Queen Elizabeth II.: Ins Reich der Legenden

Man kann zur Queen stehen, wie man will, aber Präsenz hat sie bis zum buchstäblich letzten Tag gezeigt. Pflichtbewusstsein - das ist wohl die hervorstechendste Eigenschaft von Elizabeth II. gewesen, und vielleicht hat dies auch zu ihrem langen Leben beigetragen. Denn wer sollte sie ersetzen?
Ein Symbol für das Vereinigte Königreich, wie sie es war, dürfte Sohn Charles allein schon aufgrund der wesentlich kürzeren Zeit, die er auf dem Thron verweilen wird, nicht werden können. Die Verkörperung von gewesen, hieß es bei der BBC.
Und so wurde sie mit den Jahren zu einem Mythos, einer Kultfigur, die ihre eigene Barbiepuppe bekam und auch ansonsten zum Gegenstand verschiedenster Kitschobjekte wurde, deren Thronjubiläen sowohl global zelebriert wurden als auch ganz privat in den Wohnzimmern der Untertanen.
Elizabeth II.: Subtile optische Signale zum Brexit
Die "Großmutter der Nation" - so sah sie wohl nicht nur Rockstar Mick Jagger (79), der, ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch, auf Twitter an sie erinnerte: "Mein ganzes Leben lang war Ihre Majestät, Königin Elizabeth II., immer da."
Dabei waren die letzten Jahre der Queen nicht gerade von oma-typischer Tea-Time zwischen mit Röschen bedruckten Sofakissen geprägt. Das Premierministerkarussell drehte sich immer schneller seit dem Abgang von David Cameron 2016. Und der war direkt verbunden mit dem Brexit.
Was die Queen von dem Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union hielt? Eine öffentliche Meinung durfte sie nicht haben (was vielleicht nicht unerheblich zu ihrer Beliebtheit beigetragen hat), aber es blieben ihr immer noch subtile optische Signale: So wurde heftig diskutiert, ob einer ihrer Hüte an die EU-Flagge erinnerte und damit eine Ablehnung des Brexit symbolisieren sollte. Humbug, stellte später ihre Schneiderin klar.
Zu der Krise jedenfalls, in die Großbritannien durch die Entscheidung für den Austritt stürzte, schwieg die Queen. "Gut übereinander zu reden, unterschiedliche Standpunkte zu respektieren", das empfahl sie in einer Rede - ein sehr dezenter Hinweis? Vielleicht.
Die Queen zum Brexit: "Unsere Verbindung wird stark bleiben"
2018 sagte sie in einer Rede anlässlich des Staatsbesuchs von König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande: "Mit dem Blick auf eine neue Partnerschaft mit Europa sind es unsere gemeinsamen Werte und Verpflichtungen füreinander, die unser größtes Kapital sind - und die zeigen, dass selbst in Zeiten des Wandels unsere fortdauernde Verbindung stark bleiben wird."
2020 billigte die Queen das Brexit-Gesetz. Es blieb ihr auch gar nichts anderes übrig. Da hatte sie es schon mit dem dritten Premier seit der Entscheidung für den Brexit zu tun: War es 2016 noch David Cameron, der alles ins Rollen gebracht hatte, musste sich Elizabeth nun mit Boris Johnson abgeben. Dazwischen trug für drei Jahre Theresa May die Verantwortung, die vielen nur wegen ihres extravaganten Schuhwerks in Erinnerung ist.
Keine Pressefotos bei der Taufe von Archie: Es hagelt Kritik
Zum Brexit gesellte sich zum ganz persönlichen Leidwesen der Queen dann auch noch der Megxit. Bei der Hochzeit von Lieblingsenkel Prinz Harry mit US-Schauspielerin Meghan Markle 2018 herrschte noch eitel Sonnenschein. Doch schon kurz nach der Geburt des ersten Kindes trübte sich die Stimmung. Zu privat wollte das Paar die Familienangelegenheiten halten, keine Pressefotos bei der Taufe von Sohn Archie zulassen.
Das sorgte bald für Kritik, schließlich wollte das Volk auch etwas sehen für sein Geld. Gut 87 Millionen Pfund (gut 100 Millionen Euro) ließen sich die Steuerzahler im Jahr 2020/21 die Monarchie kosten, wie der Königliche Haushalt angab. Unter anderem hatten sich die Ausgaben für Renovierungsarbeiten am Buckingham-Palast stark erhöht.
Schließlich kam es zum großen Bruch: Harry und Meghan stiegen aus der "Firma" aus und wollten fortan als Privatleute ihr Geld verdienen. Auch die Kosten für die Renovierung ihres Herrenhauses Frogmore auf dem Gelände von Schloss Windsor wollten sie zurückzahlen - die hatten ebenfalls öffentliche Kritik ausgelöst. Etwa 2,7 Millionen Euro soll der Spaß umgerechnet gekostet haben.
In einem nicht mit der Queen abgesprochenen Interview hatten sie sich zudem massiv über die Presse beklagt. Im März 2020 hatten sie ihren letzten öffentlichen Auftritt als Königliche Hoheiten - er ging fast unter in der beginnenden Corona-Pandemie.
Einsame Queen: Prinz Philip stirbt im April 2021
Die beiden Abtrünnigen zogen in Meghans Heimat, die USA, und machten weiter mit Interviews von sich reden, indem sie unter anderem von Selbstmordgedanken Meghans berichteten und Rassismusvorwürfe gegen die Royals erhoben, von denen sie aber die Queen explizit ausnahmen.
Es wurde einfach nicht ruhig um die Queen. Zu Weihnachten 2020 machte sie ihrem Volk in der Pandemie, die Großbritannien besonders heftig traf, noch Mut: "Im Vereinigten Königreich und in aller Welt haben die Menschen die Herausforderungen dieses Jahres hervorragend gemeistert, und ich bin so stolz und bewegt angesichts dieser besonnenen, unbezwingbaren Haltung."
Die musste sie selbst bewahren, als im April 2021 ihr Mann starb, Prinz Philip. Er sei ihr "durch all die Jahre eine konstante Stärke und ein Wegweiser" gewesen, hatte sie ihn bereits zum 60. Jahrestag ihrer Thronbesteigung gewürdigt. Nun ließ er sie inmitten der Pandemie allein. Das Bild der einsamen Queen bei der Trauerfeier ging um die Welt.
Sie selbst erkrankte im Februar 2022 an Corona, berappelte sich und musste doch bei den Feiern zum Platin-Jubiläum kürzertreten. Dann erfüllte sie bis zum beinahe letzten Atemzug ihre Pflicht, ernannte noch Premierminister Nummer 15 ihrer Regentschaft und verabschiedete Nummer 14.
Damit senkte sich der Vorhang. Das letzte Bild zeigt die Queen lächelnd. So wird sie weiterleben: als Puppe, auf Bechern, Plakaten und im Herz manches Royalisten.