Paul Godfrey: "Immer nach vorne, nie zurück"
Das Trihop-Urgestein Morcheeba meldet sich zurück. Am heutigen Freitag erscheint das neue Album "Head Up High", kurz darauf kommen die beiden Brüder Paul und Ross Godfrey samt Sängerin Skye Edwards auch auf Deutschland-Tournee. Im Interview mit spot on news spricht Paul über die neue Platte.
Berlin - Mit dem Debüt-Album "Who Can You Trust" ist Morcheeba Mitte der Neunziger zu so etwas wie der Blaupause des Triphop geworden. Inzwischen blickt die Band um die beiden Brüder Paul und Ross Godfrey auf eine 18-jährige Karriere zurück. Ab Oktober kommen die Briten nun auch wieder auf Deutschland-Tournee, mit ihrer brandneuen CD "Head Up High" und jeder Menge Elan im Gepäck. Was die Fans von der neuen Platte alles erwarten können, wie wichtig musikalischer Fortschritt ist und was es eigentlich bedeutet, mit seinem Bruder in einer Band zu spielen, verrät Paul Godfrey im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
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Herr Godfrey, wie unterscheidet sich das neue Album "Head Up High" von den Vorgängern?
Paul Godfrey: Ich denke das Album ist wesentlich dynamischer und zeitgenössischer als die Platten davor. Ich habe mich sehr viel mit moderner Musik beschäftigt und unsere Beats demensprechend angepasst. Der Idee war, von unserem Hip-Hop-Kurs ein wenig abzukommen und stattdessen mehr mit Post-Dubstep-Einflüssen sowie Tanz- und Reggae-Rhythmen zu experimentieren. Die letzten zwei Jahre verbrachte ich im Grunde damit, die Atmosphäre und die Stimmung zu erreichen, die ich mir für die CD vorgestellt habe. Und ich denke, es uns wirklich sehr gut gelungen. Es hat einfach eine andere Energie. Aber es klingt immer noch nach uns, nach Morcheeba. Es hat das selbe Gefühl, die selbe Wärme.
Ist es wichtig, für diesen kreativen Prozess auch mal Abstand von den anderen Bandmitgliedern zu bekommen?
Godfrey: Ich sehe die anderen ohnehin nicht sehr oft. Ich lebe in Frankreich, habe dort ein Musikstudio und arbeite von zuhause aus. Da kommt es dann schon vor, dass wir uns eine ganze Weile nicht sehen. Das macht aber unsere Treffen dafür umso schöner. Zuletzt waren wir in London zusammen, um dort Gesang und Gitarre für "Head Up High" aufzunehmen. Weil uns aber eine so lange gemeinsame Zeit verbindet, können wir es uns erlauben, nicht ständig zusammen zu sein und so zu leben, wie wir es wollen.
Droht dabei nicht die Gefahr, sich auseinander zu leben?
Godfrey: Natürlich, aber Leben ändern sich nunmal. Wir sind schließlich keine 20 mehr. Früher war meine Motivation immer, bei den anderen zu sein und hart zu arbeiten, aber inzwischen habe ich eine Familie und andere Prioritäten. Ich ziehe meine Kinder groß, Skye hat eine Familie und mein Bruder Ross ist gerade Vater geworden. Aber im Grunde hat sich damit nichts an unserer Motivation geändert. Jetzt arbeiten wir hart, damit es unseren Kindern gut geht. Wir sind also gar nicht isoliert voneinander, weil wir alle die gleiche Motivation, die selbe Einstellung teilen. Tatsächlich fühlen wir uns jetzt verbundener zueinander als zu Beginn unserer Karriere.
Wie wichtig ist es, als Band nie zu lange in einer künstlerischen Komfort-Zone zu verweilen?
Godfrey: Das ist extrem wichtig und es ist genau das, wofür ich stehe. Ich möchte immer nur nach vorne, nie zurück. Ich war praktisch mein gesamtes Leben in einer Band, umso wichtiger ist es mir, relevant zu bleiben. Es wäre unheimlich einfach für uns, die gleiche Musik immer und immer wieder zu machen, aber das interessiert mich nicht.
Im Oktober beginnt die Deutschland-Tournee. Gibt es einen Aufritt hier, der Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?
Die Konzerte auf der Reeperbahn in Hamburg haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Irgendwann um 8 Uhr in der Früh sind wir da erst rausgekommen. Gerade gut ging es uns dann nicht mehr (lacht). Aber ich spiele unheimlich gerne in Deutschland, ich liebe das Land. Wenn meine Kinder erst einmal älter sind, würde ich gerne in Berlin wohnen und arbeiten.
Überrascht es einen auch nach fast 20 Jahren Bandgeschichte noch, wenn Menschen aus anderen Ländern die Texte der Lieder mitsingen können?
Godfrey: Es ist absolut atemberaubend. All diese Menschen zahlen schließlich auch viel Geld, um uns zu sehen. Ich hätte nie gedacht, dass wir es so weit schaffen würden und derart lange existieren könnten.
Spielt da Nervosität überhaupt noch eine Rolle?
Godfrey: Ich bin immer unheimlich nervös! Das hört nie auf. Aber das ist etwas Gutes, denn würde es aufhören, hieße es, dass es mir nichts mehr bedeutet. Die Tatsache, dass ich vor Auftritten so nervös werde, zeigt wie wichtig es mir ist und das ist großartig.
Immer wieder kann man von Fans lesen, dass Ihre Musik über schwere Zeiten hinweggeholfen haben soll. Ist das eines der größten Komplimente, das man als Songwriter überhaupt bekommen kann?
Godfrey: Ich denke es gibt einige tolle Komplimente, die man als Band bekommen kann, aber das gehört definitiv dazu ja. Es ist emotional überaus bewegend und ich bin stolz auf die Tatsache, dass unsere Musik eine Resonanz hat, die für manche Menschen therapeutisch wirkt. Ein unbeschreibliches Gefühl, das uns sehr freut und mich glücklich macht, diese Gelegenheit bekommen zu haben und der Mensch geworden zu sein, der ich heute bin.
Es wird sicherlich sehr spannend sein, die Reaktion der Fans auf die neuen Lieder hautnah auf den Konzerten mitzuerleben.
Godfrey: Absolut! Es ist jedes Mal ein fantastischer Moment, erst recht wenn man so lange darauf gewartet hat wie wir. Es ist unglaublich, direktes Feedback auf unsere Lieder zu bekommen und zu sehen, wie sie die Menschen bewegen.
Macht es die Arbeit eigentlich leichter oder ungleich schwieriger, mit einem Familienmitglied über so lange Zeit in einer Band zu spielen?
Godfrey: Beides (lacht). Es hängt ganz vom Augenblick ab. In der Regel würde ich sagen, dass es die Sache einfacher macht, weil Ross und ich schlichtweg eine so innige Verbindung haben. Es kann aber auch kompliziert sein, dann nämlich, wenn ich einfach nur Bruder und kein Geschäftsmann sein will, aber Geschäftsmann sein muss. Grundsätzlich schätze ich es aber sehr und bin absolut glücklich darüber.
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