Robert Atzorn: "Trinken? Nie wieder"

AZ: Respekt, Herr Atzorn – wie schafft man es, mit 68 so fit auszusehen?
ROBERT ATZORN: Ich bewege mich viel, ernähre mich vegetarisch und mache Yoga. Ich mache nicht mal Check-Ups oder Vorsorge-Untersuchungen, da mir diese ganzen komischen Maschinen suspekt sind. Ich habe schon zu viele Freunde in meinem Umfeld erlebt, die kranker vom Arzt zurück kamen, als sie hin sind. Das brauche ich nicht, ich bin mittlerweile selbst mein bester Arzt.
Früher nicht?
Früher bin ich nicht sehr sorgsam mit mir umgegangen und habe vor allem zu viel getrunken. Ich habe mich zwar immer gut ernährt, aber dieser konsequent gesunde Lebensstil ist ein Tribut an mein Alter und ein Bemühen, das Ende noch ein paar Jahre raus zu zögern. Da kommt es mir sehr zugute, dass ich mit einer Yoga-Lehrerin verheiratet bin.
Die Ihnen den Weg leuchtet?
Wir beleuchten uns gegenseitig. Sie hat mir die Entscheidung gegen den Alkohol erleichtert, als wir uns kennen lernten, weil ich plötzlich nach ihr süchtig war. War anfangs sicher nicht ganz einfach für sie, mit meinem Aggressionspotenzial und meiner Unruhe klar zu kommen, aber wir sind lange auf Augenhöhe angekommen. Das klappt seit 37 Jahren so gut, weil die Kommunikation stimmt. Es gibt ja Statistiken, wonach manche Paare nur drei Minuten in der Woche miteinander reden. Wir reden manchmal drei Stunden an einem Tag.
Weil Sie so ein extrovertierter Künstler sind?
Weil ich gelernt habe, wie wichtig es ist, seine Gefühle zu verbalisieren. Das war nicht immer so. Ich war früher sehr in mich gekehrt und schüchtern. Der Beruf hat mir dabei geholfen, meine Gefühle auszudrücken und Stellung zu beziehen. Ansonsten gehst du ja kaputt in meiner Branche.
Es gibt genug windschnittige Kollegen, die nicht so Stellung beziehen wie Sie.
Weil sie Existenzangst haben und alles tun um nirgends in Ungnade zu fallen. Das habe ich abgelegt. Aber ich verstehe gut, wenn Kollegen sich verbiegen um zu überleben. Meine Rente ist zwar auch nicht berauschend, aber ich komme über die Runden. Und beweisen muss ich auch keinem mehr was.
Frei von Eitelkeiten?
Das ist alles abgeblättert. Irgendwann wirst du ganz demütig in diesem Beruf. Bei der ganzen Kritik, die einem entgegen weht, kannst du dich nicht dauerhaft großartig fühlen. Es sei denn, du heißt George Clooney und bist der „sexiest man alive“. Dazu hat es bei mir nicht gereicht, aber dafür habe ich andere Qualitäten entwickelt.
Welche?
Ich habe einen sehr wohltuenden Abstand zu den Dingen. Ich rege mich heute weder über Rollen-Verluste auf, noch Freude ich mich exzentrisch über Anerkennungen. Preise sind ja ganz nett und schön, aber das ist nicht der Grund, warum ich diesen Beruf ausübe. Ich arbeite, weil ich dadurch eine gewisse Lebendigkeit erfahre und meinen Geist anrege. Und nicht weil ich von roten Teppichen, nackten Weibern und Kaviar träume. Es geht um's Hier und Jetzt – und das war nie cooler als heute.
Angst vorm Ende?
Ich lebe mit dem Gedanken, dass es morgen zu Ende sein kann oder die nächste Rolle die letzte sein kann. Und das macht mir komischerweise keine Angst. Aber wie schon der Dalai Lama auf die Frage antwortete: Fragen Sie mich noch mal, wenn es so weit ist.
Vorkehrungen getroffen?
Testament und Patientenverfügung habe ich schon an meinem Sechzigsten verfasst. Grab gibt es noch keines, da ich meine Asche am liebsten im Meer verstreuen lassen würde. Aber da meine Frau mich gerne am Chiemsee hätte, falls sie mich überlebt, sind wir da noch in der Frage.
Warum lebt eigentlich ein Nordlicht am Chiemsee?
Bin hängen geblieben nach der Schauspielschule und fühle mich hier mittlerweile zu Hause. Auch wenn ich die Sprache nie gelernt habe. Aber eine Lederhose habe ich mir mal gekauft, weil ich auf dem Oktoberfest anzapfen durfte. Die haben sich ausgerechnet mich zum Anzapfen ins Bierzelt geholt. Ich habe sogar einmal an der Maß genippt und war erschrocken darüber, wie gut dieses frisch gebraute Oktoberfestbier schmeckt. War ein Grund mehr für mich, da nie wieder hinzugehen. Das mit dem Trinken, das tue ich mir nie wieder an.