Richard Süßmeier: Ein Spitzbua mit 85

Der Parade-Wirt Richard Süßmeier hat am Samstag Geburtstag. Die große Feier zum für den insgesamt 85. Ehrentag wird es am Sonntag geben.
von  Annette Baronikians
Der kleine Richard (rechts hinten) anno dazumal, gut behütet von Schwester Stanislava.
Der kleine Richard (rechts hinten) anno dazumal, gut behütet von Schwester Stanislava. © privat/ho

München - Es gab Zeiten, da hätte nichts und niemand Richard Süßmeier auf die Wiesn bewegen können. Ein gutes Jahrzehnt hat der berühmte Wirte-Napoleon jedes Oktoberfest im Exil in Bad Wörishofen verbracht, „um ned Leuten zu begegnen, deren Anblick meiner Gesundheit geschadet hätte“.

Diese Maxime beherzigte Süßmeier jetzt womöglich auch beim Versenden seiner Geburtstagseinladungen. Zumindest sagt er mit typisch verschmitzter Miene: „Die Politiker hab ich im wohlverdienten Sommerurlaub gelassen.“ Gefeiert wird erklärtermaßen nur mit Familie, Freunden, treuen Kollegen, einstigen Mitarbeitern und Stammgästen.

Heute wird Richard Süßmeier 85 Jahre alt, wobei „alt“ nicht richtig passen mag: Der blitzgescheite Ex-Wiesn-König ist lebenslustig und schlagfertig wie eh und je. So gibt es auch seine Festrede noch nicht, die er morgen bei seiner Geburtstagsfeier in der Gaststätte Großmarkthalle zum Besten geben wird.

„Was ich sagen werde, überlege ich mir ein paar Stunden vorher. Die Rede muss ja schließlich ganz aktuell sein“, sagt Süßmeier lachend bei unserem Gespräch in der „Schmalznudel“ am Viktualienmarkt.

Dass Richard Süßmeier Gastwirt wurde, war ihm quasi in die Wiege gelegt. Schon die allererste Fahrt in seinem Leben führte ihn in ein Wirtshaus: Wenige Tage nach seiner Geburt am 22. August 1930 fuhr seine Mutter mit ihm im Taxi vom Krankenhaus heim – direkt ins Kapuzinereck.

Dieses kleine Wirtshaus am Baldeplatz führten seine Eltern damals. „Mein Vater war ein ausgezeichneter Metzger und Wirt, meine Mama eine exzellente Köchin“, erzählt Richard Süßmeier: „Ich hätte es nicht besser treffen können.“

Seinen Vornamen verdankt er der Schwärmerei seiner Mutter für den damals in München gastierenden Tenor Richard Tauber: „Ich hatte Glück, schließlich sang damals auch Beniamino Gigli in der Stadt. Aus mir hätte also auch Beniamino Süßmeier werden können!“ Er beißt in seine Auszogne. Seine Augen blitzen. Spitzbübisch schaut Süßmeier aus – mit 85.

Aufgewachsen ist er im Straubinger Hof in der Blumenstraße, den seine Eltern 1932 übernahmen. Die Wohnung war im Rückgebäude. Mit seinem ein Jahr älteren Bruder Walter arbeitete der kleine Richard schon früh im Betrieb mit. Die Buben putzten Tische, halfen an der Schänke – und der Krieg sorgte dafür, dass sie im elterlichen Gasthaus zwei Jahre lang auch Schulunterricht hatten. „Im Nebenzimmer des Straubinger Hofs war ein Notquartier des Realgymnasiums“, erzählt Süßmeier: „Das war praktisch, denn so konnte ich mit Hausschuhen und meinem Hund Alma zum Unterricht kommen.“

Was dann folgte, war eine weißblaue Gastronomie-Karriere. Der Wirte-Napoleon, wie er schon bald wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Korsen genannt wurde, eroberte den Spöckmeier, die Gaststätte Großmarkthalle, den Rosengarten sowie das Hotel Amba und stieg bereits mit 28 Jahren in den Olymp der Wiesn-Wirte auf.

Geradezu selbstverständlich zog Süßmeier auf seiner ersten Wiesn nicht wie die anderen Wirte mit einer ehrwürdigen Pferdekutsche ein. Er wählte einen Leiterwagen, gezogen von Eseln – sehr zum Unmut der Kollegen!

Alles, bloß keine Langeweile: Das scheint so etwas wie Süßmeiers Lebensmotto zu sein. Er ist ein schelmisches Münchner Original mit Lust und Begabung zum Verkleiden und Derblecken. Heute noch tritt er umjubelt beim Augustiner-Starkbier-Anstich alljährlich als „Bedienung Maria“ auf. Legendär sind seine „Schnallenbälle“, bei denen er mal verkleidet als Napoleon, mal als „Puffmutter Ricarda“ erschien.

Eine Rolle hätte er sich indes lieber sparen sollen. Der Auftritt als Peter-Gauweiler-Kopie wurde für den Wirte-Napoleon zum Waterloo. „Auf der Wiesn gibt es Bierräusche, aber man kann auch einen Machtrausch bekommen“, kommentiert Süßmeier heute die Ereignisse.

Mit Scheitel und Schnauzer als Gauweiler-Double

Fest steht: 1984 trat er mit Scheitel und Schnurrbart als Gauweiler-Double auf – als launige Antwort auf die angedrohten scharfen Kontrollen des damaligen Münchner Kreisverwaltungsreferenten.

Vor eingeladenen Journalisten führte Süßmeier unter großen Gauweiler-Plakaten kabarettreif vor, wie man aus einem ganzen Brathuhn drei Hälften macht: „Ich hab die dritte Hälfte vorher ins Huhn einnähen lassen. Das war ein Riesenspaß.“

Gauweiler freilich fand die Persiflage so gar nicht lustig und reagierte prompt: Erst gab’s einen Bußgeldbescheid für schlechtes Einschenken, dann wurden 23 Zelt-Hilfskräfte ohne Arbeitserlaubnis aus dem Armbrustschützenzelt geführt. Noch während der Wiesn folgte der Konzessionsentzug. Nach 27 Jahren musste Wirte-Sprecher Süßmeier die Wiesn verlassen.

In den folgenden Jahren wurden die Verfahren entweder eingestellt oder die Prozesse gewonnen. Doch für den ungekrönten Wiesn-König war das Oktoberfest ein für alle Mal vorbei. Dem Wiesn-Aus folgte nach 25 Jahren Ehe dann auch noch die Scheidung von seiner Frau Christa (geborene Pschorr), mit der er zwei Kinder hat. 1991 brannte sein Forsthaus Wörnbrunn fast gänzlich aus. Doch Süßmeier ist ein Steh-Auf-Männchen und machte weiter: „Ich liebe das Leben und hab es noch nie grau in grau gesehen.“

Beliebt ist er nach wie vor. Bei unserem Gespräch wird er unzählige Male angesprochen und mit Handschlag begrüßt. Am morgigen Sonntag wird er über 200 Hände schütteln dürfen. „Ich freu mich auf mein Fest“, sagt Richard Süßmeier: „Das wird sicher eine große Gaudi.“ Daran besteht bei diesem Gastgeber kein Zweifel.

Die AZ sagt: Herzlichen Glückwunsch zum 85. Geburtstag!

 

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