das braucht es manchmal einfach, wir müssen uns da nicht schämen.