Pretty Helmut feiert die 65 ganz leise
Visconti-Star Berger schlägt im goldenen Herbst seines Lebens auf. Freunde lassen heute in einem Nobeldorf eine Party steigen – Michael Graeter gratuliert
George Clooney ist schön, Helmut Berger erst recht. 17 Jahre reifer als der amerikanische Frauenschwarm schlägt heute die männlichste Diva der Welt im goldenen Herbst des Lebens auf. Helmut und 65, das passt gar nicht.
Ich weiß, dass Berger lange schläft. Also rufe ich mittags gegen halb eins an. Erst läuft sein Anrufbeantworter, dann nimmt er doch den Hörer ab. Helmut hat gerade eine Tasse Tee intus. Seine angenehme Stimme klingt unverändert. Im Gegensatz zu früher, wo er in Monte Carlo, Rio, St. Moritz, St. Tropez oder London feierte und die wildesten Feste gab, macht er an diesem denkwürdigen Datum überraschenderweise nichts. Aber: Freunde lassen heute Abend zu seinem Geburtstag eine Party steigen. Sie haben ihn nach Hallwang eingeladen, dem neuen Nobelviertel außerhalb Salzburgs, wo auch Rennfahrer Ralf Schumacher lebt, und weihen mit Helmut eine neue Villa ein.
„Früher war Anif das Viertel der Vornehmen, wo auch Grande Dame Eliette von Karajan wohnt. Heute ist es offenbar Hallwang. Ich war noch nie dort“, sagt Helmut leise. Es wird ein kleines Fest, in gemütlicher Runde. Aber so richtig ausgelassen freuen könne er sich an dem Tag ohnehin nicht, weil es auch der Todestag seiner intimsten Freundin ist - Romy Schneider.
Geschmackssicher, neugierig, feinfühlig
Ich höre, wie Helmut Berger genussvoll an einer Zigarette zieht, und von seiner Mutter erzählt, bei der er wohnt, wenn er nicht mal schnell nach Rom jettet, wo er noch eine Bleibe hat. „Mama ist jetzt gerade 90 geworden. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie fit die ist“, schwärmt der Filmstar, der ein appetitlicher, liebenswürdiger, geschmackssicherer, neugieriger und feinfühliger Dorian Gray sein kann, wenn das Blut ohne Fremdstoffe durch seinen Körper fließt, den Frauen wie Marisa Berenson und Bianca Jagger oder Männer wie Lucchino Visconti geliebt haben.
Helmut, dessen Gesicht, wenn er sich einen Bart stehen lässt, leicht Kini-Konturen annimmt, ist einer der letzten Paradiesvögel, ohne den die Szene grauer wäre.
Er weiß nicht, was Moral ist. Ebenso weiß er auch nicht, was Unmoral ist. „Ich handle nach meinem Gewissen“, erklärt er seinen Leitspruch. Tabus kennt er keine. Als ich mich vorsichtig nach seiner körperlichen Konstitution erkundige, klärt er sofort auf, es gäbe keine Anzeichen für Schwäche. Berger behauptet, sein „Silvio“ ist noch ständig präsent.
Ein Dschungelfest mit zehn Ladies
In Cannes lud mich der Schauspieler während eines Filmfestivals zu einem pikanten Stehgreif-Interview ein. Es war fünf Uhr Nachmittag, als ich ihn von der Rezeption des Carlton-Hotels anrief und er sagte: „Komm einfach rauf.“ Die Tür zu seiner Suite war offen. Im riesigen Doppelbett saßen Helmut und Mick Jaggers Ex-Frau Bianca Jagger gemütlich beim Frühstück. „Setz’ Dich zu uns, nimm Dir Kaffee und Eier“, lud er ein und rückte etwas zur Seite. Dieses spontane Dreier-Breakfast im Bademantel schien Bianca dann doch nicht so sehr zu gefallen. Während Helmut seine Späße trieb, verschwand sie nach kurzer Zeit im Badezimmer.
Seine Filme „Die Verdammten“ und „Ludwig II“ sind Klassiker auf dem Weltmarkt des Kinos. Als sein Entdecker starb, machte Helmut oft mehr durch private Exzesse Schlagzeilen. Im Münchner Nobel-Hotel „Vier Jahreszeiten“ bekam er Hausverbot. Das kostbare Inventar seiner Suite musste für ein spontanes Dschungelfest herhalten, bei dem an die zehn Ladies, darunter Prinzessin Johanna zu Sayn-Wittgenstein, spätere Frau Flick und noch spätere Frau Douglas und noch viel spätere Frau Walter sowie Rosemarie Springer (Zeitungsdynastie) Pretty Helmut in ihre Mitte nahmen.
Man ging so richtig aus sich heraus. Gobelins wurden von den Wänden gerissen und zum Kostüm unfunktioniert. Lüster dienten als Lianen, mit deren Hilfe zehn Frauen und ein Mann den Tarzan machten. 90 000 Mark standen anschließend auf der Hotelrechnung unter „Extras“ , darunter der Vermerk: „Bitte besuchen Sie uns nie wieder.“
Bergers Unberechenbarkeit, die ihn die „Baby Schimmerlos“-Rolle in „Kir Royal“ kostete, steigerte sich ohne die schützende Hand und Führung Viscontis, bei dem er sich geradezu mustergültig am Filmset bewegte.
Bei einer Live-Sendung im deutschen Fernsehen musste sich eine Grünen-Politikerin, deren einfältige Argumente Helmut rasend machten, den entwaffnendsten aller Sätze gefallen lassen: „Dich ficke ich auch noch.“ Die deutsche Nation war gespannt.