Roman Polanski: Kommt er auf Kaution frei?

Seit Samstagabend sitzt der weltbekannte Regisseur in Zürich in Haft – noch weiß keiner, ob und wann die Schweiz ihn an die Vereinigten Staaten ausliefert. Im Ernstfall droht dem 76-Jährigen eine lange Gefängnisstrafe. AZ-Kolumnist Michael Graeter schüttelt den Kopf
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Vorerst wohl nicht mehr auf roten Teppichen zu sehen: Roman Polanski.
ap Vorerst wohl nicht mehr auf roten Teppichen zu sehen: Roman Polanski.

Seit Samstagabend sitzt der weltbekannte Regisseur in Zürich in Haft – noch weiß keiner, ob und wann die Schweiz ihn an die Vereinigten Staaten ausliefert. Im Ernstfall droht dem 76-Jährigen eine lange Gefängnisstrafe. AZ-Kolumnist Michael Graeter schüttelt den Kopf

Als „Erstausstattung“ erhält Roman Polanski ein Fläschchen Jod, Heftpflaster und fünf Kondome. Dann gibt es fünf Unterhosen, fünf Paar Socken und einen Trainingsanzug. Zum Schluss beim Check-In im relativ freundlichen Bezirksgefängnis Zürich wird ihm ein Foto hingehalten, wie eine Zelle aufgeräumt aussehen muss. Bei Einhaltung dieser „Hausordnung“ bekommt er dann als Häftling fünf Franken pro Tag vergütet, wobei ein Franken davon fürs Fernsehen wieder abgezogen wird.

Seit Samstagabend befindet sich der weltberühmte Regisseur, von dem die Kassenhits „Tanz der Vampire“ und „Rosemaries Baby“ stammen, in Abschiebehaft, was einer strengen U-Haft gleichkommt. Das bedeutet: Täglich 23 Stunden eingesperrt in einer Einzelzelle mit dunkelroter Eisentüre ohne Türklinke mit Klappfach fürs Essen und eine Stunde Hofgang auf schwarzem Asphalt, so groß wie ein Drittel eines Fußballfelds.

Mit diesem „Freiraum“ muss sich der sensible, hochintelligente Filmemacher in den nächsten Wochen begnügen, bis Bern, nicht gerade bekannt für ultraschnelle Entscheidungen, den Entschluss gefasst hat, ob Roman Polanski in die USA ausgeliefert wird, oder nicht. Gleichzeitig hat Polanski über seinen französischen Anwalt Herve Themime bereits die Auslieferung beim Bundesstrafgericht in Bellinzona anfechten lassen.

„Auch wenn er ein Herr Müller gewesen wäre, hätten wir ihn eingesperrt"

Vielleicht wird in seinem Fall schneller gehandelt und nicht vorgegangen, wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, in der Schweiz zuständig für Justiz, cool bei der Verhaftung bekannt gab: „Auch wenn Herr Roman Polanski ein Herr Müller gewesen wäre, hätten wir ihn eingesperrt." Von den vielen Müllers, die tagtäglich am Flughafen verhaftet werden, wird die Schweizer Politikerin kaum Kenntnis haben.

Die internationale Film-Szene ist entrüstet und schockiert. Auf jeden Fall ist die Verhaftung Polanskis die obskurste aller Zeiten. Warum wird der Mann für ein Vergehen eingesperrt, das er vor 30 Jahren begangen hat? Und warum erst jetzt? Der Star-Regisseur lebt schon seit 1970 in der Schweiz.

Das so genannte Opfer verzieh Polanski öffentlich

In Gstaad besitzt er ein gemütliches Chalet, in dem ich mal für eine Woche wohnte, kurze Zeit nach dem grauenvollen Mord an seiner Frau Sharon Tate. Jeden Winter verbringt er dort. Im Sommer reist Roman mit Familie meist nach Ibiza, wo er ebenfalls seit Jahren ein Haus besitzt. 2006 kam der hauptsächlich in Paris lebende Oscar-Preisträger zum Festival nach Venedig, zuletzt drehte er in Berlin einen Film.

Der Fall wegen der angeblichen Sex-Affäre mit einer Minderjährigen in der Villa von Superstar Jack Nicholson liegt drei Jahrzehnte zurück. Das so genannte Opfer, das mit vielen Hollywoodgrößen Kontakt hatte, verzieh Polanski öffentlich. Wahrscheinlich handelte die spröde Justizministerin Widmer-Schlumpf nach dem Buchstaben des Gesetzes. Es gibt seit 1997 einen Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den USA.

Wie es aussieht, wird Polanski wochenlang in Abschiebehaft sitzen müssen. Im Moment wird versucht, dass er auf Kaution freikommt und bis zur Klärung im Haus in Gstaad bleiben muss. Im Ernstfall könnten Roman bis zu 35 Jahre Haft drohen.

Michael Graeter

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.