Peter Gabriel: „Entspannter als mit 40“

Am Freitag erscheint nach acht Jahren ein neues Album von Peter Gabriel. Am Samstag wird er 60. Was der Musiker über Sex-Abenteuer, Englischsein, das Internet und sein Image als humorloser Tropf sagt.
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Peter Gabriel wird 60
dpa Peter Gabriel wird 60

Am Freitag erscheint nach acht Jahren ein neues Album von Peter Gabriel. Am Samstag wird er 60. Was der Musiker über Sex-Abenteuer, Englischsein, das Internet und sein Image als humorloser Tropf sagt.

Als extrovertierter Frontmann von Genesis trat er mit Fuchs- und Blumenmaske auf. Als Solist ließ er den „Sledgehammer“ zum meistgespielten MTV-Video aller Zeiten kreisen, stiftete Bonobo-Affen zum gemeinsamen Musizieren an und machte sich als Weltmusik-Botschafter verdient. Jetzt steht Peter Gabriel erneut vor einer Weggabelung. Heute erscheint sein neues Album, „Scratch My Back“, das erste seit acht Jahren, und am Samstag wird er 60. Gründe genug für ein Interview.

AZ: Herr Gabriel, warum mussten Ihre Fans so lange auf das neue Album warten?

Ist es nicht fragwürdiger, alle zwei Jahre eine Platte herauszubringen? Musikmachen ist wie Kindermachen, man kreiert etwas Neues, für das man sich vor und nach seiner Geburt Zeit lassen muss. Mich hetzen weder Termine, mein Ego noch die Sichtbarkeit meiner Potenz.

War das jemals anders?

Junge Männer, die eine Bühne erklommen haben, stehen nicht zuletzt da oben, weil ihre Sichtbarkeit die Chancen auf sexuelle Abenteuer erhöht. Auch ich lebte meine Fantasien früher eher auf der Bühne als im Privatleben aus. Sex als Antriebskraft hat zur Massennutzung vieler Neuerungen beigetragen.

Sie meinen das Internet?

Das Internet, die DVD, den Videorecorder, die Polaroidkamera – die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Die Porno-Industrie hat diese Werkzeuge oft zuerst entdeckt und zu deren Verbreitung beigetragen. Inzwischen werden sie auch von der Kirche genutzt.

Sind Sie vom intellektuellen Nutzen des Internets enttäuscht?

Nein, das Internet ist das virtuelle Abbild eines Marktplatzes. Leute wollen kaufen, verkaufen, oder ihr Leben durch den Blick durch das Schlüsselloch interessanter gestalten. Es wird noch etwas dauern, bis wir zu einem meditativen Nutzen finden werden. Bis dahin spiegeln sich sämtliche Bedürfnisse und Sehnsüchte im Netz. Das ist ein Istzustand, weder gut noch schlecht.

Wie sieht Ihr Istzustand aus?

Mit 60 bin ich entspannter als mit 40. Ich führe ein interessantes Leben, kann viel reisen, habe eine tolle Familie und kann Musik machen, wann immer ich will. Das Elders-Projekt, dem unter anderem Nelson Mandela, Jimmy Carter und ich angehören, bietet mir obendrein die Möglichkeit, an Aktionen teilzunehmen, mit denen die Rechte von Menschen untermauert werden, die von Folter bedroht sind.

Fällt es Ihnen inzwischen auch leichter, sich anderen Menschen zu öffnen?

Es gelingt immer öfter. Ich habe lange gebraucht, mein Englischsein aufzuweichen, kann immer noch scheuer, reservierter und introvertierter sein als mir lieb ist.

Ihr neues Album enthält ausschließlich Songs Ihrer angelsächsischen Kollegen.

Ich fand es zur Abwechslung erholsam, nicht dem Image des Innovators Peter Gabriel entsprechen zu müssen, der sich in einem Dschungel aus Sounds verläuft.

In Ihren teils großorchestralen, teils an die Minimal Music angelehnten Arrangements gewinnen die gecoverten Pop-Songs an Schwere.

Vielleicht schreiben Sie das besser nicht, denn das weit verbreitete Image von mir als humorloser Tropf wurde schon zu oft verbreitet.

In zehn Jahren werden Sie 70 Jahre alt. Muss die Menschheit solange auf ein neues Peter-Gabriel-Album warten?

Ich glaube nicht, dass die Menschheit ein neues Peter- Gabriel-Album braucht, aber offensichtlich schätzt man meine Arbeit noch. Ich denke über ein weiteres Coveralbum nach und muss dringend den engen Rahmen von „Scratch My Back“ verlassen und eine Pop-Platte aufnehmen.

Was ist mit 60 anders für Sie als mit 40?

Mein Blick auf die Welt ist detailreicher geworden. Wenn mir früher eine Frau begegnete, meldete sich sofort mein Instinkt und stellte die gleiche, alte Frage: Würde ich oder würde ich nicht? Heute kann ich ein erwachsenes Album veröffentlichen und fühle mich gerade wegen der inneren Ruhe nicht unattraktiv.Interview: Michael Loesl

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