ESC-Misserfolge für Deutschland – Experte ist sich sicher: "Es lag an der Musik"

Zwölf Jahre ist es her, dass Lena Meyer-Landrut mit ihrem Song "Satellite" die Herzen der Fans europaweit bezauberte und beim "Eurovision Song Contest" den Sieg für Deutschland einfahren konnte. Am 11. Mai will Isaak Guderian diesen Mega-Erfolg wiederholen. Ob er mit seinem Beitrag "Always on the Run" tatsächlich ordentlich Punkte ergattern wird, bleibt abzuwarten. Aber was macht eigentlich ein erfolgreiches ESC-Lied aus? Gibt es eine Geheimformel für den Gewinn? Markus Henrik alias Dr. Pop liefert der AZ die Antwort darauf.
ESC-Pleiten: Kaum Punkte für Deutschland
In den letzten Jahren war es für Deutschland nicht leicht, ein gutes Ergebnis beim "Eurovision Song Contest" einzufahren. "Lord Of The Lost" (2023) und Malik Harris (2022) landeten auf dem letzten Platz, Jendrik (2021) und "S!ister" (2019) erreichten lediglich den vorletzten Platz. Zuletzt konnte Michael Schulte 2018 mit einem beachtlichen vierten Platz einen Erfolg für sein Heimatland beim ESC verbuchen.
Woran liegt's, dass Beiträge aus Deutschland beim europäischen Publikum nicht landen können? Einer, der es wissen muss, ist Markus Henrik. Der Autor und Comedian, der als Dr. Pop deutschlandweit bekannt ist, hat der AZ erklärt, was hinter einem guten ESC-Lied steckt.

Schlechte ESC-Ergebnisse – Dr. Pop sicher: "Es lag an der Musik"
AZ: Deutschland hat zuletzt beim ESC nur wenig Punkte von den Ländern und der Jury bekommen. Woran liegt‘s?
MARKUS HENRIK: Dass Deutschland international unbeliebt sei, ist eine leichte Ausrede, die sich aber damit widerlegen lässt, dass Michael Schulte 2018 Vierter geworden ist – Vierter (!) – und der Erfolg von Lena auch nicht so lang zurückliegt wie der von Nicole. Außerdem ist Deutschland in den letzten Jahren international beliebter geworden, selbst in England. Es ist eine gewagte These von mir, aber ich befürchte, es lag an der Musik.
So könnte Deutschland beim "Eurovision Song Contest" besser abschneiden
Was braucht ein erfolgreicher ESC-Beitrag?
Authentizität. Ein Song, den man so schreibt, dass man denkt, er funktioniert beim ESC, ist aus meiner Sicht direkt zum Scheitern verurteilt. Wir bräuchten Auswahlprozesse, ähnlich wie in Schweden oder Italien, die langfristiger sind und bei denen auch weniger bekanntere Musikerinnen und Musiker eine Chance haben. Es gibt sie, die magischen Songs, die plötzlich fast jeden berühren. Nur dafür muss man einen besseren Nährboden bereiten.
Ist der ESC eigentlich noch eine geeignete Plattform, um kulturelles Liedgut aus anderen Ländern zu präsentieren oder hat sich das in Zeiten von Musik-Stream und Youtube überholt?
Dafür liebt man den ESC, wenn eben doch kulturelle Eigenheiten zum Vorschein kommen: manchmal berührend, manchmal etwas ungewollt komisch – ich denke an den Flötenmann aus Moldau beim ESC 2023. Aber selbst der stand am Ende acht Plätze vor dem deutschen Beitrag.
"Wir müssen für den ESC noch mehr Raum für gute, authentische Musik schaffen"
Deutsche Künstler scheinen es, mit einigen prominenten Ausnahmen (Rammstein, Tokio Hotel, Modern Talking, DJ Zedd, Nena), auf der internationalen Bühne nicht einfach zu haben. Warum schafft es deutsche Musik kaum über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus?
Da würde ich eisenhart widersprechen: Auf dem internationalen Markt machen deutsche Musikerinnen und Musiker eine sehr gute Figur. Purple Disco Machine aus Dresden hat letztes Jahr einen Grammy abgeräumt! Auch hinter den Kulissen gibt es hoch qualifizierte Leute. Das Clavinet, mit dem Stevie Wonder für das Motown-Label einige Hits eingespielt hat, wurde in Neumünster erfunden. Wir müssen in Deutschland die sogenannte "populare Musik" noch stärker fördern und beim Auswahlverfahren für den ESC noch mehr Raum für gute, authentische Musik schaffen.