Prozess gegen Jérôme Boateng: Fußball-Star lehnt Einigung ab und will nicht aussagen

Sie haben zwei gemeinsame Töchter (10), führten elf Jahre lang eine "On-off-Beziehung": Der langjährige, ehemalige FC Bayern-Verteidiger und Fußballweltmeister Jerome Boateng und die Justizangestellte, die mit ihrem Namen heute nicht mehr in den Medien erscheinen will.
Seit gestern steht Boateng in München erneut wegen Körperverletzung vor Gericht. Kurz vor 10 Uhr steigt er im schicken grauen Anzug und blütenweißen Hemd aus einem schwarzen Van mit abgedunkelten Scheiben. Auf dem kurzen Weg ins Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße wird er von mehreren Bodyguards begleitet.
Es ist das zweite Mal, dass ein Richter über die schweren Anschuldigungen urteilen muss, die seine langjährige, ehemalige Lebensgefährtin gegen Boateng erhebt. Im September 2021 ist er wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro verurteilt worden: insgesamt 1,8 Millionen Euro.
Vorwurf der Körperverletzung: Ex-Freundin von Jérôme Boateng sagt aus
Das Urteil ist nicht rechtskräftig geworden. Alle Seiten haben dagegen Berufung eingelegt: der Fußballer, die Staatsanwaltschaft und auch die Geschädigte. Die Staatsanwaltschaft will eine härtere Strafe, Boatengs Anwälte einen Freispruch.
Normalerweise haben Fußballmillionäre ein großes Interesse daran, dass unschöne Beziehungsdetails, die alles andere als instamgramtauglich sind, nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Doch genau das geschieht nun wieder im Saal A 201. Richter Andreas Forstner versucht noch, das zu verhindern.
Zum Prozessbeginn schlägt er vor, man könne das umfangreiche, "ungute" Verfahren auch ohne großen Aufwand beenden "im Interesse aller". Die Juristen beraten sich in einem Nebenraum, kommen zu einem Ergebnis, in dem es nur noch um die Höhe der Strafe gehen würde.
Doch Boateng lehnt ab. Das könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und auch nicht gegenüber seinen Kindern verantworten, erklärt er über seinen Anwalt. Vor einem Jahr hat er noch umfangreich ausgesagt. Dieses Mal will er das nicht: "Er bestreitet strafbares Tun, wird sich aber sonst nicht zur Sache äußern", erklärt sein Anwalt. Boateng erwarte einen "fairen Prozess". Dann faltet er seine Hände im Schoß, lehnt sich zurück. Er wirkt gefasst.
Boateng soll ihr ein Haus angeboten haben, wenn sie nicht aussagt
Der Vorsitzende Richter reagiert achselzuckend: "Hilft nichts" – und tritt in die Beweisaufnahme ein.
Boateng schweigt. Dafür berichtet die frühere Lebensgefährtin ausführlich. Es geht um einen Urlaubsabend in einem Luxusresort auf den Turks- und Caicosinseln, kurz nachdem die deutsche Nationalmannschaft 2018 aus der WM geflogen war. Boateng und die Mutter seiner Kinder verbrachten mehrere Tage gemeinsam mit ihren Zwillingen und zwei Freunden.
An dem Schicksalsabend spielten die Erwachsenen Karten, dabei schummelte Boateng angeblich. Es kam zum Streit, der mit einem Gewaltausbruch endete: "Dann hat er mich so ein Stück nach vorne gerissen an den Haaren." Boateng habe ihr den Daumen ins Auge gedrückt, ihr mit der Faust in die Nierengegend geboxt und ihr in den Kopf gebissen. Er habe ihr blutigen Speichel ins Gesicht gespuckt und sie übelst beleidigt.
Mehrmals berichtet die Ex-Freundin, es sei nicht die erste Attacke gewesen. Die Beziehung sei "toxisch" gewesen – geprägt von Streit, Untreue, Gewalt, wenig Gesprächen. "In der Vergangenheit sind solche Übergriffe oft passiert." Sie sei daran gewöhnt gewesen.
Später habe Boateng sie dazu bewegen wollen, nicht auszusagen und ihr über Dritte ein Haus in München, ein Auto und Geld angeboten sowie regelmäßigen Umgang mit den Kindern.
Boateng schüttelt während der Aussage mehrmals den Kopf und spricht leise mit seinen Anwälten. Aus deren Sicht stellt sich alles ganz anders dar. Sie äußern immer wieder Zweifel an den Aussagen der Ex-Freundin. Gen Ende des ersten Prozesstages beantragen sie, sämtliche Familienrechtsverfahren, die es am Amtsgericht gab, in den neuen Prozess einzubeziehen. Es sind insgesamt 18 Verfahren, in denen es um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und den Umgang mit den beiden Zwillingstöchtern geht.
Das bedeutet: Der Berufungsprozess kann dauern. Der Richter fasst die Argumentation der Verteidigung so zusammen: "Sie hat alles erfunden wegen familienrechtlicher Bezüge." Der Richter weiter: "Wir haben viel Zeit. Wenn es denn sein soll, werden wir uns die Zeit nehmen." Die Mädchen leben in Frankreich bei Boateng, der derzeit bei Olympique Lyon unter Vertrag steht.