Profan und heilig: Was bleibt von Prinzessin Diana – und warum?

Diana Spencer ist vor 25 Jahren in Paris bei einem Autounfall verunglückt. Was bleibt von dieser weiblichen Ikone? Und was sagt das über uns heute aus?
von  Thilo Wydra
Prinzessin Diana nach dem Besuch im "Mortimer Market Centre"-Krankenhaus für HIV-Infizierte und Aids-Kranke in London 1996.
Prinzessin Diana nach dem Besuch im "Mortimer Market Centre"-Krankenhaus für HIV-Infizierte und Aids-Kranke in London 1996. © picture-alliance/ dpa

Paris. Wieder in der Stadt. Beim Gang vor die Tür ist an diesem Tag etwas anders. Es liegt was in der Luft dieser Stadt. Es sind noch analoge Zeiten ohne Mobiltelefone, ohne Internet und E-Mail, ohne Social Media und ohne Hashtags. Es gibt kein Google und auch kein Facebook oder Twitter. Man ist nicht immer und überall erreichbar.

Paris scheint verstummt gewesen 

Hat man am Morgen nicht schon den Fernseher oder das Radio eingeschaltet, so ist man keineswegs darüber informiert, was seit dem vergangenen Abend in der Welt geschehen ist.

An diesem Vormittag scheint Paris urplötzlich verstummt zu sein. Zwar fahren Autos den breiten Boulevard Haussmann entlang, doch die sonst übliche Hektik und Lautstärke scheinen auszubleiben. Auf den Trottoirs kommen einem Menschen beinahe wie gewohnt entgegen, doch wirkt es in der Subjektive, als seien es an diesem Tag weniger. Denn: Man hört gar kein Stimmengewirr. Niemand ruft jemandem etwas zu. Niemand schimpft über zu schnelle Autofahrer, keiner hupt einen Fußgänger entnervt an. Und es hat etwas ganz Frappierendes und Befremdendes, dass die Menschen scheinbar nicht viel miteinander reden.

Niemand begegnet einem, der lauthals im Gespräch mit jemand anderem ist und dabei gestikulierend oder auch lachend parlierend den Trottoir entlangflaniert. Niemand lacht. Niemand ist laut. Die Leute gehen, als gingen sie in Slow Motion, in Zeitlupe.

Zeitungen: Diana-Schlagzeilen in großen schwarzen Buchstaben

Diese Menschen also wissen es schon - aus dem Frühstücksfernsehen oder dem Radio. In jenen Zeiten gibt es in Metropolen wie Paris, London oder Rom oftmals noch die Abend- oder die Mittagsausgabe der großen führenden Tageszeitungen. Auch werden die Schlagzeilen in großen schwarzen Lettern durch weiße Aushänge angekündigt. Irgendwann sind die ersten Zeitungsaushänge an einem der grünen Kioske zu sehen.

Unwirklich ist es, was darauf zu lesen steht - die großen französischen und englischen Blätter titeln an diesem Pariser Sonntagmittag in Sonder- und Extra-Ausgaben: "Mort de la Princesse". Oder: "Lady Diana Is Dead". Sowie: "Diana Dies In Paris Car Crash". Einige der Zeitungen titeln mit lediglich zwei Wörtern und räumen dafür die ganze Seite eins: "Diana Dead".

Diana ist omnipräsent im kollektiven Gedächtnis gewesen

Es ist die denkbarste sprachliche Verknappung dessen, was global jeder Leser, jede Leserin im Moment der Wahrnehmung dieser Zwei-Wort-Schlagzeile vergegenwärtig. Denn die Person, um die es hier geht, ist omnipräsent im kollektiven Gedächtnis. Diana ist tot, Paris verstummt.

Hinter der verglasten Terrasse eines Café-Bistros an einer der unteren Ecken des Boulevards Malesherbes nahe der Rue Royale ist zu sehen, wie die Nachrichten über den alten, kleinen Schwarzweiß-Fernseher flackern, der oben unter der Decke hängt: Aufnahmen aus Paris, Bilder von der Tunnelunterführung an der Pont de l'Alma - es ist von hier, unweit der Place de la Concorde, nicht einmal sonderlich weit, Luftlinie etwa einen Kilometer.

Das, was dort nun über den Bildschirm läuft und an den grünen Kiosken in riesigen Lettern gedruckt steht, ist kaum zu fassen: Es hat etwas gänzlich Surreales.

Anmutende Stille entsteht: Paris trauert

Zugleich ist in den Straßenzügen von Paris zu spüren, wie aus dem Fehlen jeglicher Lautstärke zunehmend eine nahezu gespenstisch anmutende Stille wird, so, als hätte sich eine alle Geräusche dämpfende, sie regelrecht erstickende schwere Decke über sie gelegt, so, als würden nicht nur die Menschen, sondern auch die Gebäude selbst, die Plätze und Parks, die Bäume und Vögel, und die auf den Trottoirs ausgeführten Hunde in dieser sonst so vor Leben pulsierenden Millionen-Metropole schweigen. Stunde um Stunde wird es stiller in dieser Stadt, die zu trauern beginnt.

Ist man selbst an diesem Tag in Paris vor Ort, da man dort wohnt oder arbeitet oder zu Besuch ist, so kann man diesen Tag, diese Zeit nie vergessen. Ähnlich dem 11. September 2001, bei dessen Erinnerung jeder Mensch sofort weiß, wo er sich aufgehalten hat, und vielleicht auch mit wem, ist dieser Tag zum ikonischen Datum geworden.

Diana Spencer - Princess of Wales, Mutter zweier Söhne, Königin der Herzen, Medien-Phänomen, Ikone des 90er-Jahrzehnts - ist in der Nacht dieses hellen, warmen und eigentlich friedlichen Pariser Sommertags brutal ums Leben gekommen. Es ist Sonntag, der 31. August 1997.

Dianas Verdienst fasst Tony Blair zusammen

Eines von Diana Spencers langfristigen Verdiensten fasst der frühere Premier Tony Blair im Hinblick auf jene letztlich historisch entscheidende Woche zwischen dem 31. August und dem 6. September 1997 - dem Tag der Beerdigung, die von 2,5 Milliarden Menschen an den Fernseh-Bildschirmen rund um den Globus gesehen wird - etliche Jahre später gegenüber der BBC essenziell zusammen: "Am Ende jener Woche waren wir zu einem neuen Verständnis zwischen der Monarchie und dem Volk gekommen. In jener Woche zeigten die Queen und die Monarchie, dass sie die Fähigkeit hatten, sich anzupassen und zu erkennen, was sie aus Dianas Leben annehmen könnten, um die Monarchie voranzubringen."

Und Tony Blair ergänzt noch: "Heute halten wir die Prinzen Harry und William für zugänglich. Sie sprechen wie normale Menschen, handeln wie normale Menschen. Es ist nicht schwer, sich ihnen verbunden zu fühlen. Aber wenn man die Zeit zurückdreht, erkennt man, dass Diana das erste Mitglied der königlichen Familie war, das sich wirklich wie ein normales menschliches Wesen verhielt."

Heute eine zeitlose Ikone von globaler Popularität

Diana Spencer ist heute eine zeitlose Ikone von globaler Popularität. Sie hat Stil und Mode ebenso geprägt wie das royale Haus, in dem sie eine Zeit lang wirken konnte. Es ist diese Wirkung, die ihr viel zu früher Tod überdauert hat und auch heute zu spüren ist, schaut man sich das Haus der Windsors an: Diana hat frischen Wind in Buckingham Palace und Kensington Palace gebracht, sie hat letztlich langfristig die Monarchie für die Moderne vorbereitet und geöffnet. Die Windsors heute wären ohne Diana gestern so nicht denkbar. Ein grundlegender Wandel, ausgelöst durch Diana, hat sich vollzogen.

Grundlegender Wandel bei den Windsors durch Diana 

Diana wirkt daher gerade auch posthum wie ein Katalysator für Monarchie und Volk. Ein Teil ihres Vermächtnisses ist es, dass sie die Öffnung und Modernisierung des seinerzeit sehr weltabgewandten, verschlossenen, verstaubten britischen Königshauses allein nur durch ihr unorthodoxes Verhalten vorangetrieben hat. Zu Lebzeiten nimmt sie die Funktion einer Vermittlerin ein, eine, die Brücken schlägt und Gräben überwindet.

William konnte Hype um Diana zunächst nicht verstehen

"Ich konnte damals nicht verstehen, warum die Menschen schrien und so emotional waren. Sie kannten unsere Mutter doch gar nicht. Ich wollte sie eigentlich davor schützen", erklärt Dianas älterer Sohn Prince William einmal. "Aber aus heutiger Sicht kann ich sagen, ich habe inzwischen verstanden, was sie für die Welt und für viele Menschen bedeutete. In den neunziger Jahren gab es nicht viele Leute wie sie. Sie brachte Licht und Farbe in eine Welt, die recht grau war."

"Ich glaube, ich werde einen ganz anderen Weg gehen als alle anderen", sagt Diana Spencer zu Beginn der neunziger Jahre. Diesen anderen Weg hat sie zweifellos beschritten. In aller Konsequenz. Bis ans bittere, tragische, viel zu frühe Ende. Dieses unglamouröse und unwürdige Ende, das ebenso banal war wie brutal.

Singuläres Phänomen, von den Massen verehrt und geliebt

Das ikonische Moment an Diana Spencer scheint von Zeit und Raum vollkommen losgelöst zu sein - es galt im Gestern, es gilt im Heute, und es wird auch im Morgen gelten. Sie ist eine populärkulturelle Größe. Sie ist ein singuläres Phänomen, von den Massen verehrt und geliebt. Es gibt nur wenige Persönlichkeiten der kulturellen Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, auf die dies in solcher Form und in diesem Ausmaß zutrifft.

Die meistfotografierte Frau der Welt etablierte zahlreiche karitative und soziale Einrichtungen, gab als Erste einem an Aids erkrankten Mann ohne Handschuhe und ohne sonstigen Schutz die Hand, ging auf die Armen zu, auf gesellschaftliche Randgruppen. Sie machte auf Landminen aufmerksam und wo auch immer sie war, liefen ihr die Kinder nur so zu.

In Diana spiegelt sich eine grundlegende Sehnsucht wider

Neben allem Glamour ist da etwas ganz und gar Unprätentiöses: In Diana Spencer spiegelt sich eine grundlegende Sehnsucht der Menschen wider.

Dieses blonde fragile Mädchen aus der ostenglischen Grafschaft Norfolk, scheu und schüchtern, das sich immer so anders fühlte, fremd fühlte, deplatziert, das oftmals schlechter behandelt und benachteiligt wurde, sich in Kindheit und Jugend schon als Außenseiterin empfand, als ungesehen, ist später Millionen Frauen ein Vorbild. Diana ist Projektionsfläche und Identifikationsfigur.

Haltung den Menschen gegenüber. Offen, unverstellt und authentisch

Es sind ihre Kinder - allen voran der einmal auf seinen Vater Charles folgende Prince William -, die durch ihre Präsenz und ihr Engagement die Erinnerung an ihre Mutter wachhalten. Und trotz aller Höhen und Tiefen in ihrem Leben, trotz ihres dualistischen, widersprüchlichen Charakters, hat die Princess of Wales sich doch eines ein Leben lang bewahrt: Ihre Haltung den Menschen gegenüber. Offen, unverstellt, authentisch.

Hierin liegt ihre eigentliche Größe, ihr Vermächtnis. Hierin liegt das Moment des Zeitlosen, das Moment, das sie ikonisch werden lässt.


Von Thilo Wydra ist gerade "Grace Kelly und Diana Spencer - Zwei Frauen. Zwei Leben. Ein Schicksal", Heyne, 384 Seiten, 60 Abbildungen, 22 Euro) erschienen

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