Pierre Richard: Die Lust, ein Vollidiot zu sein
Paris - Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh. Der große Blonde mit dem blauen Auge. Der lange Blonde mit den roten Haaren. Der Hornochse und sein Zugpferd. Und so weiter und so fort. Wenn Pierre Richard durch die Fettnäpfchen seiner Filme stolpert und das Publikum vor Vergnügen brüllt, fragen sich nicht nur Kritiker: Ist der Typ auf der Leinwand ein Vollidiot oder sitzen die wahren Deppen in den Zuschauerreihen? Oder trifft nicht doch beides zu?
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Nein, er ist kein Idiot! Wer so überzeugend einen Trottel verkörpert und sich zur populären Schwachsinns-Ikone macht, ist eher ein illusionsloser Melancholiker, der weiß, dass nichts das Publikum so begeistert, wie die eigene turbulente Blödheit. Also lässt Richard Tonnen von brillanter Einfalt wie Konfetti über seine Zuschauer regnen, als sei er eine unerschöpfliche Quelle an verwegener Hirnlosigkeit. Ein genialer Komödiant, der begriffen hat, dass ein bisschen Dummheit eine Gottesgabe sein kann.
Man sieht ihn immer noch vor der Kamera: Hohe Stirn, blaue Augen, schütterer, weißer Vollbart, die ehemals blonde Mähne mittlerweile auch weiß. Coole Klamotten, lässige Körpersprache. Der Kopf eines philosophischen Bonvivants, dem niemand unterstellen würde, er sei in seiner Einfalt nicht mehr von dieser Welt. An diesem Samstag wird er 80, und das sieht man ihm nicht an.
Richard stammt aus der Heimat der Sch'tis
Pierre Richard Maurice Charles Léopold Defays wurde am 16. August 1934 in Valenciennes im äußersten Nordosten Frankreichs geboren. Die Region Nord-Pas-de-Calais gilt als Heimat der Sch'tis, das zwar liebenswürdige, aber etwas zurückgebliebene Völkchen, das man ja hinreichend aus dem Erfolgsfilm "Willkommen bei den Sch'tis" kennt. Wenn man hier zur Welt kommt und aufwächst, ist die Richtung der schauspielerischen Zukunft gewissermaßen vorbestimmt.
Der Einfachheit halber nannte er sich Pierre Richard, und nach seiner Ausbildung an der Schauspielschule sowie kleineren Engagements an Kabaretts und der Pariser Oper gab er mit "Alexander, der Lebenskünstler" sein Filmdebüt. Die Rolle des harmlosen, zerstreuten bis leicht verblödeten, doch sehr sympathischen Zeitgenossen war ihm wie auf den Leib geschrieben. Den großen Durchbruch erzielte er 1970 mit "Der Zerstreute". Und zwei Jahren später hatte er mit "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" auch einen spektakulären internationalen Erfolg.
Von da an ging es Schlag auf Schlag. Die Filmwelt hatte einen neuen wunderbaren Unglücksvogel gefunden, den König aller Tollpatsche. Ein französischer Buster Keaton, der die Welt mit seinem hilflosen Lächeln bezirzt. Fast jedes Jahr drehte er mindestens einen neuen Streifen, seine Rolle war immer die gleiche: Ein netter, lieber Trottel gerät in die bisweilen kriminellen Zwickmühlen des Lebens und wurstelt sich mit vielen irren Windungen wieder heraus.
Schauspieler drehte auch Tragik-Komödien
In guter Erinnerung sind ihm die vielen Ohrfeigen geblieben, die er vor der Kamera hat einstecken müssen, erzählt Richard schmunzelnd in einem TV-Interview, das er anlässlich seines 80. Geburtstags gab. Vor allem Gérard Depardieu habe stets kräftig hingelangt. Mit ihm hat Richard die Blockbuster "Ein Tollpatsch kommt selten allein", "Zwei irre Spaßvögel", "Der Hornochse und sein Zugpferd" und "Die Flüchtigen" gedreht.
Insgesamt waren es 49 Filme. Einige wie "Die Rezepte eines verliebten Kochs" und "Das Findelkind" waren Tragik-Komödien, bei denen das Publikum sogar ein paar Tränen verdrückte. Und so geriet er ein bisschen zu einem körperlich überdimensionierten Woody Allen, mit schüchternem französischen Charme.
So ein Typ kennt auch im Alter keinen Stillstand. Tatsächlich gibt der wunderbare Einfaltspinsel Pierre Richard seit Jahren noch eine weitere großartige Vorstellung, vielleicht seine beste: Er widmet sich der französischen Lebensart. Monsieur Richard ist Winzer in Südfrankreich, in Paris besitzt er ein Restaurant mit marokkanischen Spezialitäten sowie eine Weinbar mit dem schönen Namen: "Le P'tit comptoir du Grand Blond". Der Kleine Schanktisch des Großen Blonden. Nomen est omen. Oder umgekehrt!
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