Queen-Besuch: „Sie ist jetzt lockerer“

Kaum ein Königstermin in der ARD ohne Rolf Seelmann-Eggebert: Seit Jahrzehnten ist er der Adelsexperte Nummer eins im deutschen Fernsehen. Der Monarchie-Kenner saß schon am Mikrofon, als Prinz Charles 1981 in London Diana heiratete. Wenn Queen englische Queen vom 23. bis 26. Juni Deutschland besucht, wird auch der 78-Jährige wieder dabei sein.
AZ: Herr Seelmann-Eggebert, Sie waren bereits 1965 beim ersten Staatsbesuch der Queen in Deutschland als Reporter dabei. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Seelmann-Eggebert: Vor allem der Jubel. Der Besuch dauerte elf Tage und war ein Triumphzug für beide Seiten. Die Deutschen waren wie aus dem Häuschen und fühlten sich wieder aufgenommen in die westliche Gemeinschaft. Auch englische Queen hat den ersten Staatsbesuch in allerbester Erinnerung. Noch dazu hat sie damals auch Mitglieder der Familie kennengelernt, die sie bis dahin noch nicht erlebt hatte.
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Selbst Hollywoodstars sind als Fans, etwa von Kate und William, bekannt. Was begeistert Menschen aus aller Welt am englischen Königshaus?
Das hat natürlich damit zu tun, dass man Funktionen in den Monarchien nicht erwerben kann. Man kann nicht eine Million Dollar auf den Tisch legen und sagen: So, nun bin ich mal Prinz. Das sind eben Erbmonarchien. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Monarchien mit der Zeit gehen. So ist zum Beispiel das Prinzip „Adel heiratet Adel“ inzwischen auf den Kopf gestellt worden. Da findet ein Anpassungsprozess statt, den sicherlich viele Menschen spannend finden. Und letztlich bleiben immer Geheimnisse. Es ist nie so, dass man alles weiß.
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Würden Sie sagen, die Deutschen pflegen ein besonderes Verhältnis zur Queen und der Royal Family?
Niemand unter den Staatsoberhäuptern weltweit dürfte hier so populär sein wie englische Queen. Das hängt natürlich auch mit ihren 63 Jahren auf dem Thron zusammen. Ich denke, viele Deutsche wissen aber auch um die verwandtschaftlichen Beziehungen früherer Herrscherhäuser in Deutschland zum englischen Königshaus. Man weiß, dass Prinz Philip viel deutsches Blut in sich hat und sehr gut Deutsch spricht. Die Nähe ist da, und so borgt man sich gern den Glanz der Queen für die eigene Fantasie – ohne dafür bezahlen zu müssen.
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Welche Bedeutung hat dieser Besuch für englische Queen?
Sie ist das erste Mal vor 50 Jahren in Deutschland gewesen. Sie freut sich darauf, nach 50 Jahren ihren fünften Besuch zu machen. Für Jubiläen hat englische Queen immer etwas übrig. Und nicht zuletzt findet dieser Besuch 70 Jahre nach Kriegsende statt.
Welche Erwartungen haben Sie an diesen Besuch? Was dürften aus Ihrer Sicht die Höhepunkte werden?
Man weiß, dass die Königin, die nie zuvor in einem ehemaligen Konzentrationslager gewesen ist, selbst den Wunsch geäußert hat, nach Bergen-Belsen zu fahren. Man kann sich vorstellen, dass das ein Thema ist, das sie immer beschäftigt hat. Sie hat als junge Frau 1945 die Befreiung von Bergen-Belsen durch britische Soldaten mitbekommen, und damals ist Großbritannien erstarrt vor Entsetzen. Ich vermute, dass diese Bilder und Erkenntnisse von damals die Königin durch ihr ganzes Leben begleitet haben. Doch so wie sie die schlimmsten Seiten Deutschlands sehen wird, wird sie auch seine besten Seiten erleben: beim Besuch der Frankfurter Paulskirche als Wiege der deutschen Demokratie.
Wie hat sich englische Queen in den mehr als 60 Jahren ihrer Regentschaft verändert?
Früher hat sie die Rolle der Queen gespielt, heute ist sie englische Queen. Sie hat nicht mehr diese zwei Gesichter, sondern ist als Urgroßmutter absolut bereit, alle möglichen Geschichten mitzumachen. Sie ist sehr viel lockerer geworden.
Worauf legt englische Queen bei Auslandsbesuchen Wert?
Sie wird auch diesmal Wert darauf legen, dass sie an bestimmten Stellen, wo es vom Sicherheitsrisiko her überschaubar ist, mit deutschen Bürgern reden kann. Sie spricht zwar nicht selber Deutsch, versteht es aber ganz gut.
Was wäre der größte Fauxpas, wenn man plötzlich vor ihr steht?
Sie verzeiht es natürlich, wenn jemand sie anspricht, obwohl er eigentlich abwarten müsste, bis sie ihn anspricht. Was sie aber wirklich hasst, ist, wenn sie keine Gesichter mehr sieht, sondern nur noch in Linsen von irgendwelchen Fotoapparaten schaut. Und was sie ganz besonders entsetzlich findet: wenn sie dann auch nur noch Rücken vor sich hat, weil derjenige gerade mal ein „Selfie“ mit der Queen machen will.